Threehundredsixty

Karina wird fast täglich von uns gefahren. Regelmäßige Krankengymnastik ist für die lebenslustige junge Frau wichtig, denn sie leidet unter spastischen Lähmungen und sitzt im Rollstuhl.

An mir war es Heute, sie mit meinem Sprinter abzuholen und nach Hause zu bringen. Ich parkte meinen Bus mit dem Gesicht zur Hauswand der örtlichen Ergotherapie, damit der elektrisch betriebene Rolli einfacher auf die Hebebühne gefahren werden kann.

Karina bog gerade richte Rampe ein, da erblickte sie 2 Reiter auf dem Fußgängerweg. Da sie Pferde sehr gern mag, haben wir etwas Platz gemacht, damit die Reiter an uns vorbei schreiten können.

„Ooooh, wie niedlich, darf ich mal streicheln?“ rief sie einer der Amazonen zu.

Die kräftigen Fjordpferde machten einen sehr ruhigen Eindruck und sie wurden prompt in unsere Richtung gelenkt. Karina beugte sich soweit wie möglich nach vorn, um wenigstens kurz das weiche Maul eines der Tiere zu erreichen. Das „Fjordi“ tat ihr den gefallen und senkte den Kopf.

“ Nettes Tierchen, so zuvorkommend!“, dachte ich mir, als die verdammte Mähre mit voller Kraft zuschnappte.

An dem Steuerungshebel war ein Tennisball angebracht, damit er besser ergriffen werden kann. Das nutze der Gaul aus und biss hinein. Im Nu drehte sich das Elektromobil einmal um seine Achse.

Glücklicherweise ist das Rund gleich wieder ausgespuckt worden und das Kreiseln hatte schnell ein Ende gefunden. Es war nichts passiert, die Pferde samt Reiter blieben ganz cool und verabschiedeten sich dann lieber, bevor noch Jemand auf den Geschmack kommt.

Auf der Fahrt nach Hause haben wir die ganze Zeit laut gelacht!

 

¡Manos Arriba!

Kumpel von Sonne, wo macht Nachtschicht, war gerade eben am Himmel erschienen. Ich saß in einem unserer Aufenthaltsräume, als mich ein Auftrag erreichte.

Ich sattelte meinen 9-Sitzer und bog von unserem Parkplatz nach links Richtung Norden ab. Nach 50m erschien am linken Fahrbahnrand eine Person, winkte und lief weiter bis auf meine Spur. Ich musste schon stark bremsen, um eine Kollision zu vermeiden.

Da ich nicht hören konnte, was mir der Gegenüber vermitteln wollte konzentrierte ich mich, anhand der Mimik seines Gesichtes heraus zu bekommen, was sein begehr sei.

Oo, die freie Sicht wurde mir versperrt, denn Zwischen Subjekt und Frontscheibe schob sich eine Pistole. Die nächste Sekunde verbrachte ich damit, zu berechnen, welches Kaliber die Kanone vorzuweisen hatte. Bevor ich mich für KK oder Luftpistole entscheiden konnte , ließ ich den Motor aufheulen und die Kupplung springen!

Meine Gedanken drehten sich nur um die Entscheidung, wer zuerst fällt, er oder ich.

„Mäh ihn nieder!“, schallte es aus sämtlichen Nervenbahnen und ich gab Gas.

Der Typ wankte ob meines 2,5 Tonnen Geschosses, fing er sich sogleich wieder und während ich noch einmal freundlich im Vorbeifahren Grüßte, hieb er Nebenherlaufend ohne Erfolg auf meine Seitenscheibe ein. Ich nahm Deckung, als ob ich mit 100 Klamotten unter tief hängenden Ästen hindurch fahren müsste. Ich hatte ja keinen Helm auf.

Jetzt nur noch an die Bürgerpflicht denken, damit du nicht wie ein Depp da stehst, wenn der Polizist fragt:“ Könne sie den Beschreiben? “

Was ich mir merken konnte:  Männlich, 18-25 Jahre alt, Kaputzenshirt in hellem türkis, weiße Turntreter. Bei der Bewaffnung bin ich mir bis Heute nicht sicher. Ich schaute in kleines, schwarzes Löchlein am Ende eines Rohres mit praktischem Haltegriff. Mein „RAM“ war ansonsten schon wieder formatiert um weitere Maßnahmen einzuleiten.

Ich alarmierte die Zentrale und Kollegen über Funk, bog nach 200m ab und versteckte mich hinter einem Sichtschutz.

„Jetzt ist er bei mir!“, hören ich meinen Kollegen N.Guter aus dem Lautsprecher.

„Wo?“, schrie ich ihm zu zurück.

“ Bahnhofstraße hinter der Kirche!“

Die zweite Portion Adrenalin ließ meine Schläfen anschwellen, mein ganzer Körper war auf Angriff programmiert, der Jagdinstinkt geweckt.

“ Muuussss N. helfen…..Muuussss N. helfen“ dröhnte es in meinem Schädel und ich fuhr dorthin, wo mein Kollege in Bedrängnis war.

Toller Wagen, dieser Trafic, nimmt jede Lenkbewegung sofort an und bringt sie auf die Straße. Ich sehe vor mir das Taxi und  den Freak. Ich blende auf, Hupe, werfe mich ins Geschehen. Der Räuber läuft endlich davon, springt über die Kirchenmauer und ist weg.

Kurzes aufatmen, wie geht es N.? Alles war Gut, keiner hat etwas abbekommen.

Mein Iphone meldet sich. Es ist die Polizeistation Schiffdorf. Die nötigsten Schilderungen werden abgefragt, bestätigt, das schon mehrere Wagen unterwegs zum Tatort wären.

Nach kurzer Zeit fand uns der erste Streifenwagen und wir bezeugten noch einmal das erlebte.

Ein Polizeitransporter traf ein. Die Türen öffneten sich. Ich erkannte einen Deutschen Schäferhund und fühlte mich jetzt erst mal wieder in Sicherheit und umsorgt. Ein warmes Gefühl machte sich in meinem Körper breit. Wir wurden ernst genommen, uns wurde geholfen.

Die Hundestreife machte sich sofort auf, die Fährte aufzuspüren und zu verfolgen und verschwand im Dunkeln zwischen den Gräbern des Friedhofes.

Wir besprachen noch mit den Polizisten, wie wir uns jetzt weiter verhalten sollen und verabschiedeten uns erst einmal.

Zurück in unserem Ruheraum gab es jetzt einen schönen heissen Kaffee. Es wurde eine kurze Manöverkritik abgehalten, bevor wir uns wieder auf die Straßen unseres beschaulichen Pflicht-Fahrgebietes begaben.

P.S.: Es dauerte ein paar Monate, bis ich endlich wieder ohne Angst in diesem Ort sein konnte. Bei den ersten Winkern am Straßenrand hatte ich immer wieder ein mulmiges Gefühl. Zum Glück hat die Zeit nun die seelischen Wunden geheilt. Den Täter hat man leider nicht gefasst, Verdächtige wurden zwar verhört, aber ohne Ergebnis. Das Verfahren wurde eingestellt.