Flashback

So gegen 19:00 setzt bei uns auf dem Dorf immer eine gewisse Lethargie ein. Der Dönermann schaut das erste Mal an diesem Tag aus der Tür, nach der Abendkundschaft. Die Eisdiele schließt, egal wie das Wetter ist, der Parkplatz vorm Griechen ist überfüllt, es ist Frauentag und die Taxis haben schon alle Stammkunden zu Hause abgeliefert.

„Hast du noch etwas?“

Der verzweifelte Anruf in der Zentrale ergab,  das sie nichts hatte, wenn überhaupt, dann später. Endlich eine günstige Gelegenheit, denKollegen $jackett auszufragen etwas näher kennen zu lernen. Als ich so die Treppe zum Aufenthaltsraum hoch schlurfte, rief er mir entgegen, das es dort oben nichts gäbe, ich solle wieder verschwinden. Ganz freundlich, so wie man sich Kollegen eben wünscht.

Wir plapperten ein wenig über dies und das, ich bereitete mir nebenbei ein schönes Asiatisches Gericht in der „Mikki“!

Nach kurzer zeit stellten wir fest, in etwa im gleichen Zeitraum in Bremen gewohnt zu haben und erinnerten uns an die guten alten Zeiten, die noch golden gewesen waren. Berufliche Erfolge und Misserfolge lösten sich ab, wir hatten gelitten, so gut es ging, waren beide aber immer wieder irgendwie auf die Füße gefallen.

Eine weitere Parallele bildete die Sachkunde bezüglich des Bremer Nachtlebens. Er, zu Anfang seiner Laufbahn als Bremer Taxifahrer, ich als Angestellter in einem Bowlingcenter und späterer Besitzer eines solchen. Der Bahnhof unser Revier. Die „Discomeile“ war noch nicht zur Schußwaffenfreien Zone erklärt, der Breitenweg noch picobello, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Nebenan der beste Dönermann der ganzen Welt, im Keller der Blinkturm, ein Kontaktschuppen für alternde Singles. Kinder mußten noch um 8 im Bett sein, nicht mit dem Muttizettel bis Morgens um 5 im Zappelschuppen. Die Junkies haben sich noch entschuldigt, wenn sie dir vor die Füße gefallen, oder den ganzen Gehweg mit ihren Utensilien zugepflastert hatten.

„Nur noch `ne Minute, Chef, dann bin ich fertig. Ich räum auch auf!“

Richtig nett waren die. Nur bei der Geldbeschaffung, da waren die nicht so lieb. In unserem Parkhaus wurden einmal 180 Wagen während eines Abends zur Freimarktszeit aufgebrochen. Die Leute konnten zusehen, wie die Scheiben barsten. Hier eine Schachtel Zigaretten, ein Mantel, eine Jacke, da eine Tüte Gummibären und das Autoradio. Die Menge hatte es dann gemacht.

Dann begannen wir, alle Lokale aufzuzählen, denen wir seinerzeit wie auch Heute noch, das Prädikat „Wertvoll“ zuerkannten!

Um die Ecke fand sich das Bell`s. Dort traf man sämtliche grauen Eminenzen beim Absacker, oder den Rosenverkäufer, der dort einen Eimer mit Nachschub deponiert hatte, um anschließend wieder im Blinkturm, oder dem Nobelschuppen gegenüber im Sinatra’s Dancing zu verschwinden.

Noch etwas weiter, in der Schillerstrasse befand sich das Schiggimiggi. Ein Restaurant, in dem es erst ab 2 Uhr Nachts so richtig gemütlich wurde. Dann kamen nämlich die Bedienungen aus den Umliegenden Gastronomien, um hier runterzufahren und noch schnell einen Happen zu essen, bevor es ins Bett ging. 24/7/365  konnte man dort zu menschlichen Preisen Speisen. Mit großen Gruppen wurde im Remmer, in der Innenstadt gefeiert. Eine Sammlung von unterirdisch angelegten Sälen, einem Brauhaus nachempfunden. Ober drüber, ganz in der Nähe, die „Altstadt“. Rund um die Tanzfläche war die Kulisse einer kleinen Stadt aufgebaut. Es gab einen guten Blick aus der zweiten Etage auf die Tanzfläche, welchen mit einem Sternenhimmel überdacht war. Das Stubu, das vom Fedelhören aus umgezogen war in die Böttcherstrasse und Heute auch am Breitenberg zu finden ist. Die haben bei jedem Umzug das ganze Inventar mitgenommen und im Original wieder aufgebaut. Dort gab ich meiner Frau den ersten Kuß! 🙂

Je länger wir quatschten, desto mehr Läden fielen uns ein. Unmöglich alle aufzuzählen. Namen kamen und gingen.  Leider hatten wir kein Bier auf dem Tisch, sonst wären wir bestimmt aufgebrochen, den „alten“ Pfaden noch einmal zu folgen. Unsere Augen blitzten bei der Erinnerung an diese Zeiten manchmal verdächtig auf. Was war da noch gewesen? Ach die, der, das war vielleicht was!

Keine Spur von Romantik mehr in der Heutigen Zeit!

Keine Spur von Romantik mehr in der Heutigen Zeit!

 

Vor 10 Jahren – Eine Retrospektive – ohne Taxi!

Seit nunmehr annähernd 5 Jahren verdiene ich meine Brötchen in dem Gewerbe, von dem ich seit 2 Jahren hier berichte. Vor dieser Zeit tummelte ich mich 21 Jahre lang auf einem völlig anderen Gebiet. Ich hatte das große Glück*** die Gelegenheit gehabt, mein Hobby zum Beruf zu machen. Damit es dazu kommen konnte, reichte es aus, einmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Doch so weit möchte ich in meiner heutigen Rückschau nicht gehen, sondern diesbezüglich nur von einer Begegnung mit einer Person erzählen.

An diesem Punkt meiner Karriere war ich ein gefragter Spezialist in der Anfertigung von persönlich angepassten Löchern in Bowlingkugelnbälle für Bowlingspieler. Sie kamen in Scharen zu mir, um ihre Hände vermessen zu lassen, damit ich daraus die entsprechenden Koordinaten für die Bohrungen bestimmen konnte. Es lief!

Eines Tages kam ein 2,10 m – Mann in meinen damals 9 qm kleinen Laden und erkundigte sich, ob ich einen besonderen Bowlingkugelball aus den USA besorgen könne. Er sei nicht für ihn, den Besteller selbst, sondern für einen Bekannten von ihm, der würde, sobald das Objekt der Begierde vorrätig sei, zwecks Bohranpassung anreisen.

Der Ball war zu der Zeit schon ein Sammlerstück, nicht wegen seiner besonderen Fähigkeiten die Kegel Pins ins Nirwana zu befördern, sondern wegen des Designs. Der Ball war hergestellt aus transparentem Polyester, im Zentrum der Kern, in Form eines roten Boxhandschuh. Er war teuer, ich konnte ihn seinerzeit nur bei EBAY-Com ersteigern. Für meinen Kunden war der Preis nebensächlich, er MUSSTE dieses Teil haben!

Nachdem die Auktion gelaufen war, gingen einige Tage ins Land, bis ich endlich Nachricht vom Zoll erhielt und das gute Stück auslösen konnte. Umgehend informierte ich den „Mittelsmann“.

„Ist da, ja? Moment! …telefonierte ich und hörte wie er im Hintergrund sprach….“ Markus, ist da! Wann abholen?….Sofort!“…und an wieder an mich..“Wir kommen um 3 Uhr!“

Aha, der Herr Markus also. Naja. Aber ich war einigermassen gespannt, was den Herrn Markus zu so einem konspirativen Verhalten veranlasste.

Pünktlich schritt der Hühne in meinen Shop. Bevor ich fragen konnte, tauchte in seinem Schatten der Markus auf. Mir zitterten die Knie auf einmal so komisch, als ich den 1,76 cm großen Boxer erkannte. Markus Beyer, mehrfacher Weltmeister im Supermittelgewicht!

Wegen meiner Routine im Umgang mit schwierigen Patienten in diesem Business kam ich schnell wieder auf den Boden, folgte meinem gewohnten Procedere. Ich konnte meinen Job gut und was sollte schon schief gehen.

In Gedanken sah ich mir im Spiegel meine Blessuren an. Dieser Bowlingball trug die Signatur von der Box-Legende Sugar Ray Leonard, dem absoluten IDOL von Markus. Was, wenn das Teil beim Bohren platzt, was wenn der Griff nicht sitzt.

Leute, der Typ war echt super sympatisch. Er hatte wohl bemerkt, das ich etwas angespannt war und erzählte, das er schon öfter in unserem Bowlingcenter zu Gast war, mit seiner damaligen Ehefrau Danii, die seinerzeit bei der Popgruppe Mr. President sang.

So weit, so gut. Der Markus ist Linksausleger und leider wollte er den Ball auch auf diesen gebohrt haben. Nie zuvor hatte ich eine so geschundene Pranke gesehen, geschweige denn vermessen. Alles total verhärtet, wie bei fortgeschrittenem Rheuma im Endstadium. Na nicht ganz, aber ich musste den Daumen schon heftig abspreitzen, um an wichtige Messdaten zu kommen, dabei erlaubte ich mir, mich zu erkundigen, ob es schmerze. Lächerlich, er würde schon seit Jahren nur noch spüren, wenn er Schläfe oder Kinn seiner Gegner treffe und das wäre hier eher nicht zu erwarten. Mein Glück!

Innerhalb weniger Minuten stanzte ich die Löcher in das Rund und lies mich schnell noch mit dem Star ablichten, bevor er auf der Bahn die ersten Kratzer in das gute Stück ritzte.

Weiterhin „Gut Holz!“

Markus Beyer, Boxer Andreas Wienert, Balldriller

Markus Beyer, Boxer
Andreas Wienert, Ball-Driller

***Viel später werde ich darüber schreiben!