Streuner (4)

Als ob ich Jesus wäre. „Wächst mir Gras aus der Tasche?“

Natürlich wußte ich genau so viel oder so wenig wie ihr, liebe Leser, um wen es sich handelt. Ein alter Mann eben. Mörder, vielleicht auch Räuber. Oder sollte es etwa Dieter Hallervorden sein, auf Veräppelungstour, mit Kameras im Schlepptau!?

Das würde auch den „roten Kamerawagen“ erklären und wegen des Mitschnitts mußte der Ton natürlich live aus der Funke kommen. Alles klar!

Nein, so einfach war es nun doch nicht. Ich kannte Hallervorden u.a. übliche Scherzbolde zu genau. Die sehen anders aus. Außerdem habe ich ein autistisches Gehör, was die Sprache betrifft. Hier saß ein rüstiger Senior, keiner aus dem Fernsehen, da war ich mir sicher.

Nur noch wenige hundert Meter bis zur Abfahrt $Bdorf.

„HerrPolizist, ich hab wirklich keinen blassen Schimmer!“

HerrTaxifahrer, wir leider auch nicht! Die Frau aus dem roten Auto hatte sich Sorgen um den alten Herrn gemacht. Selbst war es ihr zu unheimlich den Gestrandeten zu befördern, deshalb hatte sie vor lauter Bedenken die Polizei hinzu gezogen.“

„HerrPolizist, ich bringe den offensichtlich harmlosen Mann jetzt erst einmal nach Hause und berichte ihnen dann, ist das OK?“

War OK! Nachdem mir mein Sozius die Adresse im Ort sowie seinen Namen genannt und einen kurzen Lebenslauf abgegeben hatte, konnte ich mir ein umfassendes Bild machen.

An seinem Haus angekommen schaute Alles danach aus, als würde schon  helle Aufregung herrschen, mein Beifahrer hier vermisst werden. Alle Leuchten im Haus waren eingeschaltet, die Garage war geöffnet. Ich bemerkte ihm, das wohl schon Jemand auf ihn warte. Aber das verneinte er. Er lebe schon lange allein. Das Licht schütze vor Einbrechern. Er zahlte den geforderten Betrag und stiefelte mit einem „Guten Morgen!“ zu der nur angelehnten Haustür. Hinter ihm erlosch ein Licht nach dem Anderen und auf einmal saß ich da.

Im Dunkeln.

Zurück blieben die vielen Gedanken die ich mir während dieser ganzen Unternehmung gemacht hatte.

2-3 Dinge hatte ich nun noch zu erledigen. Zuerst meldete ich der Polizei, das die Fracht heile ausgeliefert sei, keine besonderen Vorkommnisse. Der Beamtenapparat nötigte mich trotzdem zu einem zehnminütigen „Verhör“, mit sämtlichen Daten von mir, meinem Chef und dem alten Mann, für`s Protokoll.

Zum Zweiten besprach ich kurz mit der Zentrale, was abgelaufen war und bat um eine kurze Pause.

Mein Fahrgast hatte mir berichtet, das er im Ort eine große Firma geleitet hätte. Sein Sohn würde die nun führen. Und weil ich dort schon öfter mit dem Taxi angefordert gewesen war, dachte ich mir, ich könnte Bonuspunkte sammeln, wenn ich dem Nachwuchs berichtete, was sein Erzeuger Nachts so treibt und welche Räder er in Bewegung setzte.

Gesagt, getan. Es war halb Sechs durch, die Chance Jemand anzutreffen war gut, denn sie arbeiten in einem Gewerbe das täglich sehr früh hoch muß. Das Haus lebte schon, denn in verschiedenen Räumen hetzen Schatten von einem Ende ans Andere, verharrten, verschwanden, was Schatten eben so tun.

Auf mein Läuten öffnete die Schwiegertochter und ich gab ihr einen kurzen Bericht ab. Sie bat mich in die geräumige Küche zu einem Kaffee (schwarz) und rief ihren Mann, dem ich dann die komplette Story erzählte.

Die von mir erwartete, spontane Überraschung mit anschließender Hektik, sich um den Verwandten zu kümmern, blieb vollends aus. Ich war so was von enttäuscht. Habe mir aber nichts anmerken lassen.

Ich nuckelte noch ein Schlückchen schwarzen Wassers aus meinem Kaffepott, um zum Einen meine peinliche Berührung zu verbergen und zum Anderen vielleicht doch noch eine „Zusatzinfo“ zu erhalten.

Die kam dann auch prompt:

Der Olle ist eben ein Streuner. Das macht der schon seit 20 Jahren, der war irgendwie immer schon so, das ändert sich nicht mehr!“

Soviel Mitgefühl erschlug mich förmlich! Ich bedankte mich für den Kaffee und fuhr von dannen.Der wohlverdiente Feierabend rief und ich hatte noch Notizen zu machen. Ich schrieb mir auf:

  • Spezialauftrag
  • Rotes Auto
  • Verlaufen
  • Cliffhanger, Cliffhanger, Cliffhanger
  • Notruf
  • Streuner

Danke für´s Lesen. Hoffentlich seid ihr nicht allzu enttäuscht über das banale Finale. Wenigstens konnte ich einige von Euch ein paar Tage in den Bann ziehen.

Bis denne!

 

 

 

 

Streuner (3)

*WTF*

Zuerst einmal packte mich eine kleine Wut, darüber, das die Meldung einfach so aus dem Lautsprecher, also öffentlich zu hören war!

Was, wenn mein Sitznachbar ein entlaufener Psychopath, ein Mörder, oder was weiß ich sonst noch war?  Womöglich auch noch „armado hasta los dientes“ *! Ich dachte von nun an lieber in einer anderen Sprache. Vielleicht liest er meine Gedanken!?

Vorsichtig blickte ich, während sich einige mögliche Szenarien meines Dahinscheidens vor meinem inneren Auge abspielten, zu ihm hinüber. Der Alte hatte sich nicht gerührt. Er blickte stoisch durch die Frontscheibe, wo gerade außer Autobahn nichts Anderes zu sehen war.

„Alles Gut?“, fragte ich ihn mit einem Frosch im Hals.

„Ist das Radio kaputt?“, antwortete er und fügte hinzu: „Das krächzt ja ganz schön….und so laut auf einmal!“

„Pfffffffff, was ein Blödsinn!“ Ich schob meine Bedenken wieder zur Seite und die Lüftung auf „MAX“ um ungestört telefonieren zu können, wählte die Nummer der Zentrale und hakte nach. Ich erfuhr, das – die Frau aus dem roten Auto – die Polizei gerufen hatte. Warum wisse man nicht, nur das die Leitstelle der Polizei in  Oldenburg mich gern sprechen würde.

Langsam verstand ich gar Nichts mehr. Erst rief die „ROTE“ ein Taxi und dann die Polizei oder auch umgekehrt. Mit vorgeschriebenen 60 Kilometern pro Stunde schneckte ich weiter die A 27 hinunter. Nebenbei googelte ich nach der Nummer der Polizei Oldenburg, wählte sie direkt und schilderte vorsichtig meine Lage.

Mein Sozius bedankte sich währenddessen für die Aktivierung der Heizung und rieb sich die Hände vor den Lüftungsschlitzen.

Der freundliche Polizist wusste von nichts und erkundigte sich nach meinem Standort.

„Oh, Cuxhaven!? Da sind wir nicht zuständig. Rufen sie direkt die 110, die werden informiert sein!“

Die geht mir langsam echt auf den Sack, die Polizei. Ich wähle 110, schildere meine Lage und sage gleich dabei, wo ich bin.

„Gut das sie sich melden!“

„Wissen sie denn überhaupt, wen sie sich da ins Auto geladen haben?!“

 

Fortsetzung in 1 bis 2 Tagen, ich muß das Alles erst noch verarbeiten.  -Großes Smiley-

 

*Spanisch: bis an die Zähne bewaffnet

Streuner (2)

„Das könnte er sein!“, dachte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn. Erst noch einen Blick nach Hinten. Die Frau war immer noch auf Abstand. Ich liess das Fenster etwas herunter und stellte die ultimative Frage: „Haben sie ein Taxi bestellt?“

„Nee!“.

Nicht er sondern die Frau im roten Auto hätte sich darum gekümmert.

„Nu mach endlich auf!“ bettelte er.

Der alte Mann stieg ein und ich bog erst einmal in die Einfahrt einer Weide ein, um die Modalitäten zu klären. Er Hatte reichlich Geld dabei, müsse nach $Bdorf, das so schnell als möglich. Er sei schon die ganze Nacht gelaufen. Mit über 80 Jahren sei das nicht mehr so einfach. Aus der Gastwirtschaft kommend sei er in der Dunkelheit einmal falsch abgebogen und hätte sich dann verlaufen. Schließlich könne er kaum noch etwas erkennen. „Das Alter, sie kennen das!“

Mein Erstaunen war groß, denn er hatte offensichtlich einen ganzen Teil seines ca. 10 Kilometer langen Weges durch eine Moorlandschaft zurück gelegt, in der sich nicht einmal Fuchs und Hase begegnen würden. Er hätte ziemliches Glück gehabt, wie er mir bestätigte, das er überhaupt hier an der Kreisstraße heraus gekommen sei und die Frau seine Hilfebedürftigkeit erkannt hätte.

Ich nahm den kürzesten Weg nach $Bdorf , um den rüstigen Herrn, welcher gut fünfeinhalb Stunden durch die Dunkelheit geirrt sein mußte, nach Haus zu bringen. Wir winkten der geheimnisvollen Autofahrerin im Vorbeifahren zu, sie regte sich nicht, scheint eine Macke von ihr zu sein

. Gerade als ich mich auf der Autobahn 27 eingefädelt hatte, rief mich der Funk:

„Halt sofort an! Fahr rechts ran und warte! Sofort! Die Polizei ist gleich bei dir !“,kam es über den Äther.

 

Fortsetzung folgt!

Schreibblockade

Moin Freunde, wie isses denn so?

Bei mir hat die Winterdepression eingesetzt. Täglich muß ich mich mehrfach selbst aus dem Koma holen. Der Winterschlaf übermannt mich minütlich und mein Widerstand hält sich in Grenzen. Das nötigste sollte natürlich erledigt werden. Essen, Trinken und so.

Ich habe eine ganze Reihe von neuen Stories in Petto, bin aber jetzt zu faul, sie für euch aufzuschreiben. Ich habe mir Stichworte auf`s Handy gesprochen, damit ich Nichts vergesse.

Montag ist mir ein Reh vor den Taxi-Caddy gelaufen. „Wuuuums!“ Ich habe das Tier gesucht, aber nicht gefunden. Es war zu Dunkel. Die Polizei rief den zuständigen Jagdpächter, um nachzusuchen. Ich bin überzeugt, das es den Crash nicht überlebt hat.

Am Dienstag habe ich Laub geharkt.

Mittwoch Abend wurde ein Taxifahrer in Bremen überfallen und dabei schwer verletzt. Das nervt! Wir haben so wenig Bargeld dabei. Gangster, fragt einfach, wir geben es euch. Warum müßt ihr dann noch versuchen uns das Leben zu nehmen?

Jetzt ist Freitagmorgen 02:50. Ich mache Überstunden, weil ich gleich noch einen Bus voller Urlauber zu ihrem Flieger oder so bringen muß.

In der Nacht auf Samstag habe ich eine Premiere. Ich werde Nachts die Zentrale übernehmen. Hahaha! Hab jetzt schon einen Köddel in der Hose. Hoffentlich blamiere ich mich nicht!

So, jetzt schaue ich noch ein wenig in die Glotze. Sobald es wieder in meinen Fingern juckt, kommen neue Geschichten aus meinem Taxi, versprochen. Ich höre nicht auf, ich höre gerade auf mein Inneres. Und das sagt:“ Müüüüüde, du bist gaaaaanz müüüüüüde!“

Bis die Tage!

tipwurstnicht

Schichtbeginn, den man nicht braucht!

Gleich  beim ersten Auftrag gab es  ein Mißverständnis. Ein Kollege hatte meine Fahrgäste eingeladen und als ich eine Minute nach ihm dort eintraf, begegnete  ich eben  den eigentlich ihm zugedachten erzürnten Fahrgästen. 

„Unverschämtheit, unfähig, dumm, faul!“,so sei er, der durchschnittliche Taxifahrer.

Ich ludt die Gruppe trotz weiterer Beschimpfungen ein, in der Hoffnung, das Palaver würde damit beendet sein. Ich täuschte mich, der Mann atmete heftig und seine Stimme überschlug sich, als einer der anderen Fahrgäste mich bat, sofort anzuhalten!

Zu meinem Erstaunen zerrten zwei Leute aus dem Fond meinen Sitznachbarn aus dem Taxi und ließen ihn protestierend auf dem Bürgersteig zurück.

„Weiter, jetzt haben wir endlich Ruhe. Der hat schon den ganzen Tag genervt!“

Mit einem breiten Grinsen setzte ich den Blinker. Fast hätte ich vor Freude geweint!

Nein hätte ich nicht, aber es war wirklich sehr schön und Trinkgeld gab es für den blöden Fahrer auch noch reichlich. Hatte sich doch gelohnt, die Tour anzunehmen!

Knolli

Das wunderte mich doch echt sehr, das die Kollegen den Herrn Professor Knoll regelmäßig anstandslos und ohne Widerworte transportierten, um in  hinterher immer ziemlich heftig zu mobben und als schwierigen, sehr schwierigen Fahrgast zu outen.  Bei regelmäßigen Rolli-Touren wäre zumindest anstandshalber eine Augenbraue verzogen worden, weil so ein Auftrag in der Tat zusätzlichen „Streß“ bedeutete. Nicht so bei Knolli. Mit gespielter Leichtigkeit wurde der Auftrag als „normal“ befunden, nicht ohne auf seine angetraute Glucke hinzuweisen, welche die Fahrer ständig gängeln würde. Man solle Acht geben, vorsichtig und aufmerksam an die Sache rangehen und die Ausfälle seines holden Weibes ertragen.

„Oh, da bimmelt das Handy. Jaaaa, Okay,…..,jaaaaa, Okay, Jaaa, wie immer auf Rechnung, ja gern, bis gleich!“

Es hatte mich erwischt! Es war der Knolli. Einmal in die Stadt und später wieder nach Haus wollte er. Und sie auch. Ich bereitete mich auf der kurzen Anfahrt auf alle möglichen Varianten der Pöbelei vor, checkte die Ausrüstung, Sauberkeit, Moral, Fahrtstrecke. Alles Perfekt, allerdings war die Moral etwas zierlich, von wegen kleinem Köddel in der Hose, wegen dem Frauenzimmer und so. Soll so ein richtiger Besen sein. Den letzten Fahrer hatte sie angeblich auf der Rückfahrt verspeist, …mit Knochen!

Die Kollegen winkten mir noch hinterher, riefen:“Viel Glück!“ und „Komm Heil wieder!“ und „Soll ich nicht für dich fahren, ich mach das für dich!?“

Den letzten Satz hatte ich nicht verstanden, war schon um die Ecke unseres Zentralen-Gebäudes gebogen und summte eine bekannte Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Das Pärchen stand, bzw. saß schon in seiner Hofeinfahrt. Ich stieg schnell aus dem Wagen, um ja der Erste an der Heckklappe zu sein. Allzu oft war das der Anlass für die Beschwerde Nummer Eins – ein schmutziger Griff – !

Sie bewegten sich jedoch nicht, sondern schauten mir ganz ruhig zu, während ich die Rampe herunterklappte, die Befestigungsgurte zurechtlegte. Ganz nebenbei Begrüßten wir uns ausgesprochen höflich. Ich sprach sie mit Namen an, sie mich mit HerrTaxifahrer, ganz einfach.

Als ich den Einstieg für den Rolli vorbereitet hatte, ließ sie ihren Mann stehen und machte sich auf den Weg zur Beifahrertür.

„Owei!“

Mit einem gewagten Sprung und Rolle über die Haube konnte ich ihr gerade noch rechtzeitig die Tür aufhalten. Dabei hatte ich mir meine rechte Schulter leicht ausgerenkt und der Schmerz war kaum zu verbergen. Ich riss mich zusammen!

„Dankeschön!“, sagte sie, nachdem ich ihr den Gurt gereicht und die Sitzhöhe, sowie Rückenlehne angepasst hatte. „Der Bann ist gebrochen!“, dachte ich mir im Stillen und schickte mich an, den Rollstuhl nach allen Regeln der Kunst und mit routinierter Geschicklichkeit einzufahren und den Fahrgast zu sichern.

„Haben sie das gelernt, sie machen das so schnell?!“, rief sie von vorn.

So ein Mist, ich hatte mich täuschen lassen. Jetzt würde es losbrechen, das Höllenfeuer der Belehrungen.

„Sie machen das sehr gut!, fügte sie hinzu.

„Pfffffffffffffff!“, atmete ich leise aus.

Ich hatte mir die Route vorher genau angeschaut und mich unter Berücksichtigung der Pflasterung und Abnutzung der Straße, im Verhältnis zum Komfortverlust und unter Einberechnung der Fahrtkosten für die Strecke über die Autobahn entschieden.

„Wo fahren sie denn lang!?“

War mir klar. Mußte kommen. Sie reklamierte die Fahrtstrecke. Ich erklärte ihr kurz meine Entscheidungsgründe um den  um € 0,90 erhöhten Fahrpreis zu rechtfertigen.

„Das ist aber nett!“ sagte sie mit einem Lächeln.

„Häh? Will die mich veräppeln. Spart die sich ihre Ausfälle für die Rückfahrt auf? Würde ich ihr schmecken?“ Fragen über Fragen schossen mir durch den Kopf. Als ich mit Denken fertig war, hatte ich Knolli schon ausgeladen. Ich wollte mich gerade verabschieden, da teilte sie mir die Zeit für die Abholung mit, nicht ohne mir mit einem spitzbübischen Zwinkern zu signalisieren, das meine Stunde schon noch schlagen würde! Sie wandte sich um und schritt hinfort, ich starrte hinter ihr her, bis etwas an meinem Arm zupfende meine Aufmerksamkeit forderte. Knolli drückte mir eine Handvoll Münzen in die Hand. „Hier, ein kleines Dankeschön. Ich weiß ja nicht, ob sie uns wieder abholen!“

Er wollte mir Geld zustecken. Da ich meine Hand etwas verkrampft war, wegen der psychischen Anspannung, fiel eine Münze auf den Boden, rollte über den Asphalt auf einen Gulli im Rinnstein zu. Ich stolperte über die noch ausgefahrene Rampe und blieb mit dem rechten Auge an der Flügeltür des Caddy hängen, konnte das Geldstück aber im Fallen noch erhaschen. Der Bürgersteig war zu der Zeit zum Glück nur mäßig verschmutzt und meine Hose war eh`mit der Wäsche dran. Das winzige Loch am Knie könnte ich als – das ist modern – verkaufen!

Zurück zur Mission. Sollte das etwa Fluchtgeld sein. Sollte er mir damit sagen wollen, ich möge das Land so schnell als machbar verlassen? Völlig verunsichert fuhr ich bei der nahe gelegenen Raststätte „Zur Goldenen Möwe“, meinem allerliebsten amerikanischen Schnellrestaurant vor, um meine Henkersmahlzeit einzunehmen. Meine Schulter wurde heiß und das Blut pochte in den entsprechenden Adern. Das Auge war leicht geschwollen, ich konnte die Speisekarte aber mühelos lesen. Kein Problem für mich soweit.

„Ich muß durchhalten!“

Sie kam, wie sie kommen mußte, die Rücktour. Da mir die Vorlieben nun bekannt waren, richtete ich mich von vorn herein darauf ein. So, wie sich die Hinfahrt gestaltete, so verlief auch die Heimreise. Lauter Nettigkeiten wurden ausgetauscht, ein Resümee des Erlebten gezogen und Freundschaft geschlossen, jedenfalls soweit das in einem Taxi zwischen dem Fahrer und zwei Hundertjährigen möglich ist.

Beim Lösen der Verriegelung für die Rampe klemmte ich mir den Zeigefinger der linken Hand so stark, das die sich bildende Blutblase im nächsten Moment aufplatzte und sich der Lebenssaft auf meinem schönen neuen Poloshirt niederließ! Ich verzog keine Miene und setzte meine Arbeit fort. Im Dunkeln würden die Beiden die Bescherung hoffentlich nicht bemerken. Dabei achtete ich jetzt ganz besonders auf Frau Knolli, um gegebenenfalls ihre Angriffe parieren zu können.

Da öffnete sie ihre Handtasche und zog einen schwarzen Gegenstand heraus, einen Totschläger oder eine Pistole, jedenfalls etwas, das sie mit einer sehr geübten, flüssigen Bewegung handhabte. Ich richtete mich schnell auf und blieb dabei mit dem Gesäß an einem Befestigungshaken hängen. „Rrrrritsch“!, schönen Gruß vom Achterdeck, das Beinkleid hatte ein tragisches Leck erhalten, welches wiederum nicht  ganz einfach als die „Neue Mode“ zu erklären sein würde.

Aus ihrem Geldbeutel überreichte die Dame mir einen Zehner. Das wäre für den guten Service und ich solle mir dafür etwas schönes kaufen. Vorsichtig, wie ein zu zähmendes wildes Tier, ließ ich mir den Schein auf die Hand legen. Nichts weiter geschah. Sie gingen/rollten ihres Weges, winkten, lächelten und weg waren sie in ihrem Haus.

„Siehste, halb so schlimm die Leute!“, sagte ich mir, meinen geschundenen Körper betrachtend. Die Kollegen wollten nur das schöne Trinkgeld für sich haben, aber denen würde ich Was erzählen!

Im Pausenraum der Zentrale saßen sie dann auch, wie die Orgelpfeifen auf unserem roten Ledersofa aufgereiht, gespannt zu erfahren, wie es zu meinem desolaten Zustand kommen konnte.

Ich berichtete von der grausamen Alten, wie sie mich geschlagen und gestoßen hätte. Auch wie mir der Mann in die Hacken gefahren sei, um mich zu Fall zu bringen, nur weil ich die Fahrtstrecke einmal etwas abgewandelt hätte. Der Stich ins Auge mit dem Gehstock, weil ich zu langsam gefahren bin, und so weiter und so weiter. Und geizig seien sie auch.

„Rechnungsfahrt, ihr kennt das!“

Aber, so Beschied ich den Kollegen, ich würde es immer wieder machen.

„Ist ja schließlich ein ganz normaler Fall, der Knolli, nur seine Frau, da ist drauf zu achten!“

So ungefähr sah mein Auge noch Wochen später aus. (Beispielsbild, aufgenommen in der "Alten Bürger" in Bremerhaven)

So ungefähr sah mein Auge noch Wochen später aus. (Beispielsbild, aufgenommen in der „Alten Bürger“ in Bremerhaven)

Im Prinzip eine ganz normale Taxifahrt, dann auch wieder nicht!

Es ist schnell erzählt. Der Kunde wollte mit dem Bus nach Bremen fahren, aber dieser hatte sich schon 30 Minuten verspätet. Ob Er überhaupt noch eintreffen würde, stand in den Sternen.

Den Fahrgast erwartete nun statt einer gewöhnlichen, aber kostenlosen Bustour (Monatskarteninhaber), die gemütliche Reise in einem Mercedes Kombi neuerer Bauart, zum – wie sich am Ende ergab – Preis von € 82,30.

Das war der normale Teil!

Auf der 40 Minuten dauernden Fahrt nach und durch den Bremer Ortsteil Gröpelingen unterhielten wir und prächtig. Bei allen Themen lagen wir auf einer Linie und konnten uns so nach Herzenslust über Dies und Das aufregen, Politiker verhönen, deren Politik wir nicht mochten und von irgendwelchen Fernsehserien schwärmen, ohne das der andere abwertend ins Wort fiel. Ab dem Bahnhof Burg standen wir im Stau, wie das dort zur Feierabendzeit immer ist. Wir standen still in der Schlange und quatschten. Die Uhr lief gnadenlos weiter, alle 11,61 Sekunden wurden € 0,10 aufaddiert. Im Radio lief irgendetwas leise im Hintergrund.

„Wie ist denn der aktuelle Stand?!“

„Verdammt, jetzt geht das Gejammer doch los!“, dachte ich mir und wollte schon einen Flunsch ziehen und losheulen, wie ein Kleinkind das an der Kasse, das nicht die gewünschte Süßigkeit aus dem Lock-Regal nehmen darf. Immer diese Diskussionen um den Fahrpreis, das nervte! „Vielleicht hat er das Taxameter nicht im Blick und er möchte sich nur eben einen Überblick verschaffen!“ Ich zeigte mit der rechten Hand nach Unten auf die Mittelkonsole, wo der Fahrpreis in roten Zahlen angezeigt wurde.

„Wir sind bei € 72,60, das läuft auf ca. € 80,00 hinaus, falls wir hier noch einmal raus kommen!“

Gerade wollte ich schon auf Durchzug schalten, denn es würde jetzt natürlich die Feilscherei um einen günstigeren Tarif beginnen. Das ganze Programm so, von „Sofort anhalten!“, über „Mach mal die Uhr aus, jetzt sofort!“ und zum Schluß noch den „Halsabschneider und Betrüger!“.

„Äh was, bitte? Nein, das wollte ich nicht wissen! Im Radio sagten die etwas von den Wahlen in Berlin, wissen sie wie der aktuelle Stand ist?“

„Mannomann, ich mach mir wieder viel zu früh den Kopf!“, dachte ich über meine vorschnelle Beurteilung der Lage und began gehorsam die Prozentualen Anteile der Parteien aufzuzählen. Ich hatte das Geschehen in Berlin verfolgt und wir stimmten auch hier in unserer Meinung überein, was die Vorzüge oder Nachteile der einzelnen Koalition-Möglichkeiten seien.

„Politik und Privatleben, das gehört nicht ins Taxi!“, hatte mir und meinen Kollegen die Kommunikations-Expertin bei unseren Seminar eingehämmert. So pauschal will ich ihr da nicht Recht geben. Mann muß eben sorgsam antesten und sich herantasten, worauf der Fahrgast steht und dann finden sich schnell Gemeinsamkeiten. Falls nicht, gibt es immer noch das Wetter in Cherrapunji oder die Qualität der Frühstücksbrötchen von Bäcker „Frosch oder Gorde“!

Am Ziel angekommen erhielt ich Kommentarlos meine Bezahlung, etwas Trinkgeld und ein ganz großes Dankeschön für die kurzweilige Unterhaltung, sowie die angenehme Fahrt. Er lies sich meinen Namen geben, falls der Bus einmal wieder streikte. Und so eine unterhaltsame Taxifahrt wäre ihm das Geld wert!

Tja, so sollte eben eine ganz normale Taxifahrt verlaufen. Beiderseitiger Respekt zwischen Kunde und Dienstleister machen das Leben leichter. Und es schont des Taxifahrers Herz!

Apropos Herz. Schon kündigt sich der nächste Auftrag an. In 24 Minuten würde der nächste Fahrgast in Hagen warten. Mein Puls stieg leicht an, das Adrenalin schoß in die Glieder und mit etwas weniger als Lichtgeschwindigkeit sauste ich zurück über die Dörfer.

*sing*:Wir fahr`n , fahr`n, fahr`n auf der Autobahn!*sing*

*sing*:Wir fahr`n , fahr`n, fahr`n auf der Autobahn!*sing*