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Warum verließ der Fahrer trotz Warnungen den Trecker nicht? Zugunfall in Axstedt: Viele Fragen bleiben

Nach dem schweren Unfall an einem Bahnübergang in Axstedt, bei dem ein Trecker von einem Güterzug erfasst worden ist, bleiben Fragen offen. Warum blieb der Trecker auf den Gleisen liegen und warum verließ der Fahrer nicht rechtzeitig die Maschine?
09.02.2015, 00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Peter von Döllen

Auch zwei Tage nach dem schweren Unfall an einem Bahnübergang in Axstedt, bei dem ein Trecker von einem Güterzug erfasst worden ist, bleiben Fragen offen. Warum blieb der Trecker ausgerechnet auf den Gleisen liegen und warum verließ der Fahrer nicht rechtzeitig die Zugmaschine? Unklar war gestern Abend auch noch, ob heute wieder auf beiden Gleisen die Züge fahren würden.

Sonnabend gegen 10 Uhr morgens an einem Bahnübergang in Axstedt: Feuerwehrleute, Mitarbeiter der Bahn und andere Helfer versuchen Ordnung in das Chaos zu bringen. Ein Güterzug hatte gegen 7.30 Uhr einen Trecker erfasst. Der Treckerfahrer erlag seinen Verletzungen noch am Unfallort. Der Lokführer kam mit leichten Verletzungen davon.

Ruhig und konzentriert gehen die vielen Helfer zu Werke. Der Zug steht noch immer auf den Gleisen, das vordere Teil des modernen Treckers lehnt zerfetzt an der gebrochenen Schranke. Trümmerteile liegen verteilt am Rand der Gleise. „Der Rest hängt vorne an der Lok“, verrät ein Feuerwehrmann. Die ist erst nach etwa 800 Metern Entfernung zum Stehen gekommen, hat Treckerteile über das Gleisbett geschoben.

Die Helfer stehen zeitweise in der Gülle, die sich aus dem beschädigten Güllewagen auf den Bahnübergang ergossen hatte. Rund 20 000 Liter Gülle sollen es gewesen sein. Experten der Bahn untersuchen Zug und Gleise. Der tödlich verunglückte Treckerführer ist bereits geborgen.

Er war laut Polizeiangaben am frühen Morgen mit seinem Trecker auf dem Gleis zum Liegen gekommen. Die Polizei vermutet nach ersten Untersuchungen: Die Bremsen könnten blockiert haben. Der 45-Jährige aus Scheeßel hat dann offenbar versucht, den Traktor wieder in Gang zu bringen. Das berichten Anwohner, die durch Geräusche aufmerksam geworden waren. Sie hätten den Fahrer noch gewarnt, versucht, ihn vom Trecker wegzulocken. „Weg da, weg da, weg da, der Zug kommt gleich“, hätten sie geschrien – vergeblich. Es gibt eine Frage, die jeden Beteiligten bewegt: „Warum hat sich der Mann nicht gerettet?“ War er so sehr damit beschäftigt den Trecker zu retten? Hat er darüber seine Umgebung vergessen und den Zug nicht bemerkt? Es deutet viel darauf hin.

Auch Norbert Bullwinkel wurde durch ungewöhnliche Geräusche geweckt. Sein Haus steht direkt am Bahnübergang an der Oldendorfer Straße. Er schildert: „Erst habe ich ein Schleifgeräusch gehört. Dann einen trockener Knall – gar nicht mal so laut.“ Schließlich habe er nur noch eines wahrgenommen: das Plätschern von Flüssigkeiten. Bullwinkel zog sich hastig an, hetzte raus. „Es waren noch zwei Nachbarn dort. Wir haben versucht, den Fahrer wiederzubeleben“, sagt er. Doch jede Hilfe kam zu spät.

Laut dem stellvertretenden Samtgemeindebrandmeister Bernd Büntemeyer waren 60 Feuerwehrkameraden aus Wehren der Samtgemeinde Hambergen im Einsatz. Für sie war es wieder ein Einsatz bei einem tödlichen Umfall. Im vergangenen Jahr hatten sich drei tödliche Verkehrsunfälle in der Samtgemeinde ereignet. Vorsorglich war auch ein Notfall-Seelsorger vor Ort. In Ritterhude hatte im Dezember ein Zug ein Auto erfasst, das versehentlich auf den Gleisen stecken blieb. Die Fahrerin hatte den PKW allerdings schon verlassen. Auch Samtgemeindebürgermeister Reinhard Kock machte sich ein Bild an der Unfallstelle. Er zeigte sich ergriffen von den vielen tragischen Ereignissen in der Region.

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Der Trecker-Fahrer stammte aus Scheeßel. Werbeaufschriften auf Trecker und Güllewagen lassen die Vermutung zu, dass er für ein Lohnunternehmen aus dieser Region unterwegs war.

Der Bahnverkehr zwischen Lübberstedt und Stubben war zunächst unterbrochen. Wie durch eine Bahnsprecherin angekündigt, konnte am Abend wieder ein Gleis benutzt werden. Wegen bereits angekündigter Baumaßnahmen fielen laut Bahn Verbindungen zwischen Bremen und Bremerhaven gestern aus. Es werde noch mindestens zwei Tage dauern, bis das Unglücksgleis wieder freigegeben werden kann. „Das Erdreich muss wohl ausgekoffert werden“, vermutet die Sprecherin. Die Untere Wasserbehörde schaue sich die Sache an. Vor Ort war auch zu hören, die Gleise müssten überprüft und vermessen werden. Inzwischen ist klar: Durch den Unfall wurden die Gleise und der Bahnübergang erheblich beschädigt. Die Polizei bezifferte die Schadenshöhe zunächst auf 100 000 Euro. Die genaue Höhe sei aber noch unklar. Die Schäden an der Lok und den Gleisanlagen sind in dieser Schätzung wohl noch nicht berücksichtigt worden.

Weiterhin hieß es, der beschrankte Bahnübergang an der Oldendorfer Straße sei sicher. 2011 gab es allerdings zwei gefährliche Zwischenfälle. Ein Paar kam damals mit dem Schrecken davon, als ein Zug den Bahnübergang bei offenen Schranken querte. Auch die Signallampen waren aus. Der Pkw-Fahrer hatte den Zug glücklicherweise rechtzeitig bemerkt und gebremst. Die Bahn führte den Zwischenfall auf menschliches Versagen zurück. Ein ähnlicher Vorfall soll sich auch am Übergang an der Lübberstedter Straße ereignet haben.

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