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Hamburg Prozess

Hamburger Taxifahrer gesteht Entführung einer Frau

Taxifahrer wegen Freiheitsberaubung vor Gericht Taxifahrer wegen Freiheitsberaubung vor Gericht
Seit Mittwoch steht der Taxifahrer Ralph Karl-Friedrich B. wegen Freiheitsberaubung vor Gericht. Er sperrte eine Kundin stundenlang in den Kofferraum seines Taxis
Quelle: dapd/DAPD/Philipp Guelland
Sechs Stunden in Todesangst musste eine 33-jährige Frau im Kofferraum eines Taxis erleiden. Noch heute hat sie Angstzustände. Der Angeklagte verweist auf seinen Alkoholkonsum und Schulden

Es war eine unvorstellbare Qual. Fast sieben Stunden verbrachte die 32-jährige Erzieherin Julia H. im Kofferraum von Taxifahrer Ralph B. (57). Sie lebte dabei in ständiger Angst, vergewaltigt oder gar getötet zu werden. Entführt worden war die junge Frau am 4. September 2011 gegen 5 Uhr morgens. Nichts ahnend hatte sie sich nach einer Feier mit ihren Freundinnen an der Großen Freiheit (St. Pauli) in ein Taxi gesetzt. Sie wollte nach Hause zu ihrer Familie nach Eimsbüttel. Doch das Taxi fuhr in entgegengesetzte Richtung.

Geschlagen und in den Kofferraum gesperrt

„Sie fahren einen Umweg. Das zahle ich nicht“, erklärte die Erzieherin, die hinten rechts im Auto saß, dem Fahrer. Der reagierte mit Hasstiraden. An einer stark befahrenen Ausfallstraße hielt er das Fahrzeug an, zerrte die Frau aus dem Auto und verpasste ihr einen Faustschlag ins Gesicht. Dann packte er die zierliche Frau an der Hüfte und warf sie mit Schwung in den Kofferraum. Nachdem er den Deckel geschlossen hatte, drohte er ihr: „Ich werde dich töten!“ Dann fuhr er mit ihr vor die Haustür seiner Wohnung in Hasloh, einem kleinen Ort rund 20 Kilometer nördlich von Hamburg. Dort stellte er das Taxi ab.

Stunden in Todesangst

Die junge Frau im Kofferraum vermutete, dass das Taxi vor einem See parken und dass sie mit dem Auto versenkt würde. Der Taxifahrer bestätigte sie in ihrer Angst, sagte, dass sie gleich versinken würde. Dann ging er in seine Wohnung, trank Bier und Wodka. Erst gegen zwölf Uhr wurde Julia H. von der Polizei aus ihrem Gefängnis befreit, nachdem die Schwägerin des Taxifahrers ihre Hilfeschreie gehört hatte.

Seit Mittwoch muss sich Ralph B. wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung vor dem Hamburger Landgericht verantworten. In einer Erklärung, die sein Rechtsanwalt für ihn abgibt, räumt er die Tatvorwürfe ein, will aber weiter keine Angaben machen. Der große Mann mit den eingefallenen Schultern muss sich jedoch anhören, wie Julia H. unter Tränen das Martyrium ihrer schrecklichen Gefangenschaft schildert.

„Ich war im Schockzustand, nachdem ich im Kofferraum eingesperrt war“, berichtet sie. Immer wieder hörte sie ihn während der Fahrt laut fluchen und ging davon aus, dass auch er sie hören kann. Julia H.: „Ich habe ihm Geld angeboten und versprochen, dass ich niemandem etwas von dem Vorfall erzählen würde. Aber er reagierte nicht.“

Polizei scheitert mit Handyortung

Im Kofferraum bohrt sie Löcher in die Schaumstoffverkleidung, zerstört Kabel und versuch, mit den Beinen die Kofferraumklappe aufzudrücken. Schließlich erinnert sie sich an das Handy in ihrer Handtasche. In den frühen Morgenstunden ruft sie ihre Freunde an, doch niemand reagiert. Dann der rettende Gedanke: die Polizei. Dort erreicht sie eine junge Polizisten, die ihr immer wieder Mut macht und ihr verspricht: „Bitte durchhalten. In einer Stunde werden Sie erlöst!“ Doch die Handyortung klappt nicht.

Opfer leidet noch heute unter den Folgen

Zwischendurch kommt der Taxifahrer zurück zum Auto, schlägt auf den Kofferraum, ruft erneut: „Ich werde dich töten!“ Darauf die Polizistin: „Sind Sie noch da?“. Die junge Frau ist noch da, doch der Akku ihres Handys gibt um 8.30 Uhr den Geist auf. Julia H.: „Danach wurde es noch schlimmer für mich. Ich hörte Polizeisirenen, aber sie kamen nicht näher. Ich fühlte stundenlang Todesangst.“ Nach der Rettung wird Julia H. ins UKE gebracht. Sie hat Hämatome am ganzen Körper, muss nach der Notversorgung für drei Wochen in die psychiatrische Klinik, sie sagt, sie sei ein anderer Mensch geworden und gehe nach 17 Uhr nicht mehr aus dem Haus.

Alkohol und Schulden als Motiv

Der Angeklagte hört mit gesenkten Blicken der Schilderung seines Opfers zu. Eine Erklärung für die Tat bietet er nicht an, verweist aber auf seine Alkoholkrankheit und 500 Euro Schulden. Taxifahrer sei er geworden, um wenigstens ein paar Euro zu verdienen. An diesem Tag nervte ihn sein Taxi. Der Angeklagte: „Immer wenn ich etwas auf den Beifahrersitz legte, sprang der Taxameter an. Es waren kleine Summern, die ich nicht eingefahren hatte, die aber abgerechnet werden mussten.“ Möglicherweise war auch die unglückliche Affäre mit einer Thailänderin der Auslöser für diese Tat. Während der Fahrt nach Hasloh hatte Ralph B. sein dunkelhaariges Opfer immer wieder als „Thai-Nutte“ beschimpft. Ein Urteil wird für den 3. Februar erwartet.

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