Am Posten

Hier bei uns – im Landkreis Cuxhaven – sind nirgends Taxi-Halteplätze vorgesehen und es existieren auch keine. Einzig vor dem Pam Pam in Hagen steht auf privatem Grund ein Schild dafür, damit sich dort keine Gäste hinstellen. Ist aber inoffiziell.

Wir dürfen uns sogar nirgends einfach hinstellen und unsere Dienste anbieten, außer auf der Parkfläche vor unseren Büros in Loxstedt, Hagen und Bokel.

Temporär können Taxi-Halten beim Landkreis bestellt werden, für Großveranstaltungen oder Dorffeste. Macht aber kaum einer, denn das beantragen und ausleihen der Verkehrszeichen kostet Gebühren. Wer zahlt gerne für so einen Scheiß? Niemand!

Deshalb stehen wir dieses Jahr in Dedesdorf am sogenannten „Schweinemarkt“ einmal wieder in einer Schlange vor dem Eingang zum Festplatz.

Und dort ist absolutes Halteverbot. „Haha!“ Aber die Polizei drückt offensichtlich ein Auge zu. „Danke dafür!“

Was mich aber eigentlich zu diesem Artikel trieb, ist die Tatsache, das wir es nicht gewohnt sind, kollektiv an wechselnden Orten auf Fahrgäste zu spekulieren, wenn dafür keine Bestellungen vorliegen. Es ist schlicht zermürbend, zumindest für mich, der es gewohnt ist, in Phasen mit weniger Taxibedarf in einer unserer Stationen zu pausieren, mit Kaffee, Snack und TV.

Der Tagesablauf gestern:

20:00 Dienstbeginn. Warten auf ersten Auftrag.

21:15 Von Loxstedt zum Schweinemarkt

21:40 Rumstehen am Schweinemarkt

22:10 Ortstour

22:20 Rumstehen am Schweinemarkt

23:30 Fahrt nach Hetthorn

00:10 Rumstehen am Schw….! Von der Musik aus dem Autoscooter kommen nur die Bässe an, mein Sprinter vibriert. Für eine Massage reichts allerdings nicht.

00:30 Eine junge Brunette fragt, ob ich sie für einen ordentlichen Kuss nach Bremerhaven fahre. Ich mache so etwas nicht, wir dürfen keine Festpreise vereinbaren! Und wie soll ich diesen Knutscher dann an meinen Chef auszahlen? Nee,…… das ist mir zu ecklig!

01:00 Ich werde endlich abgerufen, meine Dienste werden woanders gebraucht. Puuh!

02:30 Wieder am Schweinemarkt. Jetzt geht es endlich in die heisse Phase. Die meisten Menschen haben keine Kontrolle mehr über ihre Füße und wollen gefahren werden. Zu meinem Bedauern setzten auch andere Körperfunktionen bei meinen Kunden aus. Inkontinenz und Nausea grassieren diese Nacht. Ich bleibe Dank meiner soften Fahrweise – die Servolenkung ist defekt – von Ausscheidungen in meinen Wagen verschont!

05:00 Ich lade das letzte Mal am Markt. Ein Pärchen nach BHV. Er will sie noch poppen, flüstert er mir zu, während sie eingeschlummert ist. An seiner Adresse angekommen springt sie wortlos aus dem Font und entleert sich über einer Feuerdorn-Hecke. Sie quiekt rum, weil es beim Abstützen so dolle piekst. Er schickt mich weg, bevor ich im auf seinen 50er rausgeben kann. Er hätte noch 20€ rausbekommen. Was führ ein Glück ich doch diese Woche habe!

05:30 $derfreibeuter aus der Zentrale ruft Feierabend aus. Ich benötige 25 Minuten für den Rücksturz nach Bokel.

6:00 Ich stehe beim Bäcker und lade eine Standartbestellung in meine mitgebrachte Tasche. 6 Knackis, 2 Rosinenbrötchen, eine Laugenstange. Hackepeter aus der angeschlossenen Schlachterei.

7:45 Ich schlafe nach einem opulenten Frühstück vor der Wiederholung des 6er-Pack ein.

14:00 Viel zu früh erwachte ich und schrieb das Resümee der letzten Nacht hier für euch auf.

Um 22:00 wartet er wieder auf mich, der Schweinemarkt. Verdammt, der geht noch bis Montag Nacht. Hoffentlich habe ich weiter so viel Glück mit den Fahrgästen. Die waren die ganze Woche Klasse drauf!

 

Samstagsfahrer

Gestern hatte ich nach fast einem Jahr das Vergnügen, eine Tagschicht zu absolvieren. Und in 4 Jahren sogar meine erste überhaupt an einem Samstag Vormittag.

Die Lunebrücke zwischen Stotel und Wesertunnel

Die Lunebrücke zwischen Stotel und Wesertunnel

An sich stellt das ja keine Besonderheit da, gäbe es da nicht den HerrnTaxifahrer mit seinen kleinen Macken!

Tagsüber lauern Gefahren, die eine Nachteule leicht ins Verderben stürzen können. Da wären zum ersten die Ampeln. Während sie Nachts entweder vor sich hin dämmern, ggf. ein gelbes Blinklicht absondern, werden sie bei Sonnenlicht zur exorbitanten Spaßbremse, wörtlich! Gerade in Bremerhaven ist Dank einer verkehrsberuhigenden „Roten Welle“ ein Durchkommen fast unmöglich. Wo ich zur Geisterstunde gerade 12 Minuten von Loxstedt zur Stadtmitte benötige, sind zur Mittagszeit locker 10 Minuten mehr drin.

Des Weiteren befinden sich leider sehr viele und verschiedene andere Verkehrsteilnehmer in meinem Lenkbereich. Da sie mich nicht kennen und freiwillig die Bahn frei machen, kostet es richtig zusätzliche Energie und Kaltschnäuzigkeit, mein Fortkommen zu forcieren. Zum Glück hatte ich einen Mercedes Sprinter zugeteilt bekommen. Der hat zum Einen einen größere Angriffsfläche und eine lautere Hupe als ein PKW und zum Anderen habe ich einen besseren Überblick, da ich etwas höher sitze und im Notfall auch noch aufstehen kann!

Diese Tatsache verschaffte mir einen klaren Vorteil bei meinem ersten Auftrag an diesem Morgen. An der Haltestelle CaBö erwartete mich ein Fahrgast. Als ich in die Straße einbog, sah er mich kommen und machte Anstalten, mir einige Meter entgegen zu gehen. Mein Ehrgeiz war geweckt, denn ich wollte meinen Kunden nicht zu weit laufen lassen. So bog ich vor der Haltestelle auf die Einfahrt zum Waschplatz, legte umgehend den Rückwärtsgang ein, um einige Meter in umgekehrter Richtung  zu fahren. Als ich mein Manöver fast beendet hatte, entdeckte ich schräg links neben mir einen Kleinwagen, sein Fahrer war dabei, heftige Lenkbewegungen  zu vollführen. Offensichtlich konnte er gerade eben noch zur Seite ausweichen, bevor ich ihn niedergewalzt hätte. Was fährt der Depp auch so dicht hinter mir her. Hätte der Sprinter nicht so einen geilen Wendekreis, hätte es sicher gekracht.

Ab sofort zog ich in Betracht, die Fahrfehler Anderer in mein Kalkül mit einzubeziehen, wenigstens so lange, bis es Dunkel wird!

Durch meine im Folgenden wesentlich defensivere Fahrweise kam ich zwar kaum vom Fleck, wurde deshalb aber auch bis zum Ende der Schicht nicht mehr durch solche Laienchauffeure zur Weissglut gebracht.

Das schöne am Tageslicht ist, das man die Umwelt besser erkunden kann. So konnte ich feststellen, das der Baubeginn für das Schwedische Möbelhaus nicht durch die Grüne Partei verhindert werden konnte. Erste Gräben sind gezogen, Muttererde aufgeschoben und Zuwege bereitet.

Noch ist die Sicht frei, von Boomsiel über die Weiden bis zur A27 (Hohewurth). Hier, wo ich gerade stehe, soll ein Kreisel entstehen. Dem fiele meine nervigste Ampel zum Opfer!

Noch ist die Sicht frei, von Boomsiel über die Weiden bis zur A27 (Hohewurth). Hier, wo ich gerade stehe, soll ein Kreisel entstehen. Dem fiele meine nervigste Ampel zum Opfer!

Die Bauern sind auch schon wieder fleissig und schaufeln die Entwässerungskanäle frei, damit im April die Kuhmmunity wieder auf saftigen Weiden grasen kann.

Die Gräben wurden gereinigt und das Wasser sammelt sich umgehend. Der Schlamm an den Rändern sorgt für gute Düngung. Aber bis er endlich zersetzt wird, zieht er durch bestialischen Gestank die Aufmerksamkeit auf sich!

Die Gräben wurden gereinigt und das Wasser sammelt sich umgehend. Der Schlamm an den Rändern sorgt für gute Düngung. Aber bis er endlich zersetzt wird, zieht er durch bestialischen Gestank die Aufmerksamkeit auf sich!

Auch fiel mein Auge auf einige Kreuze am Wegesrand welche umgehend fotografierte, oder zumindest in die ToDo-Liste aufnahm.

Große Enttäuschung, als ich mich bei Zeiten zu Tisch begeben wollte! Hatte gerade eine Lieferung nach Neuenlande gebracht und auf dem Rückweg erfuhr ich, das der nächste Auftrag erst eine gute halbe Stunde später stattfinden sollte. So machte ich mich auf, den fahrbaren Schnitzel- und Bratwursttempel in Stotel gegenüber der Feuerwehr zu konsultieren.

Gewohnheitsmäßig bog ich auf den Parkplatz ein und sogleich bekam ich einen dicken Hals. Der auf aus rosanen Paarhufern produzierte Bratware spezialisierte Frittiervirtouse hatte seine Pforten geschlossen. Das hatte ich nicht mitbekommen. Da eh immer nur von 11-14 Uhr geöffnet, hatte sich mein Blick am Abend natürlich nicht in diese Richtung verloren. Was blieb mir übrig, als die örtliche Tanke zu unterstützen und eine Bockwurst im Brötchen zu erwerben!

Nach dem Essen noch schnell über den Deich bei Dedesdorf geschaut.

Nach dem Essen noch schnell über den Deich bei Dedesdorf geschaut.

Hier am ehemaligen Fähranleger Dedesdorf weht eine ordentliche Brise. Ist aber gut auszuhalten, bei 11 Grad !

Hier am ehemaligen Fähranleger Dedesdorf weht eine ordentliche Brise. Ist aber gut auszuhalten, bei 11 Grad !

So genährt brachte ich dann einen Herrn von Dedesdorf nach Bremerhaven. Er berichtete, das er mit Kollegen einen zur „LOK“ umgebauten Traktor gemietet hätte und sie so am Deich der Weser entlang fahren wollten. Natürlich um wichtige Gespräche zu führen und dabei eine Firma namens Hardenberg zu huldigen. Eine Auswahl derer Produkte hatte er als Muster in Flaschen dabei!

Am Nachmittag transportierte ich dann einen Teil einer sogenannten Kohlgesellschaft vom Hauptbahnhof Bremerhaven zum Ausgangspunkt ihrer Wanderung nach Kührstedt. Bremerhaven gehört nicht zu unserem Pflichtfahrgebiet, es gibt aber reichlich Kundschaft dort, welche regelmäßig rote Taxibusse ordert. Die sind nämlich schön geräumig und es droht kein Erstickungtod, wie in anderen, Rikschaähnlichen Gefäßen!

hbfbhv

Die Nordwestdeutschen streifen im Januar und Februar durch ihr Land und kehren zum Schluss in einem Gasthaus ein, um sich reichlich mit Grühnkohl, Pinkel, Kassler und vor allem Unmengen an Ethanol aufzufüllen. Schon auf dem Weg zum Wirt wird heftig gebechert. Das notwendige Survival-Set wird dabei mittels eines Ziehwägelchens -oft mit Hupe,Soundsystem und Rundumleuchte ausgestattet- durchs Gelände geastet.

Kurz vor Bokel kommen mir viele "Kohlgruppen" entgegen. Ihr Ziel ist die Gastwirtschaft Zur Goldenen Aue (Rebien) in der Gackau.

Kurz vor Bokel kommen mir viele „Kohlgruppen“ entgegen. Ihr Ziel ist die Gastwirtschaft Zur Goldenen Aue (Rebien) in der Gackau.

Ein Brauch ist z.B. das an jeder Kreuzung des Weges ein Schnaps getrunken werden muss. Für den Fall, das auf einer längeren Geraden keine Abzweigungen zu finden sind, können Kreuzungen auch angesagt werden, oder durch kleine Geschicklichkeitsspiele werden Sieger und Verlierer ermittelt. Und darauf wird selbstredend einer gekippt. Nach dem Kohlessen „wählen“ die einzelnen Gruppen dann ihre Kohlkönigin und ihren Kohlkönig. Ermittelt werden sie anhand der Gewichtszunahme während des Essens oder durch besondere Qualitäten bei den Spielen. Als Auszeichnung bekommen die dann einen Schweineknochen umgehängt und dürfen die Party für das nächste Jahr organisieren! Unbedingt einmal mitmachen!

Boah, war ich froh, als gegen 17:30 endlich die Dämmerung einsetzte. Ist sowieso nicht gut für die Haut, diese Frau Sonne mit ihren Strahlen.

Schade, das ich um 18:00 Dienstschluß hatte! *heul*

 

P.S. Nicht das Jemand denkt, ich führe da den ganzen Tag umher um die Gegend zu knipsen. Alles Schnellschüsse, denn „Bigsister“ -in der Zentrale- is watching me. Und wenn die sieht, das ich irgendwo rumstehe, erhöht die sofort die Taktrate und scheucht mich dann unerbittlich durch den Landkreis!