„Auf dem Schleudersitz“, oder „Der lachende Notruf!“

Dieser Sonntag hätte in die Geschichte eingehen können; Umsatzstark, ausgestattet mit eloquenten und solventen Fahrgästen, chauffiert in dem von mir zur Zeit favorisierten Arbeitswerkzeug, dem Caddy.

Hätte, hätte, hätte…………

Aber ich erzähl besser von Anfang an. Die Voraussetzungen waren also perfekt. Und die ersten Touren versprachen einen wirklich angenehmen Sonntagabend. Ausser, das ich mir Sorgen um meinen Taxi-Blog machte, wegen mangelnder Postings, denn offensichtlich waren alle Leute so normal und pflegeleicht, somit wenig bis nichts Blogbares in der Pipeline.

Tour 1:

Der Sicherheitsmann mit dem Sammeltaxi zum Bahnhof. Er arbeite 240 Stunden im Monat. Ich bemitleide und ermuntere ihn. Er ist nett und klebt anscheinend am Sitz weil er am Fahrziel nicht aussteigt, sondern brav meinen Monologen zum Themenbereich US-Wahl lauscht, trotzdem muß er für die Fahrt bezahlen!

Tour 2:

Die neue Kollegin aus der Zentrale beauftragte mich von  „Börger“ oder eventuell auch „Würger“, so genau hätte sie nicht verstanden, den Herrn Fischer abzuholen und nach Dorfhagen zu bringen. Als ich allerdings am Abholort eintraf, winkte und rief mich ein altbekannter Puffgänger heran.

„Seid ihr bekloppt? Wie kann man denn Würger nicht kennen. Und ich heisse nicht Fischer. Sag der das!“

„OK, ok, beschwichtige ich ihn und auch mit dem Hinweis auf den Welpenschutz der Kollegin. Schließlich könne man 8 Wochen nach Arbeitsbeginn noch nicht mit jedem bemoosten Stein im Landkreis „per du“ sein!“

Ich fass nochmal zusammen:

Die Bestellung war in der Zentrale so aufgenommen worden: Herr Fischer von Börger oder Würger nach Dorfhagen.

Die Bestellung sollte sein: Herr $Puffgänger von Gaststätte Würger (Inhaber Familie Fischer) nach Offenwarden.

Die Zentrale und ich haben uns köstlich amüsiert, als ich ihr ihre Hörfehler erklärte. Es ist einfach schön, wenn man über seine Fehler herzlich schmunzeln kann. Und, es war ja auch nichts passiert!

Tour 3+4

Ich erfuhr, das eine Kollegin für die laufenden Schicht wegen Krankheit ausfiel. Ersatz gäbe es nicht, ich und ein weiterer Kollege sollten kreativ sein und einfach der Reihe  nach abarbeiten.

Eine Person sei jetzt per Sammeltaxi von Hagen nach Sandstedt zu bringen. Zur gleichen Zeit würde an der Autobahnabfahrt Hagen eine Dame auf ihre Beförderung warten. Leider  20 Kilometer in die komplett entgegengesetzte Richtung.

Ich entschied mich, zuerst den Sammeltaxikunden abzuholen und auf halbem Weg die Dame von der Autobahn dazu zu laden. Die würde dann mit nach Sandstedt fahren müssen, bräuchte dafür nicht in der Kälte stehen. Außerdem dämmerte es schon. Beide Fahrgäste waren Handzahm und mein Vorschlag kam an.

Tour 5+6+7

Je eine Person vom Bahnhof Lübberstedt nach Axstedt und Hagen. Zum Glück liegt Axstedt fast auf der Route nach Hagen. Wieder waren die Fahrgäste einverstanden eine Weile das Taxi zu teilen. Auf dem Weg nach Hagen sammelte ich dann auch gleich noch einen Kunden auf, der dort hin wollte, wo ich gerade her kam, dem Bahnhof Lübberstedt. Auch das klappte prima, denn sonst hätte er vielleicht seinen Zug verpasst. Der zweite Fahrgast stieg in Hagen aus und ich brachte Fahrgast 3 zum Zug.

Tour 8

Laaaangweilig! Von Kassebruch nach Lunestedt. Ich erklärte unterwegs, warum ich die „Start/Stop-Funktion“ bei unseren neueren Taxis nicht mag. Der Fahrgast lauschte meinen Ausführungen und schlief dabei ein…..

Tour 9

Ich erreichte den Bahnhof Lübberstedt etwa mit 20 Minuten Verspätung. Der Zug aus Bremen mit meinem Fahrgast darinnen fuhr tatsächlich auch mit der gleichen Verzögerung ein. Ich log den Fahrgast an, „ich hätte so lange warten müssen“. Er belohnte mich mit einem üppigen Trinkgeld. Ich schäme mich nun für meine Flunkerei! Nein, nein, nicht wirklich!

Tour 10

Drei Refugees zum Bahnhof. Ich testete ihre deutschen Sprachkenntnisse und sofort begann eine aufregende Plauderei. Zuerst die einsetzende Kälte. Man könne sich kaum so dick anziehen, damit man nicht fröre!, so das Trio einhellig. BTW: Es waren gerade 11 Grad Plus! Ihr Vokabular reichte nach 8 Monaten Schule durchaus für einen Unterhaltung auf Niveau. Ich erkundigte mich, wie sie die Zeit in Deutschland bisher empfunden hatten. Es war schön, diesen drei Männern zuzuhören, wie sie ihre Gefühle teilten und verschämt lächelnd bemüht waren, ihre Unsicherheit zu verbergen. Der Grund für ihre Reise war übrigens ein Urlaub! Sie wohnen in Bremerhaven und gehen dort auch zur Schule. In diesen Herbstferien besuchten sie Landsleute in einem Dorf bei uns in der Nähe. Ist das schon ein kleines Zeichen von Angekommen sein und Normalität? Ich wünschte mir so sehr, das die „Deutschen“ sich alle etwas mehr Mühe bei der Verständigung gäben und ihre Zweifel und Scham gegenüber „Fremden“ zukünftig  verlören!

Tour 11

Vom Bahnhof nach Bramstedt. Keine besonderen Vorkommnisse.

Tour 12

Die Zentrale hatte die Anrufweiterleitung auf mein Handy gelegt, es bimmelte. Er wolle von Uthlede nach Sandstedt gefahren werden. Ich sagte, das er in 10 Minuten vor der Tür stehen könne, auf die Sekunde genau!

Er stand dann natürlich nicht vor der Tür. Er lief nämlich in Schlangenlinien über die unbeleuchtete Strasse und hielt das Fahrzeug vor mir an. Es dauerte einige Beschimpfungen des beteiligten Fahrers, bis mein Fahrgast bemerkte, das er in den falschen Wagen einsteigen wollte.

Während der Fahrt erkundigte sich der Mann, ob in der Kneipe „Ficke“ noch Betrieb sei. Ich erklärte, das dort an Sonntagabenden nicht geöffnet wäre. Und erst Recht nicht mehr um 1/2 Eins Morgens. „Dann eben in den Puff!“, nuschelte er von der Seite.

Tja, was soll ich sagen. Der Puff (Sandstedt-Dreams) hatte schon geschlossen. Sonntags nur bis 00:00. Hatte ich ihm auch schon gesagt, aber er wollte es nicht glauben. Stattdessen hatte er mich als unwissenden Taxifahrer angepöbelt. Na denn, ich war froh, ihn gleich los zu sein.

„Am Arsch die Räuber!“

Nach einem Besuch bei der lokalen Volksbank solle ich ihn in die Lessingstrasse fahren. An der Volksbank lungerten zwei Typen herum, mit denen er sich prompt anlegte. Im Rückspiegel sah ich, wie mein Fahrgast die Jacke auszog und die Jungs vor ihm weg liefen. Ich würde am Liebsten auch weglaufen.

Die Osterstader Strasse führt zur Autobahn und die führt in die Stadt der Sünde.

„Los, mach mir `nen Festpreis!“

Ja klar, das fehlte jetzt noch. Ungefähr Drölfzig Mal erklärte ich ihm, das ich nur nach Taxameter abrechnen würde. Auf keinen Fall weniger oder mehr, nur was die „Uhr“ anzeigt. Taxifahrer, die hier auf dem Dorf Rabatt geben, vor allem, wenn schon ein ordentlicher Betrag aufgelaufen ist, geraten schnell in eine Spirale der Erpressbarkeit, bis sich ihre Touren gar nicht mehr lohnen.

„Kein Festpreis. Kein Rabatt. Mein Taxi-Häuptling hat das so angeordnet!“

Ich fuhr rechts auf den Fahrradweg. Die Stimmung im Fahrzeug empfand ich als sehr bedrückend. Ich war einmal mehr am Arsch. Ich bot dem Fahrgast an, auszusteigen, den aufgelaufenen Preis zu zahlen und sich ein Taxi der Konkurrenz zu rufen. Jetzt entspann sich eine Phase der muffeligen Trotzigkeit. Die Uhr zeigte € 28,30. Das wäre sowieso schon zuviel und ich ein Betrüger. Er nahm sein Handy, wählte eine Nummer.

„Das wirst du noch bereuen, jetzt rufe ich deinen Chef an!“

 

Mein Handy bimmelt. Auch das noch. Ich hebe ab.

„HerrTaxifahrer, NamedesTaxiunternehmens, hier!“

„Ich will mich beschwer………scheiße Alter, bist du das, oder was!?“

Wenn ihr wisst, wie ein Auto schaut, dann kennt ihr auch den Gesichtsausdruck meines Fahrgastes! Langsam bekam ich Angst und machte etwas Druck bezüglich „Bezahlen und Aussteigen“. Wollte er aber beides nicht.

Ich wählte den Notruf, ich liess ihn sehen was ich tat, in der Hoffnung, er knicke ein.

„Ja, genau, ruf die Bullen an! Lass die hier mal auflaufen!“

Ich nannte meine Daten und mein Anliegen, sowie das ich etwas Hilfe benötigen würde. Mein Fahrgast plapperte immer dazwischen, ich schaltete auf Lautsprecher, damit die Telefonistin in der Notrufzentrale sich einen besseren Überblick verschaffen konnte.

Leute, mein Fahrgast hat so eine Scheiße erzählt, das die „Polizistin?“ zweimal vernehmbar auflachte und mich bat, irgendwie mit dem Typ klar zu kommen und erst wieder anzurufen, wenn ich meinen Fahrgast partout nicht los werden würde!

Mir war das jetzt echt peinlich, den Notruf sage und schreibe 5 Minuten wegen so eines Deppen blockiert zu haben. Ich entschloß mich, den Fahrgast ohne Bezahlung zu entlassen, um so endlich aus dieser Lage heraus zu kommen. Außerdem hatte ich in Kürze zwei eitere Aufträge auf dem Zettel.

Nörgelnd lies ich den Saufsack am Straßenrand stehen. Leider wird er wohl einen Dummen gefunden haben, der ihn abholt. Meine Laune war am Tiefpunkt angelangt. Einmal mehr fragte ich mich, warum ich mir solche subalternen Drecksäcke immer wieder antue. Die paar Öcken Verlust wird mein guter Chef sicher übernehmen. Wenigstens auf ihn kann ich mich verlassen, er schenkt mir das Vertrauen, das ich immer Alles versuche!

Tour 13

Pünktlich stehe ich an der angegebenen Adresse. 15 Kilometer war ich her gedüst, eine normale Anfahrtsstrecke hier auf dem Dorf. Allerdings sehr blöde, wenn dann kein Fahrgast wartet. Ich stieg aus und fand den Namen nicht auf einem der 16 Klingelknöpfe. Deshalb rief ich den Besteller an. Ohne Erfolg, ich hörte nur das Gedudel von O2. Wenn die nicht über kurz oder lang ihren Jingle ändern, wird das der Tropfen sein, der das Faß eines Tages zum Überlaufen bringt! Ihr kennt den Film mit Michael Douglas!? Falling Down!

Ich vermerkte eine Fehlfahrt und machte mich auf, meine letzten Auftrag zu erledigen.

Tour 14

6 Junge Männer, leicht besäuselt, aber höflich und lustig drauf. Ich rede schnodderig und mache ein paar Schlenker auf der Straße, so als wolle ich durch die Kurve driften. Die Sitzreihen brüllen Schlachtrufe und freuen sich ihres Lebens. Mit € 2, 40 Trinkgeld und einem wieder besseren Gefühl legte ich Kurs auf die Zentrale an.

Mein Handy klingelte , als ich auf den Hof einbog. Eigentlich hatte ich seit 1,5 Stunden Feierabend. Aber was soll`s, ich bin gern behilflich, und gut für mein Karma ist das sicher auch!

Service

Einer der Jungs hatte sein iPhone verloren. Ob es im Taxi sei, wollte er wissen und ob ich das klingeln hören könne. Nein, Nichts zu hören. Aber Etwas brummte. Neben dem Beifahrersitz lag das Objekt der Begierde!  Ich entschloss mich, da er sein Gerät dringend benötigen würde, es gleich auf dem Weg nach Haus vorbei zu bringen. Allerdings würde er mir den kleinen Umweg von 10 Kilometern vergüten müssen. Er versprach, es Gut zu machen.

Seine Augen glänzten wie Weihnachten, als er sein Handy wieder in Händen hielt, es wie ein Neugeborenes von allen Seiten beäugte und für Gesund befand. Er entriegelte es auch noch vor meinen Augen, als Beweis das er der einzig ware Besitzer sei. Sein Kumpel reichte mir € 20,00, für meine Unannehmlichkeiten an diesem Abend. Ich bedankte mich höflich und cruiste nach 350 stressigen Kilometern Richtung Heimathafen.

 

 

3 thoughts on “„Auf dem Schleudersitz“, oder „Der lachende Notruf!“

  1. Arno.Nyhm says:

    Tour 12 – da ärgert es eigentlich schon, dass solche Typen mit dem Genörgel immer durchkommen.

    Ich hätte da von der „Polizistin?“ da mehr aufklärende Worte erwartet als Gelächter. Manchmal kann ja so ein aufklärendes Gespräch ja hilfreich sein.

    • HerrTaxifahrer says:

      Das Hauptproblem ist, das hier um diese Uhrzeit kein Mensch mehr auf der Straße ist, den man um Hilfe bitten könnte. Die Polizeidiensstelle Schiffdorf ist 25 km entfernt! Ich wollte mich wegen des Geldes einfach nicht in Gefahr bringen. Alkohol enthemmt leider!

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