+++Montag, 1.6.15+++Ticker+++

15:45 Ich kaufe mir eine Tüte Gummibänder. Das Funkdingens im Passat ist schon wieder lose!

Der Verkäufer in der Genossenschaft ist der Erste, der mir einen schönen Feierabend wünscht! *Kopf–>Tresen*
16:00 Dienstbeginn 
16:18 Mit Kind und Kegel. Mutti und Baby samt Wagen und der Wachhund an der Flexileine zum Shoppen. Sammeltaxiprofis!

Baby, Gepäck und Hündchen fahren Gratis, Mutti zahlt € 4,00.
Um 17:20 „Strahlenfahrt“! 2 Patient en zu Hause abholen, nach Reinkenheide bringen und nach 25 Minuten zurück. Die Patienten fahren täglich, meistens 2-4 Wochen lang mit uns. Verdammter Krebs………, einer der beiden Fahrgäste saß schon vor 5 Jahren wegen der gleichen Sache bei mir im Wagen.
19:23 Sammeltaxifahrt. Die junge Frau hat eine riesige Wassermelone gekauft und hat sie für die Fahrt auf ihren Schoß  gelegt.

Ich:“Warum streicheln sie die Melone?“

Sie:“Ach….., ich habe das so im Gefühl, von der letzten Schwangerschaft!“
20:00 Jetzt zum Flughafen Bremen, 3 Personen nach Bremerhaven. Eine lohnende Tour! Sie landen um 20:55 und haben sich mit mir für 21:00 bei McDonalds verabredet. Ich bin gespannt, ob sie die Zeit einhalten!?
  
20:55 Peinlich! Während ich ein Selfie (s.o.) knipse schleicht sich ein Kollege aus Bremen an und macht mich darauf aufmerksam, das ich Notruf ausgelöst habe. Mein Taxischild blinkt. Ist eine Krankheit bei diesem Passat, Wackelkontakt!
21:00 Tatsächlich, die Fahrgäste sind pünktlich. Die beiden Chinesen  loben die Deutsche Pünktlichkeit, während sie hier in Bremen nach 12 Minuten im Taxi sitzen, hätten sie in London Heathrow allein 45 Minuten auf das Gepäck gewartet.
21:27  € 138,70 zeigt das Taxameter am Ziel! Kein schlechter Deal, wenn man bedenkt, das die Beiden für den Flieger nur € 110,00 abgedrückt haben.

21:30 Der HSV bleibt drin!!!!! Das wird eine Presse geben, Morgen früh!
21:35 Will gerade abfahren, da hält ein „dicker“ BMW mit Kennzeichen HH neben mir. Der Chauffeur frägt mich, wo das Sail-City Hotel sei. Seine Fahrgäste waren schon etwas mürrisch gestimmt.

Ich erklärte den Weg.

Im Zeitalter des Internet ziemlich schwach, der Fahrer stammte sicher noch aus der Äera, wo Jemand mit einer Lampe vorweg lief! Eine schicke Uniform hatte er jedenfalls! *neidischguck*

Ich würde mich bei solchen Touren immer vorbereiten.

22:23 und 00:24 Sammeltaxi. Leute von der Arbeit aus Bremerhaven. Ich verteile sie auf die Dörfer. Die Straßen sind frei, die Bürgersteige hochgeklappt!

01:15 Gute Nacht. 

Ich bin Müde
Känguru
Mache meinen Beutel zu

KF*

*KF, das ist die Abkürzung für Krankenfahrt, wie ich sie auf meinem Schicht-/Tourenzettel eintrage. Meistens läuft das Taxameter nicht, es wird eine Pauschale mit der Krankenversicherung abgerechnet, die Buchhaltung ermittelt die Entfernung und rechnet den Betrag aus.

KF’s habe ich sehr selten, die Termine bei Ärzten und Kliniken sind in der Regel Tagsüber, außer bei einigen unserer Dialysekunden.

Nun, um 19:00 holte ich eine Fahrgästin (über 70) ab, es ging zur Bestrahlung zum Klinikum Reinkenheide. Die Fahrzeit betrug um diese Uhrzeit 50 Minuten, hin und zurück, zuzüglich 20 Minuten Wartezeit an der Klinik.

50 Minuten!

Genug Zeit für Smalltalk. Das Wetter.Der Zaun, welchen der Nachbar einfach einriss. Die Katze, welche nach meinem Klingeln an der Tür zusammen mit mir auf die Öffnung gewartet hatte.

Diesen Teil hatten wir schon vor erreichen der Landesstraße ad Acta gelegt!

Bequem zurück gelehnt, Sitzheizung auf Stufe 2, gedachte ich die Dame hochherrschaftlich – ich beschrieb diesen Fahrstil vorher schon – zu chauffieren, denn unser Zeitbudget war reichlich.

Die Dame hatte Anderes vor!

Wie zu Beginn meiner Taxi-Karriere, als ich viele Patienten fuhr, geschah wiederholt das Unvermeidliche. Sie brachte mich auf den aktuellen Level ihrer Anamnese, nebst derer ihrer nächsten Angehörigen.

Ich erfuhr alles über die verschiedenen Krebsarten, welche sie heimgesucht hatten und die dazu angefachten Therapien. Seit 6 Jahren wäre sie schon dabei und nun an einem Punkt, „wo sie lieber sterben, denn Leben wolle“.

Das ist dann immer der Moment, wo mein Mitgefühls-Puffer überläuft, ich glasige Augen bekomme, nach Worten ringe und mich anstrenge gefühlvoll darauf einzugehen, ohne Aufdringlich zu erscheinen.
Vollends an den Rand der Traurigkeit brachte sie mich mit dem Hinweis, ohne den Wunsch ihrer Kinder, „sie bräuchten sie noch“, würde sie schon lange nichts mehr gegen die Krankheit unternommen haben.

Vor zwei Wochen feierte mein „Alter“ seinen 87.ten und wir hatten ein ähnliches Gespräch. Er ist nicht Todkrank, aber der Überzeugung, genug gelebt zu haben und er wolle nun nicht mehr die täglichen Gliederschmerzen und Unbill seiner Unbeweglichkeit ertragen. Und da war die Parallele zu meinem Fahrgast. Ich beschwor meinen „Daddy“ bitte nicht aufzugeben, denn „ich bräuchte ihn noch“!

Er ist mein letzter lebender Vorfahr. Ich muss noch so viel von ihm erfahren, das kann dauern. Und wenn ich „nach Hause“ in den Harz käme, und er wäre nicht mehr? Ein Teil meiner selbst wäre ausradiert!

Irgendwann wird der Abschied kommen. Ich hasse es, darüber zu spekulieren!

KF’s hinterlassen Kratzer, die Spuren glätten sich jedoch beizeiten und das Leben fließt wieder in seinem gewohnten Bett!

Ich wünsche Euch einen gefühlvollen Tag!