Haftbefehl

Das Wetter war so richtig zum im Bett bleiben, wolkenverhangener Himmel, Sturm und Regen. Die  „Snooze-Taste“ meines Weckers zeigte schon Spuren von Abrieb, als es zu guter Letzt kurz vor Mittag an der Haustür schellte.

„Mein Gott, wer wagt es, mich so früh zu nerven? Ich hatteeeeee Naaaaachtschicht!“ schrie ich in mich hinein. Dennoch, ich bin ein höflicher Mensch, begab ich mich flugs zur Eingangstür, drückte den elektrischen Öffner und blinzelte durch den Türschlitz.

Der HerrBriefträger!

„Nicht schon wieder eine Rechnung, bitte!“, begrüßte ich ihn standesgemäß.

„Nein, hier, bitte quittieren, ist vom Amtsgericht!“

Souverän meisterte ich die Unterschrift, ohne das mir ausgehändigte Schriftstück zu beachten. Nur einen klitzekleinen Seitenblick warf ich darauf.

„Hellgrüner Umschlag, rotes Formular!? Wat’n dat?“, dachte ich kurz nach, beschloss aber, den Kuvert erst später zu öffnen, er machte mir etwas Angst. Hatte ich Rechnungen nicht bezahlt, TÜV oder Versicherung vergessen? Darum würde ich mich nach einer warmen Dusche und reichhaltigem Frühstück kümmern.

Erst auf dem Weg zum Auto, ich hatte nämlich noch zu arbeiten an diesem Tag, fiel mir das Schreiben wieder ein. Ich lief zurück, nahm den Couvert und legte ihn dann im Auto auf den Beifahrersitz. Der Inhalt verrutschte ein wenig, so das eine weitere Zeile – abgesehen von meiner Adresse – zu lesen war.

Haftbefehl

stand dort in fetten Lettern geschrieben……! Ich fuhr los.

„OOOOOOOOH, OOOOOOOOOH!“, sagend kniff ich die Augenzusammen, liess in Gedanken alle wichtigen Vorgänge vorüber stolzieren, keiner war unerledigt gewesen.

An der ersten Ampel riss ich den Umschlag auf, überflog die erste Seite:

Sie….aufgefordert…..bis zum…….Haftantritt………bei………JVA Oslebshausen!

Starker Tobak! Die Ampel schalte auf „Grün“, ich zitterte. Hinter mir erinnerte mich ein Hupkonzert, das ich gefälligst weiter zu fahren hätte. Das tat ich, langsam, völlig bedeppert, meine Gedanken flogen, stürzten, standen auf und liefen davon, ein Grauen!

haftb

Die nächste Parkbucht war meine. Darauf acht gebend, das mir Niemand vom Fußgängerweg über die Schulter sehen konnte – wer wird schon gern bei der Verhaftung gesehen – nahm ich das Schreiben auf die Knie und las Buchstabe für Buchstabe:

Ihnen wird zu Last gelegt, unter Zugrundelegung der §§ 1297-1921 Buch 4, §§ 1297-1588 Abschnitt 1 und der §§ 1353-1362 Titel 5 des BGB,…

Alter Schwede, da werden ja Geschütze aufgefahren. Hier endete die erste Seite und ich steckte mir erst einmal eine Zigarette an, bevor ich umblätterte und las:

ihre Ehefrau sträflichst vernachlässigt zu haben, sowie ihren Pflichten aus dem geschlossenen Vertrag vom ……….1994 nicht mehr regelmäßig genug nachzukommen.

Um der Untersuchungshaft zu entgehen, werden sie dringends aufgefort:

  • Ihre Frau zu lieben
  • Ihre Frau zu ehren
  • usw. usw. , wie sie es einst versprachen.

Bei Zuwiderhandlung drohte mir die Haft, sowie die Aberkennung meiner Männlichkeit auf unbestimmte Zeit.

Unterschrieben hatte meine Frau höchstpersönlich (sie arbeitete damals beim Familiengericht) und langsam entwich die Verkrampfung aus meinem Körper, ich begann zu Grinsen und musste auf einmal laut über mich lachen.

Beschwingt fuhr ich zur Arbeit und überlegte, wie ich ihr diesen Aprilscherz jemals wieder heimzahlen könnte!