Auf der Jagd II

Der Gleichschritt wurde zum Mysterium in unserer Marschgruppe. Er entstand ohne besonderes Zutun, zerfiel aber nach wenigen Sekunden in das Stadium eines Tausendfüßlers hinein, dann wieder Gehüpfe.

Der Rhytmus erinnerte mich an ein vor mir an der Ampel wartenden Wagen der abbiegen möchte und den Blinker eingeschaltet hat. Alle paar Sekunden blinken Der und mein Wagen im Takt, um kurz darauf in ein unkontrollierbares Chaos einzutreten! Ich hasse es, wenn die Blinkrelais alle tun was sie möchten! Da muss so eine zentrale Steuerung her, so wie die Atomuhr in Braunschweig für die Zeit.

Das nützt uns Schützen jetzt aber gar nichts, denn unser Netzwerk läuft analog und auf Zuruf. Der Schießstand ist das Ziel und noch viele tausend Schritte entfernt. Ich kenne mich aus, denn ich wohne in der Nähe.

Gleich sind wir am Anwesen der Königin. Dort bekommen wir als Stärkung ein bis zwei „Hörnerwhiskies“ kredenzt!

Die erste  Etappe war geschafft und diese gut 500 Meter hatten schon ein erstes Opfer gefordert. Eine Trevira Feinstrumpfhose hatte sich unter dem Druck sehr strammer Waden in 2 Hälften geteilt. Mit den Worten „Ich hatte extra Heute nicht gefrühstückt!“ Riss die Trägerin das gute Stück geschickt von ihrem Fahrgestell.

Nun ging es weiter, die Dorfstraße entlang, der König wartete mit Bier und Korn. Ein schon etwas angeschickerter Kamerad war auf seinen Vordermann aufgelaufen und hatte dessen Hacken am Schuh so weit herunter getreten, das Dieser strauchelte und im Seitenraum neben der Straße in einem Entwässerungsgraben zu liegen kam.

Ein dreifaches „Hoch“ erschallte im Chor. So wollte es die Sitte, wenn während der Prozession etwas besonders Aufregendes vorfällt. Ein Unfall oder ein schön dekoriertes Anwesen könnten hierzu Anlass geben!

Gefühlte 10 dreifache „Hoch’s“ später, der Schweiß lief mir den A**** / verlängerten Rücken hinunter, glaubte ich die Umrisse meiner lieben Frau zu erkennen. Und ja, als sie näher trat um mich mit frischen Trank zu laben, erkannte ich sie an der Stimme. Ich hatte keinen Schimmer, ob je wieder neue Haut auf meinem Haupte entstehen könne. Ich schaute aus wie ein Krebs – nach der Zubereitung im Topf- und die Augen zugequollen. Ich bat sie um mehr Schnaps, um der Schmerzen Herr zu werden. Sie schenkte mir Einen nach dem Anderen ein, bis ich wenigstens den Weg wieder sehen konnte. Ich musste laufen, um den Tross zu erreichen. Der Wagen am Ende der Kolonne war besetzt mit Rentnern, sie schenkten mir 3 laute „Hoch’s“, als ich im Zeitlupentempo vorüber robbte! 

Da vorn stand der König und die Sanitäter hatten sich auf das Schlimmste gefasst gemacht. Im Anblick der Raststation taumelten wir  die letzten Meter und suchten Schatten unter einer Linde. Mit Mühe und Not exten wir 2 Haakebeck-Pils und nahmen Aufstellung für den letzten Abschnitt bis zum Schiessstand. Dort angekommen mussten wir schon wieder antreten. Wir sollten durchzählen. Der Vorderste im ersten Glied der sichtbaren Reihe ruft:“1″. Der jeweils folgende erhöht die vorherige Zahl um 1 und ruft sie laut. Der letzte Vordermann zählt nach, wieviel Personen in seinem Glied stehen und ruft folgendes. Nummer des Vorgängers + 1, dann die Anzahl der Menschen in seinem Glied (1-3 möglich),  zu guter Letzt das Wort „durch“!

Bis das geklappt hatte, vergingen 2 Stunden. Nun folgte wiederum eine Kleiderkontrolle, bei der ich erwartungsgemäß durchfiel. Wie noch 3 Andere hatte ich meine Jacke in Streifen gerissen, um sie an verschiedenen wichtigen Stellen als Schweissbänder anzuknoten. Die Strafe betrug nun schon eine ganze Lokalrunde, es war mir egal!
Nachdem wir Männer 2 Gruppen für das Schießen ausgelost hatten, durften wir endlich den Tresen belagern und vorglühen, während der Adlerbeauftragte* sich von einem abschussgerechten Zustand der Holzvögel überzeugte……,,,

Und Mittwoch schreibe ich euch die Schiessergebnisse!

*Kamerad, der die Vögel aus Sperrholz ausschneidet, mit Verzierungen und Farbe versieht, zusammenbaut.
P.S. In unserem Verein kann es sich Jedermann leisten, König zu werden. Die meisten Auslagen des Oberhauptes werden aus der Kasse bestritten. Deshalb sind wir einer der sympathischsten Vereine in der Gegend und Klagen nicht über Mitgliederschwund! 

One thought on “Auf der Jagd II

  1. Marco says:

    „…durften wir endlich den Tresen belagern und vorglühen…“

    Ja, das wurde auch dringend Zeit, endlich was zu trinken 😀

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