Am Pam bricht immer gegen Türzu Uhr Taxipanik aus. Dort, wo sich eben 14 Kollegen die Pneus in den Radkasten standen, gähnt die Leere auf dem Asphalt.
Das Einzige, was noch an eben vorhandene Taxen erinnert, sind die hellelfenbeinfarbenen Farbreste an dem Stein, welcher rechts vor dem Wendeplatz der Bezahl-Autos auf der Lauer liegt!
Die komatösen verbliebenen Fahrgäste der Partynacht entwickeln nun die verschiedensten Praktiken, die nächste Droschke im Anflug zu kapern. Ab 4:45 ist Schrittgeschwindigkeit ab der ehemaligen Bundesstraße angesagt, um diejenigen, welche den TOTMANN-Trick (flach auf die Straße legen) auserkoren haben, nicht zu metzeln. Die jungen Ladys versuchen es regelmäßig mit dem offensiven Darstellen der Vorzüge ihrer Weiblichkeit.
Für alle anderen gilt, dem gewünschten Wagen im Schutz der Gartenzäune entgegenzulaufen und erst im letzten Moment auf die Straße springen, natürlich mit wichtigen Armkreisungen, Stepptanzen und sonstigem Body-English.
So geriet es an diesem Morgen, das ein gemischt geschlechtliches Menschenpaar, jedes auf seine Art, sein Begehr um meine Dienstleistung zum Ausdruck zu bringen beschäftigt war. Ich blickte also auf die vor mir auf dem Pflaster stattfindende Zeremonie, um ggf. einen Gewinner im Kampf um meine Gunst auswählen zu können.
Gerade, als die Elevin in der Kunst des Stangentanzes die Stoßstange meines Mercedes-Sprinters erklommen hatte und mir ihre besten Stücke zu Überprüfung avisierte, endete das Schauspiel abrupt. Die Beifahrer- und die seitliche Schiebetür wurde simultan unter frenetischem Jubel aufgerissen und ca. 1 Million Teenager erstürmten mein temporäres Zuhause.
Es dauerte einen Moment, bis alle Plätze belegt waren. Der Chef der Truppe hatte zusammen mit 3 Kumpanen die Sitzbank neben mir geentert und meldete mir gehorsam das Fahrtziel in Bremerhaven. Sogleich teilte er ein, wer sitzen darf, wer auf dem Boden liegen muss und wer sich sogar anschnallen darf. Der Chef sah mir tief in die Augen und fragte mich, warum ich denn keine Anstalten machte loszufahren.
Ich zählte gewohnheitsmäßig durch, schon wegen des Mehrpersonenzuschlags.
Der Sprinter ist in dieser Ausstattung ein 9-Sitzer. Auch nach zweimaligen Abzählen kamen keine Sitze dazu und ich teilte dem Chef mit, es müssten 6 Gruppenmitglieder aussteigen.
Sein Schweigen verhieß nichts Gutes. Also fragte ich nach hinten und bat um Freiwillige. Abermals keine Lebenszeichen. Nun ordnete ich an, das alle wieder auszusteigen hätten und es würde erst losgehen, wenn die Anzahl auf 8 Mitfahrer begrenzt wäre.
Ich stieg aus und wiederholte bei nun geöffneten Türen und mit Zeichensprache meinen Willen, ohne jedoch durchzudringen. Erst als ich per Funk bei Kollegen um Unterstützung bat und sogleich aus vielen elektronischen Kehlen Zusage um Zusage einging, ordnete der Chef unter übelsten Beleidigungen und Drohungen das Aussteigen und den Überfall eines anderen Wagens an.
Endlich wieder neu beladen, sollte die Tour nach Bokel gehen. Kaum hatte ich meinen Bus aufs Ziel ausgerichtet, vernahm ich ein leises Wimmern aus dem Abteil. Meine neuen Fahrgäste waren irritiert, war es doch verboten eigene Tiere mitzunehmen. Aber die Auflösung kam kurz danach. Dieser Sprinter war zusätzlich mit einem Lift für Rollstühle ausgestattet. Und hinter der Rampe hatte sich noch eines der 12 Geislein versteckt. Unverletzt befreite ich den fertigen Typen aus seiner Falle. Es ging ganz einfach, war nur ein Ärmel seines Designer-Polos eingeklemmt und mit einem festen Ruck lies er sich zerreissen.
Mit normaler Reisegeschwindigkeit verliessen wir Hagen. Ganz vorsichtig. Im Slalom. Es lagen immer noch reichlich Fahrgäste auf der L134 herum.