8.5.45, wie mein Vater ihn erlebte…

Mein Vater wurde einen Tag nach seinem 17. Geburtstag eingezogen und geriet in Französische Gefangenschaft. Hier sein Bericht:

Uns wurde ja zu keiner Zeit gesagt, was man mit uns vorhatte. Dieses Warten und Grübeln machte uns langsam fertig.

Es waren immer noch amerikanische Bewacher bei uns. Der Zug fuhr in südlicher Richtung ab und als Er schon einige Stunden unterwegs war, bat ich einen Kameraden um ein Stück Papier und einen Bleistift. Ich hatte überhaupt nichts mehr, man hatte mir alles abgenommen, sogar das Soldbuch, was nach der Genfer Konvention verboten war und schrieb meine Heimatadresse auf und daß ich gesund bin und in amerikanischer Gefangenschaft. In der Hoffnung, das der Zettel von Irgendjemand gefunden würde warf ich ihn aus dem Zug, erst jetzt habe ich den Brief wieder gefunden den der Finder an meine Eltern geschrieben hat. Der Finder war aus Utfort-Eick im Kreis Moers.

Der Zug fuhr weiter am Rhein entlang und dann nach Belgien hinein. An diese Fahrt durch Belgien, habe ich keine guten Erinnerungen. Die Belgier waren nicht gut auf die deutschen Soldaten zu sprechen. Immer wenn der Zug unter einer Brücke hindurch fuhr, gab es einige Verletzte, denn auf der Brücke standen aufgebrachte Menschen, die große Steine in die offenen Waggons fallen ließen. Ich konnte anfangs nicht verstehen warum man so etwas machte, aber als die deutschen Truppen Belgien besetzt haben, so erzählen die älteren Soldaten, sind sie hier auch nicht als Freunde gekommen und haben teils grausame Sachen angerichtet.

Der Zug fuhr bis nach Namur, dort wurden wir ausgeladen und bekamen nach über 3 Wochen, das erste mal etwas Warmes zu essen. Es gab eine Milchsuppe mit Rosinen, (was ich nie vergessen habe) natürlich nicht sehr viel, aber wir waren froh überhaupt etwas im Magen zu haben. Der Aufenthalt in Namur dauerte nur zwei Tage. Im stillen hofften wir immer, daß wir bald entlassen würden und nach Hause kämen. Aber es sollte alles ganz anders kommen, von meinen Kameraden des Pi 19 mit denen ich in Gefangenschaft gekommen war, war schon seit geraumer Zeit niemand mehr dabei.

Wir wurden wieder in offene Waggons hinein gepfercht. Es waren so viele Gefangene in jedem Waggon, daß man sich nur abwechselnd hinsetzen konnte, geschweige denn hinlegen. Das Erste was wir mitbekamen war, daß die Bewacher nicht mehr Amerikaner waren, sondern Franzosen. Die Amerikaner hatten uns also klammheimlich an die Franzosen übergeben. Damit war unsere Heimkehr wieder in weite Ferne gerückt. Unsere französischen Bewacher hatten sich mit einem Maschinengewehr auf dem Kohlentender der Lokomotive postiert. Damit keiner den Kopf über den Waggonrand steckte, schossen sie hin und wieder mit dem Maschinengewehr eine Salve über die Waggons hinweg.

Wir waren mehrere Tage auf dieser höllischen Reise. Ich muß noch hinzufügen, das wir von den Amerikanern in Namur noch Verpflegung für unterwegs bekommen haben. Wir waren wohl schon sehr weit im Landesinneren, als der Zug plötzlich hielt und die Pfeife der Lokomotive einen ungewohnt langen Ton abgab. Aus mehreren in der Ferne liegenden Ortschaften hörten wir die Kirchturmglocken läuten, auf einmal hieß es:

„ !“

Es war der 8. Mai 1945 wie jemand sagte, es schien sogar die Sonne als wollte sie sagen: „Gott sei Dank!“. Bedrückt nahmen wir diese Nachricht zur Kenntnis, denn damit war die Gefangenschaft für uns noch nicht zu Ende. Der Zug blieb einige Stunden auf freier Strecke stehen, die Bewacher patrouillierten zu beiden Seiten des Zuges. Wahrscheinlich wußten die Franzosen damals nicht, was sie mit uns machen sollten, aber dann setzte sich der Zug in Bewegung und es ging weiter in Richtung Süden. Dann hielt der Zug auf einem Bahnhof, wir wurden ausgeladen und atmeten zum ersten mal Luft mit den Füßen auf südfranzösischem Boden. Wie wir am Bahnhof sahen, waren wir in „Chateauroux“, eine ziemlich große Stadt etwa 400 km südlich Paris.

Es ging zu Fuß durch die Stadt, rechts und links der Marschkolonne selbstverständlich französische Bewachung. Die Bewachung ging nicht gerade zimperlich mit uns um. Mancher blaue Flecken rührte von einem Gewehrkolben her, ich konnte damals nicht verstehen weshalb man mit uns so hart ins Gericht ging. Waren doch sehr viele junge Leute, zu denen ich auch gehörte, 17-Jährige, ja sogar 16-Jährige waren unter uns. Wir hatten doch von dem ganzen Kriegsgeschehen während unserer kurzen Soldatenzeit kaum etwas mitbekommen.

Im Kriegsgefangenenlager angekommen, begann eine schlimme Zeit. Das Lager war für 2000 Gefangene eingerichtet aber es waren dort 5000 untergebracht. 4000 lagen unter freiem Himmel 1000 in Baracken. Ich hatte das Glück und war in einer der Baracken untergebracht. Das Lager war von hohen Stacheldrahtzäunen umgeben an den Ecken waren Wachtürme mit MG-Posten (Maschinengewehr, der Red.), dazwischen patrouillierten französische Soldaten mit umgehängter MP (Maschinenpistole, der Red.). Wir durften außer zur Latrine uns nicht im Lager bewegen. Die Latrine bestand aus einem ausgehobenen Graben vor dem Pfähle eingeschlagen und darauf ein Rundholz genagelt war. Die ganze Latrine war etwa 30 Meter lang. Um sein Geschäft zu verrichten, mußte man sich auf das Rundholz setzen (sicher keine Erfindung der Neuzeit).

Der französische Lagerkommandant, war ein Elsässer, Oberleutnant Münch, ein brutaler Schläger, der, wenn er durchs Lager ging sich mit einem Ochsenziemer (Bio-Schlagstock, der Red.) den Weg frei schlug, (ich möchte mit diesen Ausführungen keinesfalls die deutsch – französische Freundschaft belasten, zumal ich heute in Frankreich sehr gute, liebe Freunde habe) doch davon später mehr. Die „Verpflegung„ die wir bekamen war wirklich menschenunwürdig, wir bekamen jeden Tag, eine Wassersuppe mit einigen Kartoffelstückchen und Pferdebohnen mit der Schale gekocht, eine schwarz-bläuliche Mischung, die nach nichts schmeckte und dazu ein französisches Kommißbrot, welches wir mit 8 Mann teilen mußten. Die Brote hatten etwa die Größe einer Pizza und waren aus reinem Weizenmehl gebacken, etwas fester wie das Brot der Amerikaner. Das Brot und die Suppe, (etwa ein ¾ Liter) waren also die Tagesration für einen Kriegsgefangenen.

„ , !“

Falls ihr mehr seiner Erinnerungen lesen möchtet, schreibt es mir in den Kommentar, Danke!

5 thoughts on “8.5.45, wie mein Vater ihn erlebte…

  1. Renate Rudolph says:

    Ich finde es interessant,da ich von Vater,2 Großvätern und männlichen Verwandten sehr unterschliedliche Berichte hörte! Ich würde gerne mehr erfahren!Danke

  2. Toni says:

    Vielen Dank, sehr interessant. Mein Großvater hat erst spät angefangen, zu erzählen, auch ging es bei ihm in die andere Richtung. Gerne mehr!

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