Traumabewältigung

Zu Thanksgiving treffen wir uns jedes Jahr im Deutsch-Amerikanischen Club (GAC), einer Vereinigung von ehemaligen Soldaten aus der Zeit der Flugabwehrraketenbataillone im Delmenhorster Raum.
Wegen der Bestückung der Gefechtsköpfe mit atomarer Munition hatten wir bis Mitte der 80er eng mit den Amis zusammen gearbeitet!

Dieses sehr populäre Erntedankfest ist ein wichtiger Termin im Kalender meiner Bekannten aus den USA, die extra zu diesem Anlass aus aller Herren Länder anreisten.

Außer dem jährlichen Treffen steht an diesem Tag auch das lukullische Vergnügen im Mittelpunkt. Nachdem ich den ersten Willkommens-Marathon unter gelegentlichem Herunterstürzen eines Bechers Jack Daniels absolviert hatte stand, der Besuch des reichhaltigen Buffet, mit dem Besten, was die Küche zu bieten hatte, an.

Die Reihe der Hungrigen war noch recht lang, der Weg zu den Köstlichkeiten würde sich noch etwas hinziehen.So konnte ich die Gedanken baumeln lassen und an alte Zeiten denken, während ich mich in kleinen Tippelschritten der „Front“ näherte.

Front war das Stichwort! Als Soldat des kalten Krieges, immer nur eine Schalterstellung vom Atomkrieg entfernt oder in voller Montur gerüstet, um den Ostermärschen zum Abschussbereich der Schönemoorer „Nike Hercules“-Raketenstellung unter vorhalten von Plakaten entgegen zu treten.

„Alle reden vom Frieden! Wir sichern ihn!“

Diese Parole wurde uns 14-tägig, im Rahmen politischer Bildung eingeimpft. Wir glaubten es erst Mal!

An einem Sonnabend trat dann ein, was sich Keiner je vorstellen konnte. Ein Gewitter war über unsere Stellung hinweg gezogen. Der Vorschrift entsprechend, war nach Blitz und Donner eine Überprüfung der Gefechtsköpfe und Zünder der Triebwerke vorzunehmen. Ich teilte 4 weitere Soldaten außer mir ein und wir legten unser Werkzeug griffbereit.

Die Nukleargefechtsköpfe waren in einem separat gesicherten Bereich untergebracht. Dieser durfte nur von Soldaten mit entsprechender Sicherheitsstufe unter Aufsicht amerikanischer Bewacher betreten werden! Die Bundesrepublik hat bis Heute keine Erlaubnis, eigene Atomwaffen zu horten.

Wir saßen in der Assy-Halle (Raketenmontage| Assembly), als endlich der Auftrag des Officers in Charge -OIC- eintraf. Am Guard-House warteten schon unsere Aufpasser. Sie würden jede falsche Handbewegung oder einen Fallen gelassenen Schraubenzieher mit unmittelbarem Zwang quittieren! Das war so, das kannten wir.

In Section Bravo, der mittleren Abschussgruppe sollten die Sicherheitschecks beginnen.

Startgerät für Startgerät gingen wir unsere Liste durch. Zuerst wurde mittels eines sogenannten „Squibtesters“ das Zündkabel, welches zu den Ignitern des Starttriebwerks führte auf Streuspannung und Funktion überprüft – Strayvoltage-Check und Continuity/Discontinuity-Check – .
Einer laß aus der Manual die einzelnen Steps vor, der zweite führte sie durch, der dritte hakte ab. 3-Men-Rule hieß das!

Wir hatten gerade die Sicherungen der „XL-Warheads“, die für Boden-Boden Einsatz vorgesehenen überprüft und nahmen jetzt das letzte Startgerät, den Laucher 3 in Angriff.

Die Wachhunde trieben uns zur Eile an. Die Puertoricaner hielten es nicht gut in unserem Herbstklima aus. Es regnete leise, die Feuchtigkeit drang in alle Ritzen ein und leitete den kühlen Wind direkt auf ihre braun gebrannten Körper.

Ich stand links vorn und betete die Checkliste herunter, der Macher und der Checker befanden sich in der Mitte der Rakete, dort wo der „Booster“ beginnt. Die German Shephards beobachteten unser Tun aus der Diagobale, immer alles im Blick!

„Verbinde Stecker AC mit Boostercable!“, befahl ich.

„Kabel verbunden!“, meldete der Macher!“

„Che…………“

Ein Tosen, wie wenn eine Rotte Starfighter zum Alarmstart aufbrach, ein Knall, ein Donner……

Keine Ahnung, wie lange ich Ohnmächtig gewesen war. Was ist hier los? Wo bin ich? Ich konnte nur den Stumpf eines Lenkflugkörpers erkennen, der leicht schräg von oben in einem die Basis umgebenden Erdwall stecken geblieben war. Der Booster, das ist die erste Stufe, war schon abgebrannt und es loderten nur noch kleine Flammen heraus. Es hatte nur eine von 4 Röhren gezündet, was ein Glück!
Ich spüre nichts und suche nach den Kameraden. Dort, wo eben noch 2 Mann das Kabel anschlossen fand ich wenig Hoffnung auf Leben. Ich robbte hinüber, in kleinen Zügen und fand nur noch zwei ausgeblutete Rümpfe, die Arme und Oberkörper mussten durch den linken, unteren Main-Fin (Hauptflügel) abgetrennt worden sein. Die Köpfe waren auf halber Distanz abgerissen, der dünne Hals hat die enorme Beschleunigung nicht ausgehalten!

Einer der beiden Amis lag zusammen gekrümmt unter dem Raketenstumpf. Eigentlich konnte es auch etwas anderes als ein Mensch sein. Die verkohlten Umrisse ließen diesen Schluss jedoch zu.

Erst jetzt fiel mein Blick auf den anderen Amerikaner. Mit letzter Kraft schleppte ich mich zu ihm und erschrak, als er mich mit Tränen der Verzweiflung in den Augen anrief:

„Please, Kraut, kill me!“

Sein Zustand war nicht für einen Cent besser, als bei den anderen Jungs, ich mochte ihn aber nicht einfach aufgeben, sicher ist Hilfe unterwegs! Ich beugte mich vor, richtete sein Koppel und da quollen seine Eingeweide aus einem riesigen, schwarzen Loch aus seiner Bauchdecke. Mit aller Macht rührte und schob ich, um die Gedärme wieder zu positionieren!

„Aaaah, Auuuaaah!“, was war das? Ein wahnsinniges Stechen durchzuckte mein Nierenbecken. Starr verharrte ich bei diesem unbändigen Schmerz.

„Andreas! Aaaaandreaaaaas!?“

„Waaasaas willst Du?“, schaute ich erstaunt in das vor Zornesröte glühende hübsche Gesicht meiner besten Ehefrau von allen.
„Spatzl, was ficht dich an, mich so zu kneifen, mich so zu erschrecken?“

„Mein liebster Gatte, jetzt nimm erst Mal deine Pfoten aus dem Heringssalat, das sieht ja aus, als hätteste wen umgebracht!“

Oh Mann, diese Tagträume machen mich fertig. Nie wieder werde ich in Erwägung ziehen, eine Gruselgeschichte für meinen Taxiblog zu schreiben!

In diesem Sinne:

happy halloween

Pam Pam

Käufliche Liebe

Mit mulmigem Gefühl im Bauch schlug ich den Weg nach $dorfmitskurve ein, um eine Dame „in den besten Jahren“ abzuholen.

Der versierte Zentralist $stoertebeker hatte schon DEFCON  für diesen Auftrag angeordnet, so zog ich meine Jacke über, klappte die Armlehne herunter und betete!

Aller Voraussicht nach erwartete mich am Ziel ein ausgebuffter COUGAR im  Endstadium. Diese sind bekannt für unvorhersehbare Übergriffe, besonders bei bereits fortgeschrittener Intoxikation, welche $stoertebeker bereits am Telefon diagnostiziert hatte.

Am Ortsrand – es begab sich nach der Geisterstunde – erschien ein zu dieser Nachtzeit sehr seltenes Naturschauspiel. Ein Regenbogen überstrahlte die Straße meiner Fahrgästin und schwebte direkt über ihrem Haus. Sie erwartete mich schon in der Garageneinfahrt stehend und bevor sie mich mit ihrem Make-Up-Kunstwerk blenden konnte, zog ich die altbewährte Bundeswehr-Sonnenbrille (NATO-BH) aus der Tasche und schützte mein Augenlicht.

Ich sprang aus dem Sprinter, suchte mein Heil in vorsichtigem, rückwärts gerichteten Gang, um ihr die Beifahrertür zu öffnen. Soweit möglich schaute ich sie nicht an, sondern blickte, ohne unhöflich zu wirken noch Oben, um den Anblick der bunten Farbkombinationen zu geniessen. Aber da fand sich Nichts mehr, sie hatte sich eben noch schnell das Antlitz gepudert und das Farbspiel erlosch.

„Hoffentlich platz jetzt kein Stück aus ihrer Fassade, dann kann ich das ganze Auto reinigen!“, dachte ich verzweifelt und sah mich schon nach dem ZEWA um.

Sie wollte zum Pam Pam! Wie so viele Feierlustige, nach rauschenden Festen zu Hause oder bei Freunden, um den Abend mit einem ordentlichen Absturz in der einzigen Disco in unserem Fahrgebiet ausklingen zu lassen. Die Etikette wurde schon zu Haus an die Garderobe gehängt, damit von vorn herein keine Missverständnisse aufkommen, Jemand sei noch Herr seiner Sinne.

Am Ortsausgang nahm das Unglück seinen Lauf und mangels Straßenbeleuchtung wurde es Stockeduster in meinem Sprinter. Wegen des Wildunfalls in der letzten Woche war ich jetzt etwas angespannt und vermutete hinter jedem Busch oder Schatten ein Rotwild, oder zumindest einen kapitalen Elch oder ähnliches Getier. Da wurde mir ganz warm ums Herz, als ein wohliger Schauer von meinem rechten Unterarm ausging und sich in Richtung Brustkorb fortpflanzte.

„AAAAAAAhhhhhh, lassen sie das. So kann ich nicht fahren!“, schrie ich erschreckt und fuchtelte vor ihr herum, als sei ein Bienenschwarm auf mich los gegangen.

Sie hatte sich unbemerkt zu mir herüber gelehnt und versucht mich mit ihren Verführungskünsten und vorsichtigen Streicheleinheiten in ihr Netz zu locken. Mit aller Kraft konnte ich den Würgegriff lösen und die Fahrt fortzusetzen, nicht ohne die halbe Aufmerksamkeit den sich vom Beifahrersitz immer wieder annähernden Tentakeln zu widmen.

Der Weg zum Pam war nicht sehr weit und mit ein paar gezielten klapsen auf ihre immer wieder forschenden Hände trafen wir am Taxistand ein.

„Bitte, lass mich Hinten rum raus, die sollen mich hier vorn nicht sehen. Bin doch schon so eine alte Schachtel, die sich besser unerkannt reinschleicht!“, bat sie mich mit sonoriger Stimme.

DEFCON   1, Krieg!

In mir flackerte  die Furcht vor weiteren romantischen Avancen auf und wurde umgehend bestätigt, als sie mir anbot, für einen kurzen Halt auf dem Parkplatz hinter dem Pressluftschuppen auch einen 5er springen zu lassen.

Ich riss das Lenkrad rum und lies die Kupplung springen. Nach 2 Sekunden parkte ich in Sichtweite der Türsteher und beendete sämtliche Träume meiner Kundin mit der Forderung des Fahrpreises und der Bitte nach möglichst raschem verlassen des Taxis.

Mit reichlich ungehobelten Verwünschungen löste sie unser Vertragsverhälnis per Bezahlung auf und tauchte im Halbdunkel des Wendeplatzes ab!

„HerrTaxifahrer! HerrrrrTaxifahrer! Schadensbericht!?“, schallte es aus dem Lautsprecher.

„Lieber Kollege $Stoertebeker, hiermit erkläre ich diese Frau zur „persona non grata“. Falls die wieder anruft, schick ihr bitte einen Fahrer von ihrem Kaliber oder gib ihr die Nummer von der $anderesTaxiunternehmen!“

5 € war ich ihr also wert. Wird echt Zeit, das der Mindestlohn kommt!

 

Nachtrag: Meine Recherche nach den Defcon-Stufen hatte die falsche Reihenfolge ergeben. Vielen Dank an die schlauen Mitleser für den Hinweis. Habe das geändert. Wer es ganz genau Wissen möchte: DEFCON-STUFEN-WIKI