Bis das der Tod euch scheidet

Eben in der Tagespflegeeinrichtung 1000 Jahre eingeladen und über die Gemeinde verstreut.

Einer ist noch über, der Karl-Heinz. Er sitzt gemütlich in seinem Rollstuhl im Fond meines Sprinters, immer noch genau an der Stelle, wo ich ihn vor 25 Minuten angelascht hatte.

Im Rückwärtsgang bugsiere ich das Heck meines Multifunktionstaxis bis vor die Haustür.

Während ich die Rampe in Position bringe und die Verzurrung am Rolli löse, öffnet Karl-Heinzis Frau die Haustür und schaut mir bei der Arbeit zu.
Da fragte sie beiläufig:
„Na, wen bringen sie denn Heute, HerrTaxifahrer?“

Ich bin in diesem Moment gerade damit beschäftigt, Karl-Heinz von der bereits gesenkten Rampe zu schieben, als er fröhlich ausruft:

„Mutti, Mutti endlich Ferien. Hast du mir was schönes gekocht?!“

Seit gut 60 Jahren sind die beiden verheiratet, aber er kann sich nicht mehr an seine Frau erinnern.

Trotzdem legt sie ihre Arme um seinen Körper und begrüßt ihn warmherzig!

Er wechselt nur noch zwischen Mutti oder Omi!

Sie hält tapfer zu ihm. Die Demenz kann keinen Keil zwischen sie treiben.

Ich bewundere sie!

Huch…

Oft genug gerät der Job ein wenig eintönig zu werden. Und gerade dann wirst du wieder eines Besseren belehrt.

Heute hatte ich wie schon öfter, die Pflicht Frau N. Asehoch von ihrer Tochter zurück ins Pflegeheim zu bringen. Ihre Tochter und auch wir Taxifahrer kümmern uns immer rührend um sie, obwohl sie eine alte Hexe ist, die bei jeder kleinsten Unstimmigkeit beginnt zu meckern und zu bellen. Bei ihrer Tochter liegt’s wohl am Verwandschaftgrad und bei uns Fahrern am reichlichen Trinkgeld, das sie noch am Leben ist.

Gestern war sie etwas stiller als gewöhnlich, lag vielleicht auch daran, das ich sie nur leise begrüßt hatte und wie auf einer Wolke ihren Rollstuhl vor mir herschob, ohne auch nur den kleinsten Kieselstein zu touchieren. Nach dem Anschnallen legte ich ihr noch schnell die wärmende Decke über Knie und Unterarme, sagte das wir in einer Minute abfahren und schloss die Hecktüren hinter mir.

Das Pflegeheim ist nur wenige Kilometer entfernt, es dauert nur 3 Minuten, dann sind wir schon da. Der Ausstieg verlief sehr ruhig, ohne die Dame durchzuschütteln. Nur die Decke fiel herunter. Ich hob sie schnell auf und drapierte sie mit einer kurzen Entschuldigung an ihren angestammten Platz.

„HerrTaxifahrer, das war sehr lieb!“, sprach sie leise. Weil ich mich mit meinem Kopf gerade in Schulterhöhe befand, ergriff sie die Chance und zog mich vorsichtig zu sich herüber, machte Anstalten, mich zu „erdrosseln“ und fuhr fort:“Dafür haben sie sich Heute ein Küsschen verdient!“

Und Das nahm ich umgehend in Empfang, bevor ich höflich danken konnte. Es war schon bemerkenswert, solche Worte von der „Teufelin“ zu erfahren!

Hauptsache, sie baggert jetzt nicht täglich…….

„Deep Inside“ oder Der Moloch über der Schulter!

Gestern hatte ich bei Twitter (@herrtaxifahrer) schon angedroht, mich Heute im Blog mit Damenhandtaschen zu befassen. Angeregt wurde ich zum Einen durch einen Bericht des Steffen (@sindsiemeintaxi), zum Anderen durch eigene Erfahrungen.

Diese Tierhaut-Beutel mögen ja in Grenzen praktisch sein, lässt sich darin doch so einiges Nützliches für den Bedarf des täglichen Daseins verstauen.

Allerdings gerät das Leben sofort aus den Fugen, ist der Logistik-Sack nicht in Griffweite, oder gar verlegt! Die Besitzerinnen verfallen unverzüglich in eine hyperaktive Hystherie, sind nicht ansprechbar und laufen Gefahr ob des hochroten Kopfes einem Schlaganfall zu erliegen.

Im Gegensatz dazu wird bei wieder auffinden des Säckchens alles überschüssige Blut in eine Region jenseits der Gürtellinie umgeleitet und leises wollüstiges Jauchzen ist zu vernehmen. Anschließend wird der gesamte Inhalt einer Inventur durch grobes Wägen unterzogen. Der durch leichtes schütteln erzeugte Geräuschpegel lässt auf das Vorhandensein der wichtigsten Inhaltsstoffe schliessen.

Genauso gesundheitsschädlich wie die Angst vor Verlust der gesamten Habe ist der Stress, wenn das gewünschte Utensiel nicht mit dem ersten Griff zu Tage gefördert wird! Langfristig kann das Magengeschwüre und Herzinfarkte verursachen, so ein berühmter Kardiologe.

Eben so trug es sich am gestrigen Tage zu. Pünktlich um 17:30 legte ich an der Tagespflege an, um meine Lieblings-Omas nach Hause zu transferieren. Mit dazu gehört, das ich sie alle aus persönlich aus der Einrichtung abhole und in meinen Sprinter buchsiere. Manche mit Rollstuhl oder Rollator, andere als „Läufer“. Und die obligatorische Survival-Ausrüstung ist selbstredend bei der Überlandfahrt mitzuführen. Die Markennamen einiger sind unter anderen bekannt als „Aldi“, „LIDL“, „Netto“ und damit gehören sie zu der ungefährlichen Sorte, weil nur temporär genutzt und der Inhalt übersichtlich.

Schon die erste Dame, die mit dem klitzekleinen Handtäschchen (ist wirklich das, wie es heißt) bemängelte, als ich ihr unter den Arm griff, das ihre Tasche nicht ja wohl noch nicht mit wäre. Ich hob das Teil mit den ganz dünnen Lederriemen an und schob es vor ihr Antlitz, das zu erwartende zufriedene „Grunzen“ folgte auf dem Fuß! Und das Mädel ist weit über 80,sage ich euch!

Im zweiten Fall war es so, das ich die „GNUHU“* bis zu ihrer Wohnung in den 2.Stock eines Seniorenwohnheims begleiten musste. Ihre Tasche hatte sie immer ganz Nahe am Körper unter dem Mantel, ohne den leichten Druck in der Hüfte stieg ihr Blutdruck immens. Der Marsch vom Transporter führt über einen Fußweg von ca. 75 Metern bis zum Hauseingang und dauert im Mittel 5 Minuten, mit Pausen!

An der Haustür erfolgt dann immer die vertrauensvolle Übergabe ihrer mittelgroßen Tasche, Inhalt 5 Kubikmeter Brutto. Meine Auftrag bestand darin den Zipper zu öffnen, ohne Pause seitlich mit der Hand abwärts zu tasten, bis sich ein weiterer Reisverschluß erfühlen ließ. Dieser war war auch zu öffnen und aus der schmalen Seitentasche konnte ich dann die Schlüssel entnehmen.

Denkste!

Leer das Fach! Die „GNUHU“* sah nach und beauftragte mich nun mittels Probebohrungen und ausnahmsweise auch durch Anwendung von Fracking, das begehrte Objekt zu fördern. Gut das es schon Dunkel war! So konnte ich meiner Fantasie freien Lauf lassen und meine Tentakeln ausfahren um die Tiefen dieser Ausgeburt  zu durchforsten. Vorbei an einer halben Rolle Klopapier streifte ich einen noch nicht prall gefüllten Urinbeutel. Ein Gummihandschuh kam mir in die Quere und ich zog ihn zur eigenen Sicherheit sofort über. Ich passierte eine Erwachsenenwindel, leider nicht mehr Originalverpackt. Etwas blockierte mein Fortkommen. Mein Arm war erst zu Hälfte eingedrungen, den Boden konnte ich also noch nicht erreicht haben! Aaah, Badelatschen. Ich drückte sie beiseite und begann mit kreisenden Bewegungen eine Zufallssuche. Es knisterte. Vorsichtig zog ich ein Bündel 50€-Scheine hervor. Mochten gut 5.000 Öcken sein, wenn die Banderole recht hatte. Schweren Herzens warf ich die Taler wieder hinein und beschritt nun einen um 90 Grad versetzten Versuch zum Boden des Beutels vorzudringen. Dabei rammte ich mit ein Päckchen Nähnadeln unter die Fingernägel. Schmerzerfüllt ballte ich meine Faust und ergriff gottlob ein Lederetui mit den gewünschten Türöffnern!

Wir hüpften vor Freude im Kreis herum erklommen nun noch die 8 Stufen zu ihrer Wohnung und die Odyssee fand so ein glückliches Ende!

Und die Moral von der Geschichte: Ab nächste Woche tragen alle Senioren den Hausschlüssel an einem Band um den Hals. Außerhalb der Kleidung, versteht sich!

 

*Gerade noch unter Hundertjährige

 

Radio Gaga?!

War gerade bei der Tagespflege vorgefahren und holte meine Fahrgäste nacheinander aus dem warmen Aufenthaltsraum und hievte sie in meinen Sprinter.Das dauert täglich 15-20 Minuten, je nachdem, ob auch Rollifahrer dabei sind. Über deren metaphysische Gedankengänge hatte ich schon berichtet.

Ich gurtete gerade Claudinchens Rollstuhl mit  Spezialgurten hinten im Fahrzeug an, da wurde ich Zeuge folgender Kommunikation im analogen Funk:

„piiiieep,püü, tüüt“

„Wer ruft?“

„piiiieep,püü, tüüt“

„Hier Zentrale, wer ruuuhuuuuft?“

„piiiieep,püü, tüüt“

„Zentrale an Alle! Bitte Funkdisziplin einhalten!“

 „Hö,ooohooo.“

Endlich hatte ich den Rollstuhl vorschriftsmäßig vertäut und konnte mich jetzt dem Funk widmen:
„Heinzi, lass bitte das Mikrofon dort hängen und drück bitte nicht wieder den roten Knopf! Das ist kein Spielzeug!“
„Orrrrrrrrrrrr!“, grumpfte der demente Senior eingeschnappt, als ich ihm das Equipment wegnahm.