…lassen in der Regel keine Langeweile aufkommen. Wer kann es dem Taxifahrer nach langer Nacht oder Tag mit viel Wartezeit und Geduldsproben verdenken, von dieser Tour nur das Allerbeste zu erwarten.
Großzügiges Trinkgeld und große Entfernung stehen an oberster Stelle der Wunschliste. Gern auch in Richtung der Zentrale, damit der Rückweg kurz ausfällt, oder einfach nur leicht beschwipste Fahrgäste, die einen schönen Abend gehabt hatten und die gute Laune mit ins Taxi bringen.
Keiner dieser Tops fand sich auf meiner Liste. Auf meiner fanden sich:
- Verwirrung
- übermäßiger Alkoholgenuss
- ungeklärte Bonität
- Harndrang
- Entsetzten
- Überraschung
- Überraschung
Es schlug Halbfünf, als das Pam Pam ein kleines Männchen ausspieh. Es schüttelte sich, blickte sich um, drehte sich hin und her, schaute zu mir, dem zweiten von 4 Taxen in der Schlange hinüber und schlenderte mit schräg angelegtem Köpfchen auf mich zu. Es musterte mich über die Kühlerhaube hinweg. Beim besten Willen kann ich nicht mehr repetieren, was mir an Gedanken durch den Kopf ging. Hatte ich tatsächlich angenommen, das dieses zierliche Geschöpf ausgerechnet mich, den Nichtersten in der Schlange, mit dem hässlichen 6-Sitzer-Caddy erwählt um chauffiert zu werden?
Wie der Kellner aus der bekannten Sendung „Dinner for One!“, umrundete es meinen Wagen schwankend, sich mit einer Hand an der Dachreling festhaltend, orientierend um 270 Grad und öffnete mit einem Ruck die Beifahrertür und sprach:
„Färse mich in’n Puff, Lido?“
Das Lido liegt in ca. 65 + X €, in Bremerhaven. Die perfekte Feierabendtour.
„Juchhu, du bist der Beste. Steig ein, ich zeig dir die Welt!“
„Haste genug Scheine mit?“, musste ich Fragen, auch wenn das vielleicht die Tour verhagelt hätte. In jüngster Vergangenheit werden die Schnorrer immer plumper, bei ihren Versuchen, ohne Bezahlung ans Ziel zu kommen.
„Nee, fahr zu Spakasse, ich muß was ziehen. Kein Stress, hab `ne Karte voll!“, erwiderte er leicht angesäuert und vermittelte dadurch recht professionell seine finanziellen Möglichkeiten.
Gesagt getan, wir fuhren zur Sparkasse, zogen Geld und fuhren nach Fishtown ins gelobte Land der bunten Schaufenster mit reichlich Mädels aus aller Herren Länder drin.
Was ich unterwegs alles erzählt bekam, ist so intim, das kann ich hier nicht ausplaudern, das wäre eher richtig heikel und würde das Männchen total bloss stellen. Mein Psychotherapeutenherz schlug höher, ob der unheimlichen Fetische meines Beifahrers! Mehr darüber zu schreiben werde ich doch lieber auf später verschieben, wenn mir in einer schöpferischen Pause nichts Anderes einfällt, nächste Woche oder so.
Mein Fahrgast wurde immer hibbeliger, je näher wir an den Ort des Begehrens kamen.
„Ich muss Pippi!“, fahr schneller.
Ich bretterte ums Eck, das Kopfsteinpflaster lies den Caddy aufschaukeln, doch noch konnte er sich beherrschen und nicht auf den Sitz machen. Am Lido reichte er mir, während er aus dem Taxi hüpfte, seine Geldbörse, ich solle mir das Geld rausnehmen, er käme gleich wieder.
„Sehr löblich! Er vertraut mir!“, dachte ich so lange, bis ich das Leder entfaltete. Nicht ein einziger Cent befand sich darin. Die EC-Karte lag lose in der Mitte, ihre Hülle dabei. Ich wollte mir selbst ins Gesicht schlagen, wegen meiner dummen Gier nach dieser Tour. Hätte ich doch auf Vorkasse bestanden, ich Dämlack, ich!
Da schwang sich das Männlein wieder in meine Kutsche. Das Lido hätte geschlossen, ich solle ihn in eine Seitenstrasse bringen, er könne es nicht mehr aushalten. Dabei verhüllte er seinen Schritt so, wie man es eben macht, wenn nichts mehr geht. Er hatte richtige Schmerzen. Ich aber auch!
“ Wo ist die Kohle, hier ist nichts drin!“
„Ach, habe ich bestimmt nur vergessen aus dem Schacht zu nehmen!“, versuchte er mich zu überzeugen und hies mich, zur nächsten Sparkasse zu fahren.
Von nun an folgte ich ihm wie ein Schatten, nein wie ein Wärter! Ich hackte zwei Finger in seinen Gürtel und dirigierte ihn wie ein Kleinkind in seinem Geschirr (ich hatte früher auch so eines, wer kennt`s?) zum Kassenautomaten. Zwischen Bangen und Bangen schwankten meine Erwartungen, so langsam hätte ich auch gern mal eine Toilette aufgesucht!
*flapperflapflapflepflapppappap* schallte es aus dem Innern des edlen Geldspenders. Mein Antlitz erhellte sich, meine Augen wurde richtig groß, als er die Scheinchen in der Hand auffächerte und er mich leicht und locker bezahlen konnte.
Nun, er lief weg und ich hielt ihn fest. „Erst bezahlen!“, herrschte ich ihn an. Er hielt mir zwei Fünfziger hin und wollte wieder losrennen.
„Warte, du bekommst noch € 31,80 raus!“
„Behalt`s, ich kann nicht mehr, ich sterbe gleich!“
Rief es und rannte die Gasse gegenüber der Sparkasse hinunter. Ich sah ihm noch nach, auch noch, als er schon 300m gelaufen war und immer noch nicht den richtigen Platz für sein Geschäft gefunden zu haben schien. Meine Hunde haben da ein ähnliches Verhalten, dachte ich so dabei. Die müssen zwar auch immer dringend raus, gepupst wird dann aber erst, an einem speziell auserkorenen Plätzchen.
Irgendwann konnte ich ihn nicht mehr sehen und mein Interesse verflog. Ich lenkte mein Taxi Richtung Zentrale und lobte mich für meine unübertreffliche Menschenkenntnis, was die Liquidität meiner Fahrgäste anging. 🙂
Warum haste nicht direkt an der ersten sparkasse das geld geprüft?
Hättest ja auch auf dem weg mal am seitenrand anhalten können anstatt dich hetzen zu lassen
Normal kann sieht man an der Körperspannung, ob einer Geld gezogen hat oder Ebbe in der Kasse herrscht. Geld ist Macht! Wer mit stolz geschwellter Brust vom Automaten zurückkommt, wie mein Knirps, hat entweder etwas bekommen oder ist ein guter Schauspieler. Ich glaube wirklich, das der das zuerst gezogene Geld im Schacht hat liegenlassen, bei der Vorfreude die der hatte! Er kann von Glück sagen, wenn das Geld schon wieder eingezogen war, bevor der nächste Kunde erschien.
Sicher, ich habe gezockt. Das das auch schief gehen kann, war mir spätestens wieder beim Blick in seinen Geldbeutel klar. Mein Lieblingsspruch, nach solchen Begebenheiten: „Was wäre das Leben ohne seine Würze!“ Wie ich neulich schon in einem Kommentar schrieb, muß mann eben manchmal etwas überreizen, um eine Story zu bekommen. Das hat natürlich Grenzen. Nicht aus jeder Taxifahrt ist partout ein Abenteuer zu machen. Wäre auch zu anstrengend.
Wenn einer kurz vor erreichen des Ziels pinkeln muß, hält der das auch noch den letzten Kilometer aus. Wir befanden uns außerdem in einem Viertel, wo man nicht einfach gegen Jedes und Alles pinkeln kann, weil da entweder Frauen aus dem Fenster heraus zuschauen könnten, oder dich ihre Macker aus der Nähe beobachten und dir dann einen gehörigen Scheitel ziehen!
Wieder einmal wunderbar geschrieben. Danke!
🙂