Notfallplan

Der Fahrgast hatte sich im Nachbardorf mit einem Zigeuner-Schnitzel „ToGo“ eingedeckt und plante, es gleich am heimischen Fernsehtisch zu vertilgen. Seine Laune war dementsprechend hoch angesiedelt und er schwärmte von den kulinarischen Hochgefühlen, welche in Kürze die Herrschaft über seine Sinne ergreifen würden.

Den ersten Kreisel bei der Einfahrt in eine unserer Kerngemeinden überstand das 1-Gang Menu ohne Schaden zu nehmen. Ich hatte die Geschwindigkeit dem Füllstand des Schaumstoff-Behälters angepaßt. Wer hat schon Interesse daran, die ganze Nacht nach Paprika-Soße zu riechen? Ich jedenfalls nicht!

Wir passierten das „Pam„, die Schüssel hielt!

In Höhe des „Grieche Hagen“ macht die Straße einen klitzekleinen Bogen nach Rechts, das behindert etwas die Sicht auf den zweiten Kreisel, der in Wirklichkeit keiner ist.

Und da geschah das Unvorhersehbare! Während ich noch mit der Analyse der Verkehrslage beschäftigt war, ließ mein Fahrgast sein Essen in den Fußraum fallen, nestelte wie von einer Tarantel gestochen an seinen Jackentaschen, zog ein kleines Beutelchen heraus und warf es über die Schulter in den Fond meines Caddys. Dorthin, wo sonst Rollstuhlfahrer angeschnallt werden!

Meinem Fahrgast ging der Stift, denn beim „Bäcker Fraasch“  bauten sich etwa 6 Uniformierte mit Warnwesten und roten Kellen auf und signalisierten sofort anzuhalten, keinen Meter weiter zu fahren.

Die Halsadern meines Beifahrers drohten zu platzen, seine Schläfen pochten, er atmete nur noch flach!

„Hallllloooooo!?, du kannst dich wieder beruhigen! Das sind keine „Bullen“, das ist die Feuerwehr, die paßt auf, das der Laternenumzug sicher über die Straße gelangt!“

Ohne Worte klaubte er was von seinem gebratenen Schwein noch zu gebrauchen war von der Fußmatte. Er bat mich höflich, ob er einmal an den „Kofferraum“ könne, etwas wäre da hingerutscht.

Mit einem breiten Grinsen nahm ich das Fahrgeld, verbunden mit einem angemessenen Schmerzensgeld in Empfang!

 

Hausierer

Nach mittlerweile über 7 Jahren im Taxi bin ich sicher kein Anfänger mehr.  Problemfälle erkenne ich an der Nasenspitze und entscheide dann sehr professionell, ob die mir auferlegte Beförderungspflicht greift, oder ein Ablehnungsgrund vorliegt.

Der Eingangssatz ist leider gelogen. Immer wieder lasse ich mich weichklopfen, irgendwelche verwirrten, zahlungsunfähigen Psychopaten Partyleichen einzuladen. Wie auch im nächsten Fall, der mir am vorletzten Wochenende unterkam. Wie zur Zeit an Freitagen gewohnt, war das Fahrgastaufkommen klein bis nicht existent und die Zentrale griff nach jedem Strohhalm, um uns Fahrer keine Wurzeln schlagen zu lassen, oder so ähnlich wie der Berliner Kollege Sash heute so schön schrieb, wir das Fahren verlernen würden, wenn wir die ganze Zeit im Aufenthaltsraum säßen!

Ein solcher Strohhalm wurde dann auch mir zuteil, es muß sprichwörtlich der kürzeste gewesen sein, den ich zog, ploppte gegen 2:00 auf meinem Handy auf. Die Zentrale hat sich dazu eine sehr charmante Formel ausgedacht und mir übermittelt. So etwas wie eine salvatorische Klausel* unter Kollegen!

Das las sich dann so:

Name: Herr ?

Von: Uthlede, xxxxxx-Strasse Nummer xx

Zu: Anderes Dorf

Bem.: Er hat nicht selbst angerufen, das waren Anwohner bei denen er geklingelt hat. Er sei sehr betrunken, aber hat nicht gek*tzt und sei ruhig. Die Leute  helfen dir, den Unbekannten ins Taxi zu hieven. Du kannst selbst entscheiden, ob du ihn mitnimmst*.

An der Abholadresse saß kauerte mein Delinquent auf einer Bank, behütet und vorm herunterfallen gestützt durch ein Pärchen, den Bewohnern des Hauses. Der Mann sprintete sofort, als er  mich einbiegen sah auf mein Taxi zu, öffnete die Beifahrertür und gab seiner Frau Zeichen.

„Einen Moment!“, rief ich hinüber.

Auf dem Körper des nun doch auf den Boden gerutschten Häufchen Elends wackelte der Kopf wie bei einem solchen Dackel, den Mann aus den Hutablagen von Autos kennt.

„Ein Krankenwagen wäre sicher angemessener! Ich fahre besser gleich wieder weg!“,dachte ich. Klüger wäre gewesen, ich hätte es auch getan!

Auf meine Frage, wer das überhaupt sei, bekam ich nur die Auskunft, der Betrunkene würde schon eine ganze Zweit durch diese Strasse krabbeln. Schließlich habe mann sich entschieden, dem Klingelterror ein Ende zu setzen und ein Taxi für den Unbekannten zu rufen.

Ich lies mich von der Situation erweichen. Die armen Leute wollten schließlich wieder ins Bett und Taxifahrer sind halt dafür da solche Kleinigkeiten mal eben zu übernehmen; sie verdienten sehr viel; dafür können die ruhig einmal  etwas tun!

Also ludt ich das Opfer auf den Beifahrersitz und überreichte ihm eine Spucktüte. Aber statt sie aufzufalten, für den Fall der Fälle, blubberte er, das er jetzt keinen Hunger hätte und warf sie mir zurück.

Die Fahrt verlief dann tatsächlich wenig spektakulär. Langsam wurde mir auch bewußt, aus welchem Grund sich mein Fahrgast so abgeschossen hatte. Offensichtlich hatte er ein tief sitzendes Trauma erlitten, weil der SV Werder Bremen wieder einmal eine Klatsche bekommen hatte. Sein Fan-„Gesang“ gestaltete dann auch eher etwas weinerlich.

Am Ziel angekommen betätigte ich wie gewohnt das Taxameter, schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Bei meinem Renault-Bus geht die nicht automatisch an.

Noch bevor ich „Das macht € 21,50!“ sagen konnte, hatte der junge Mann alle Sinne wieder bekommen, riss die Tür auf und brüllte im Weglaufen:

Das bezahle ich nicht. Du bist ein Arschloch. Bezahl dich selber!“

Völlig baff schaute ich der Gestalt hinterher, wie sie immer weiter lief, wiederholt etwas rief und dann hinter einer Hecke über ein Nachbargrundstück verschwand.

Das war jetzt nun nicht wirklich professionell von mir! Ein ehrlicher Taxifahrer wäre ganz bestimmt hinterher gelaufen, denn ich hatte schon bei Fahrtantritt einen Abschlag von € 30,00 verlangt, worauf er mir einen 50er reichte, weil er es nicht anders hätte. Ich solle das dann am Ziel verrechnen.

Und das tat ich dann auch. € 21,50 für den Chef und € 28,50 für HerrnTaxifahrer!

 

 

Götzenbilder

500 Jahre und ein Tag nach der Reformations-Bewegung sah ich doch im Vorbeifahren aus dem Augenwinkel einen Kollegen vor der hölzernen Tür unserer Zentrale knien, eben Diese anbetend.

Um dann fortzufahren, Teile des Rahmens und des Schlosses zu streicheln. Er steckte sogar mehrfach, abwechselnd den Zeigefinger seiner rechten und linken Hand in ein kleines, rot beleuchtetes Fach. Außenstehende hätten annehmen können, er strebe womöglich eine innige Beziehung zum Tor der Zentrale an!

Das konnte ich nicht mit ansehen, stoppte mein Taxi und drehte um, bog auf den Parkplatz ein und half dem Kollegen. Er hatte vor lauter Erregung schon richtig Schweiß auf der Stirn und seine Stimme bebte. Ich begann das elektronische, fingerabdrucksensorgesteuerte Schloß zu überlisten, indem ich einfach meine Fingerkuppe scannen ließ.

Und der Piepton, gefolgt von einer grün leuchtenden LED quittierten die Zugangsberechtigung.

So konnte ich einmal wieder eine Seele vor der Verdammnis retten!