Nasenstüber

Gelegentlich weise ich meine Fahrgäste auf die Anschnallpflicht -auch im Taxi- hin, ganz besonders unter dem Hinweis „ich bremse auch für Tiere“! Auch betone ich gern, das so ein Aufprall gegen die Windschutzscheibe nicht gut für den Teint ist.

Nun, ich schaue dann kein zweites Mal hin, ob alle Fahrgäste den Gurt angelegt haben, ausser bei Kindern, da sehe ich mich in der Verantwortung.

Als Nachtfahrer in unserer sehr ländlichen Gegend mit vielen kleinen Wäldern habe ich ständig mit Tieren, welche vor mir auf die Fahrbahn laufen zu rechnen. Und so jeden zweiten Tag -im Schnitt- stehe ich voll auf der Bremse, um Leib und Leben irgendeines Vieches zu retten und/oder das Blech/Plastik meines Taxis vor Schaden zu bewahren. Unsere Wagen sind allesamt mit sehr guten Bremssystemen ausgestattet, sodass außer bei Schlag- oder Eisregen, einer Vollbremsung Nichts entgegen steht. Also ausbrechen, schleudern und so weiter. Lenkung geradeaus!

Die Gesetzeslage sieht vor, das ich auch auf ein ggf. hinter mir fahrendes Fahrzeug achten muß und das dieses nicht durch meine Voll-Bremsung in Bedrängnis kommt. Das ganze dann noch unter Berücksichtigung der Größe des vor mir auftauchenden „Hindernisses“ und der daraus folgenden Bedrohung für mich und meine Fahrgäste.

Nun zum Sachverhalt, der mich veranlasst, euch mit diesem langweiligen Kram zu nerven:

Ich fuhr besetzt mit meinem Taxibus durchs Dorf, mit so 40-50 km/h. Da rennt von Rechts kommend ein Fuchs über die Straße. Ich gehe in die Eisen und das Tier kann knapp vor mir unbeschadet die Straße passieren. 3 Passagiere hatten sich leicht erschreckt, was auch anzunehmen ist, wenn man nicht mehr ganz nüchtern ist und sowieso dem Taxifahrer die Beobachtung des Verkehrs überlässt.

Nummer 4 hatte es sich im Bus auf der hinteren Bank bequem gemacht und war mit der Nase etwas sehr heftig gegen eine der Kopfstützen der mittleren Reihe geprallt. Nachdem er den größten Schmerz „verdaut“ hatte, hielt er mir vor, viel zu fest gebremst zu haben. Er sei angeschnallt gewesen, sagte er auf Nachfrage.

Nun meine Frage:

Darf ich eine Notbremsung vornehmen -kein Verkehr hinter mir-, nur angeschnallte Fahrgäste, oder muß ich auch in diesem Fall riskieren das „Hindernis“ zu überfahren und ggf. den Sachschaden am Fahrzeug hinnehmen, um Insassen nicht zu gefährden?

Wie seht ihr das? Kennt ihr Urteile dazu? Ist euch das auch schon passiert? Wie sind euere Prioritäten?

Ich habe hier nur etwas zum rückwärtigen Verkehr gefunden.

Als Mitfahrer in Linienbussen gibt es Urteile, wonach der Fahrgast selbst für seine Sicherung verantwortlich ist. Er muß auch den Verkehr im Auge behalten, weil es dem Busfahrer nicht zugemutet werden kann, auf jeden einzelnen Mitfahrer einzugehen. Allerdings deckt das auch keine Vollbremsung.

Traumabewältigung

Zu Thanksgiving treffen wir uns jedes Jahr im Deutsch-Amerikanischen Club (GAC), einer Vereinigung von ehemaligen Soldaten aus der Zeit der Flugabwehrraketenbataillone im Delmenhorster Raum.
Wegen der Bestückung der Gefechtsköpfe mit atomarer Munition hatten wir bis Mitte der 80er eng mit den Amis zusammen gearbeitet!

Dieses sehr populäre Erntedankfest ist ein wichtiger Termin im Kalender meiner Bekannten aus den USA, die extra zu diesem Anlass aus aller Herren Länder anreisten.

Außer dem jährlichen Treffen steht an diesem Tag auch das lukullische Vergnügen im Mittelpunkt. Nachdem ich den ersten Willkommens-Marathon unter gelegentlichem Herunterstürzen eines Bechers Jack Daniels absolviert hatte stand, der Besuch des reichhaltigen Buffet, mit dem Besten, was die Küche zu bieten hatte, an.

Die Reihe der Hungrigen war noch recht lang, der Weg zu den Köstlichkeiten würde sich noch etwas hinziehen.So konnte ich die Gedanken baumeln lassen und an alte Zeiten denken, während ich mich in kleinen Tippelschritten der „Front“ näherte.

Front war das Stichwort! Als Soldat des kalten Krieges, immer nur eine Schalterstellung vom Atomkrieg entfernt oder in voller Montur gerüstet, um den Ostermärschen zum Abschussbereich der Schönemoorer „Nike Hercules“-Raketenstellung unter vorhalten von Plakaten entgegen zu treten.

„Alle reden vom Frieden! Wir sichern ihn!“

Diese Parole wurde uns 14-tägig, im Rahmen politischer Bildung eingeimpft. Wir glaubten es erst Mal!

An einem Sonnabend trat dann ein, was sich Keiner je vorstellen konnte. Ein Gewitter war über unsere Stellung hinweg gezogen. Der Vorschrift entsprechend, war nach Blitz und Donner eine Überprüfung der Gefechtsköpfe und Zünder der Triebwerke vorzunehmen. Ich teilte 4 weitere Soldaten außer mir ein und wir legten unser Werkzeug griffbereit.

Die Nukleargefechtsköpfe waren in einem separat gesicherten Bereich untergebracht. Dieser durfte nur von Soldaten mit entsprechender Sicherheitsstufe unter Aufsicht amerikanischer Bewacher betreten werden! Die Bundesrepublik hat bis Heute keine Erlaubnis, eigene Atomwaffen zu horten.

Wir saßen in der Assy-Halle (Raketenmontage| Assembly), als endlich der Auftrag des Officers in Charge -OIC- eintraf. Am Guard-House warteten schon unsere Aufpasser. Sie würden jede falsche Handbewegung oder einen Fallen gelassenen Schraubenzieher mit unmittelbarem Zwang quittieren! Das war so, das kannten wir.

In Section Bravo, der mittleren Abschussgruppe sollten die Sicherheitschecks beginnen.

Startgerät für Startgerät gingen wir unsere Liste durch. Zuerst wurde mittels eines sogenannten „Squibtesters“ das Zündkabel, welches zu den Ignitern des Starttriebwerks führte auf Streuspannung und Funktion überprüft – Strayvoltage-Check und Continuity/Discontinuity-Check – .
Einer laß aus der Manual die einzelnen Steps vor, der zweite führte sie durch, der dritte hakte ab. 3-Men-Rule hieß das!

Wir hatten gerade die Sicherungen der „XL-Warheads“, die für Boden-Boden Einsatz vorgesehenen überprüft und nahmen jetzt das letzte Startgerät, den Laucher 3 in Angriff.

Die Wachhunde trieben uns zur Eile an. Die Puertoricaner hielten es nicht gut in unserem Herbstklima aus. Es regnete leise, die Feuchtigkeit drang in alle Ritzen ein und leitete den kühlen Wind direkt auf ihre braun gebrannten Körper.

Ich stand links vorn und betete die Checkliste herunter, der Macher und der Checker befanden sich in der Mitte der Rakete, dort wo der „Booster“ beginnt. Die German Shephards beobachteten unser Tun aus der Diagobale, immer alles im Blick!

„Verbinde Stecker AC mit Boostercable!“, befahl ich.

„Kabel verbunden!“, meldete der Macher!“

„Che…………“

Ein Tosen, wie wenn eine Rotte Starfighter zum Alarmstart aufbrach, ein Knall, ein Donner……

Keine Ahnung, wie lange ich Ohnmächtig gewesen war. Was ist hier los? Wo bin ich? Ich konnte nur den Stumpf eines Lenkflugkörpers erkennen, der leicht schräg von oben in einem die Basis umgebenden Erdwall stecken geblieben war. Der Booster, das ist die erste Stufe, war schon abgebrannt und es loderten nur noch kleine Flammen heraus. Es hatte nur eine von 4 Röhren gezündet, was ein Glück!
Ich spüre nichts und suche nach den Kameraden. Dort, wo eben noch 2 Mann das Kabel anschlossen fand ich wenig Hoffnung auf Leben. Ich robbte hinüber, in kleinen Zügen und fand nur noch zwei ausgeblutete Rümpfe, die Arme und Oberkörper mussten durch den linken, unteren Main-Fin (Hauptflügel) abgetrennt worden sein. Die Köpfe waren auf halber Distanz abgerissen, der dünne Hals hat die enorme Beschleunigung nicht ausgehalten!

Einer der beiden Amis lag zusammen gekrümmt unter dem Raketenstumpf. Eigentlich konnte es auch etwas anderes als ein Mensch sein. Die verkohlten Umrisse ließen diesen Schluss jedoch zu.

Erst jetzt fiel mein Blick auf den anderen Amerikaner. Mit letzter Kraft schleppte ich mich zu ihm und erschrak, als er mich mit Tränen der Verzweiflung in den Augen anrief:

„Please, Kraut, kill me!“

Sein Zustand war nicht für einen Cent besser, als bei den anderen Jungs, ich mochte ihn aber nicht einfach aufgeben, sicher ist Hilfe unterwegs! Ich beugte mich vor, richtete sein Koppel und da quollen seine Eingeweide aus einem riesigen, schwarzen Loch aus seiner Bauchdecke. Mit aller Macht rührte und schob ich, um die Gedärme wieder zu positionieren!

„Aaaah, Auuuaaah!“, was war das? Ein wahnsinniges Stechen durchzuckte mein Nierenbecken. Starr verharrte ich bei diesem unbändigen Schmerz.

„Andreas! Aaaaandreaaaaas!?“

„Waaasaas willst Du?“, schaute ich erstaunt in das vor Zornesröte glühende hübsche Gesicht meiner besten Ehefrau von allen.
„Spatzl, was ficht dich an, mich so zu kneifen, mich so zu erschrecken?“

„Mein liebster Gatte, jetzt nimm erst Mal deine Pfoten aus dem Heringssalat, das sieht ja aus, als hätteste wen umgebracht!“

Oh Mann, diese Tagträume machen mich fertig. Nie wieder werde ich in Erwägung ziehen, eine Gruselgeschichte für meinen Taxiblog zu schreiben!

In diesem Sinne:

happy halloween