Endogenes Morphin

Wow, das hatte ich schon lange nicht mehr! Ausnahmslos gutgelaunte Fahrgäste und Kollegen, freie Strassen, grüne Ampeln, schönes Wetter, uswusf.

Ich bin völlig erledigt von dem Hochgefühl den ganzen Tag. 

Und dann zum Schluss noch Dieses:

„Sorry, aber mein Kumpel wollte nicht bleiben, war ihm zu lang, die Wartezeit und er ist hinten raus durch den Wald, aber er hat mir diesen Zwanziger für dich dagelassen. 

Schmerzensgeld hat er gesagt!“

Kaum auszuhalten dieses Glücksgefühl! Auah!

TGIF 

Verhandlungssichere Kundin

Am Fahrtziel angekommen blinzelte sie auf das Taxameter und rümpfte die Nase, setzte sich aufrecht, zog den Bauch ein und präsentierte das Dekolletier:

„Hey Taxifahrer, mach’ste `nen Festpreis!?“

Ich schaute kurz auf die roten Ziffern. Dort stand der Betrag: € 23,50. So eine schwierige Frage kurz vor Sonnenaufgang, wie sollte ich da bloß rauskommen. Wer kann sich da denn noch gut konzentrieren und schlagfertig sein? Etwas frech antwortete ich ihr knapp:

„Macht dann genau € 25,00!“

Sie öffnete ihre Geldbörse, zog einen Fünfziger heraus und sagte:

„Danke das du so nett bist! Mach 30!“

Kopf—–>Lenkrad

Überstunde*

*Eine tragisches Stück in drei Absätzen

Ein Stammkunde wollte nach dem 6-Tage-Rennen in Bremen mit dem Zug anreisen und gegen 2:00 am Bahnhof abgeholt werden. Er würde ggf. rechtzeitig absagen. Für den Fall, das er „versacke“, stellte er ein großzügiges Trinkgeld in Aussicht.

Pünktlich bezog ich am vereinbarten Ort Position, freute mich auf einen gutgelaunten Fahrgast und lauschte noch etwas den Spätnachrichten. Die hörte ich nun schon zum vierten Mal diese Nacht, weil in mir die Hoffnung schlummerte, das so spät vielleicht Irgendwo irgendein deutscher Politiker mit Anstand wach sei, daran arbeite, wie diesem Herrn Trump Paroli zu bieten sei. Die Nachrichten brachten dazu nichts Neues. Der Zug ist noch nicht eingefahren, ich checke den Fahrplan mittels meiner DB-App. Jetzt genau sollte der Zug….., „ach schau her, die Ampel schaltet auf Rot und die Schranken senken sich!“

Das Handy bimmelte. Der Stammgast war dran. Er sei quasi „in den Zug gestürzt“, „ein Wunder das er noch sprechen könne“! Die Ärzte leisteten ihr Bestes und da er die Nacht in Bremen im Krankenhaus verbringen müsse, täte es ihm leid, meine Dienste nicht mehr beanspruchen zu können. Ich kondolierte höflich und machte mich vom Acker.  Durch gefrierenden Nebel im Hollener Kamp fuhr ich in  den wohlverdienten Feierabend. Bin gespannt, ob er sich Morgen noch an seine o.a. „Vertragsstrafe“ erinnert.

 

Freud zu Leid

Zwischen den Jahren, 22:30.

„Schön das du da bist, um diese Uhrzeit. Ihr Taxifahrer seid die Besten, immer da, immer bereit! Danke!. Bitte zuerst meinen Kumpel abholen und dann nach Bremerhaven, gibt auch ordentlich Trinkgeld!

Erfreut über soviel Empathie setzte ich mein strahlendstes Lächeln auf und entschied mich für den hochherrschaftlichen Fahrstil, d.h. Kurven sind großzügig zu schneiden, es ist weich zu Beschleunigen als sei die Queen oder Dynamit an Bord! Bremsen, so sanft, das der Fahrgast nicht mit dem Kopf nicken muß. Abstand halten, das man den Vordermann nur so eben erblinzeln kann und Vieles mehr.

„Fährst aber Autobahn, ne!“

„Sichi, Autobahn, sehr gern!“

Mit seinem Kumpel erreichte ich die A 27 Richtung Norden und mir wurde geheissen, etwas auf die Tube zu drücken.

„Jetzt mal „Kickdown“, hier kannste ruhig 160 (erlaubt 120) fahren!“

Jaja. Ich beschleunigte auf 120 km/h und erkundigte mich, welche Abfahrt es sein dürfe.

*nix*

„Welche Abfahrt, oder wo hin?!“

*nix*

Als wir soeben die Abfahrt „Süd“ verpasst hatten wurde der „Kumpel“ auf einmal wach und frug wiederum seinen Kumpel:“ Wollten wir nicht zum“ Krons Eck“?“

„Äh, ja klar. Taxifahrer, fahr einfach die Nächste ab!“

Bis hierhin war es nur ein kleiner Umweg von drei Kilometern gewesen. Nach einem kurzen Stop an der Sparkasse erreichten wir das Ziel.

„Geschlossen! Warum sagst du nicht Bescheid, du warst doch bestimmt schon hier Heute, Taxifahrer!?“

„Nein, bisher wollte Heute Keiner hier her!“

„Dann zur Lessingstrasse!“

In der Strasse mit den käuflichen Mädels angelangt, zeigte das Taxameter genau € 59,50. Mir sackte das Herz in die Kniekehlen. Das ist eine verdammt ungünstige Konstellation. Ein sehr hoher Fahrpreis, für eine Strecke, die auf dem direkten Weg vielleicht nur die Hälfte betragen hätte und Aussicht auf nur € 0,50 Trinkgeld bescherte. Und das bei all meinen Bemühungen eine perfekte Tour hinzulegen.

Und was dann geschah, hätte der HerrTaxifahrer sich nicht besser ausdenken können, weil das so bescheuert war, das glaubt keiner!

„Mach 50!“, sagte der Fahrgast jovial und reichte mir den passenden Schein.

Und dann dauerte es etwas. Von Außen betrachtet hätte sicher Jedermann angenommen, wir würden an der „Mannequin Challenge“ teilnehmen und unsere Bewegungen absichtlich für einen Moment eingefroren haben.

Das war es aber nicht, denn fast hätte ich meinem Fahrgast gedankt und wäre weggefahren. Mit einem 10er Verlust. Zum Glück hatte mich der zweite Blick auf das Spiegeltaxameter gerettet und meine rationale Gehirnhälfte hatte den Fehler festgestellt.

„Mein Herr, es sind € 59,50, ich bekomme noch weitere € 9,50 von Ihnen!?“

„Taxifahrer, das kannste vergessen. Fährst uns hier wild durch die Stadt und willst mich jetzt abzocken!?“

In diesem Moment griff der Kumpel von Hinten ein, reichte mir einen Zehner und sie verschwanden. Und in diesem Moment erinnerte ich mich zum Glück an einen Vorsatz, den ich mir zu Beginn der letzten Silvesterschicht gefasst hatte:“1

 

Und die Moral von der Geschicht!?:

„Trau angetrunkenen Fahrgästen nicht!“

 

Schichtbeginn, den man nicht braucht!

Gleich  beim ersten Auftrag gab es  ein Mißverständnis. Ein Kollege hatte meine Fahrgäste eingeladen und als ich eine Minute nach ihm dort eintraf, begegnete  ich eben  den eigentlich ihm zugedachten erzürnten Fahrgästen. 

„Unverschämtheit, unfähig, dumm, faul!“,so sei er, der durchschnittliche Taxifahrer.

Ich ludt die Gruppe trotz weiterer Beschimpfungen ein, in der Hoffnung, das Palaver würde damit beendet sein. Ich täuschte mich, der Mann atmete heftig und seine Stimme überschlug sich, als einer der anderen Fahrgäste mich bat, sofort anzuhalten!

Zu meinem Erstaunen zerrten zwei Leute aus dem Fond meinen Sitznachbarn aus dem Taxi und ließen ihn protestierend auf dem Bürgersteig zurück.

„Weiter, jetzt haben wir endlich Ruhe. Der hat schon den ganzen Tag genervt!“

Mit einem breiten Grinsen setzte ich den Blinker. Fast hätte ich vor Freude geweint!

Nein hätte ich nicht, aber es war wirklich sehr schön und Trinkgeld gab es für den blöden Fahrer auch noch reichlich. Hatte sich doch gelohnt, die Tour anzunehmen!

Knolli

Das wunderte mich doch echt sehr, das die Kollegen den Herrn Professor Knoll regelmäßig anstandslos und ohne Widerworte transportierten, um in  hinterher immer ziemlich heftig zu mobben und als schwierigen, sehr schwierigen Fahrgast zu outen.  Bei regelmäßigen Rolli-Touren wäre zumindest anstandshalber eine Augenbraue verzogen worden, weil so ein Auftrag in der Tat zusätzlichen „Streß“ bedeutete. Nicht so bei Knolli. Mit gespielter Leichtigkeit wurde der Auftrag als „normal“ befunden, nicht ohne auf seine angetraute Glucke hinzuweisen, welche die Fahrer ständig gängeln würde. Man solle Acht geben, vorsichtig und aufmerksam an die Sache rangehen und die Ausfälle seines holden Weibes ertragen.

„Oh, da bimmelt das Handy. Jaaaa, Okay,…..,jaaaaa, Okay, Jaaa, wie immer auf Rechnung, ja gern, bis gleich!“

Es hatte mich erwischt! Es war der Knolli. Einmal in die Stadt und später wieder nach Haus wollte er. Und sie auch. Ich bereitete mich auf der kurzen Anfahrt auf alle möglichen Varianten der Pöbelei vor, checkte die Ausrüstung, Sauberkeit, Moral, Fahrtstrecke. Alles Perfekt, allerdings war die Moral etwas zierlich, von wegen kleinem Köddel in der Hose, wegen dem Frauenzimmer und so. Soll so ein richtiger Besen sein. Den letzten Fahrer hatte sie angeblich auf der Rückfahrt verspeist, …mit Knochen!

Die Kollegen winkten mir noch hinterher, riefen:“Viel Glück!“ und „Komm Heil wieder!“ und „Soll ich nicht für dich fahren, ich mach das für dich!?“

Den letzten Satz hatte ich nicht verstanden, war schon um die Ecke unseres Zentralen-Gebäudes gebogen und summte eine bekannte Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Das Pärchen stand, bzw. saß schon in seiner Hofeinfahrt. Ich stieg schnell aus dem Wagen, um ja der Erste an der Heckklappe zu sein. Allzu oft war das der Anlass für die Beschwerde Nummer Eins – ein schmutziger Griff – !

Sie bewegten sich jedoch nicht, sondern schauten mir ganz ruhig zu, während ich die Rampe herunterklappte, die Befestigungsgurte zurechtlegte. Ganz nebenbei Begrüßten wir uns ausgesprochen höflich. Ich sprach sie mit Namen an, sie mich mit HerrTaxifahrer, ganz einfach.

Als ich den Einstieg für den Rolli vorbereitet hatte, ließ sie ihren Mann stehen und machte sich auf den Weg zur Beifahrertür.

„Owei!“

Mit einem gewagten Sprung und Rolle über die Haube konnte ich ihr gerade noch rechtzeitig die Tür aufhalten. Dabei hatte ich mir meine rechte Schulter leicht ausgerenkt und der Schmerz war kaum zu verbergen. Ich riss mich zusammen!

„Dankeschön!“, sagte sie, nachdem ich ihr den Gurt gereicht und die Sitzhöhe, sowie Rückenlehne angepasst hatte. „Der Bann ist gebrochen!“, dachte ich mir im Stillen und schickte mich an, den Rollstuhl nach allen Regeln der Kunst und mit routinierter Geschicklichkeit einzufahren und den Fahrgast zu sichern.

„Haben sie das gelernt, sie machen das so schnell?!“, rief sie von vorn.

So ein Mist, ich hatte mich täuschen lassen. Jetzt würde es losbrechen, das Höllenfeuer der Belehrungen.

„Sie machen das sehr gut!, fügte sie hinzu.

„Pfffffffffffffff!“, atmete ich leise aus.

Ich hatte mir die Route vorher genau angeschaut und mich unter Berücksichtigung der Pflasterung und Abnutzung der Straße, im Verhältnis zum Komfortverlust und unter Einberechnung der Fahrtkosten für die Strecke über die Autobahn entschieden.

„Wo fahren sie denn lang!?“

War mir klar. Mußte kommen. Sie reklamierte die Fahrtstrecke. Ich erklärte ihr kurz meine Entscheidungsgründe um den  um € 0,90 erhöhten Fahrpreis zu rechtfertigen.

„Das ist aber nett!“ sagte sie mit einem Lächeln.

„Häh? Will die mich veräppeln. Spart die sich ihre Ausfälle für die Rückfahrt auf? Würde ich ihr schmecken?“ Fragen über Fragen schossen mir durch den Kopf. Als ich mit Denken fertig war, hatte ich Knolli schon ausgeladen. Ich wollte mich gerade verabschieden, da teilte sie mir die Zeit für die Abholung mit, nicht ohne mir mit einem spitzbübischen Zwinkern zu signalisieren, das meine Stunde schon noch schlagen würde! Sie wandte sich um und schritt hinfort, ich starrte hinter ihr her, bis etwas an meinem Arm zupfende meine Aufmerksamkeit forderte. Knolli drückte mir eine Handvoll Münzen in die Hand. „Hier, ein kleines Dankeschön. Ich weiß ja nicht, ob sie uns wieder abholen!“

Er wollte mir Geld zustecken. Da ich meine Hand etwas verkrampft war, wegen der psychischen Anspannung, fiel eine Münze auf den Boden, rollte über den Asphalt auf einen Gulli im Rinnstein zu. Ich stolperte über die noch ausgefahrene Rampe und blieb mit dem rechten Auge an der Flügeltür des Caddy hängen, konnte das Geldstück aber im Fallen noch erhaschen. Der Bürgersteig war zu der Zeit zum Glück nur mäßig verschmutzt und meine Hose war eh`mit der Wäsche dran. Das winzige Loch am Knie könnte ich als – das ist modern – verkaufen!

Zurück zur Mission. Sollte das etwa Fluchtgeld sein. Sollte er mir damit sagen wollen, ich möge das Land so schnell als machbar verlassen? Völlig verunsichert fuhr ich bei der nahe gelegenen Raststätte „Zur Goldenen Möwe“, meinem allerliebsten amerikanischen Schnellrestaurant vor, um meine Henkersmahlzeit einzunehmen. Meine Schulter wurde heiß und das Blut pochte in den entsprechenden Adern. Das Auge war leicht geschwollen, ich konnte die Speisekarte aber mühelos lesen. Kein Problem für mich soweit.

„Ich muß durchhalten!“

Sie kam, wie sie kommen mußte, die Rücktour. Da mir die Vorlieben nun bekannt waren, richtete ich mich von vorn herein darauf ein. So, wie sich die Hinfahrt gestaltete, so verlief auch die Heimreise. Lauter Nettigkeiten wurden ausgetauscht, ein Resümee des Erlebten gezogen und Freundschaft geschlossen, jedenfalls soweit das in einem Taxi zwischen dem Fahrer und zwei Hundertjährigen möglich ist.

Beim Lösen der Verriegelung für die Rampe klemmte ich mir den Zeigefinger der linken Hand so stark, das die sich bildende Blutblase im nächsten Moment aufplatzte und sich der Lebenssaft auf meinem schönen neuen Poloshirt niederließ! Ich verzog keine Miene und setzte meine Arbeit fort. Im Dunkeln würden die Beiden die Bescherung hoffentlich nicht bemerken. Dabei achtete ich jetzt ganz besonders auf Frau Knolli, um gegebenenfalls ihre Angriffe parieren zu können.

Da öffnete sie ihre Handtasche und zog einen schwarzen Gegenstand heraus, einen Totschläger oder eine Pistole, jedenfalls etwas, das sie mit einer sehr geübten, flüssigen Bewegung handhabte. Ich richtete mich schnell auf und blieb dabei mit dem Gesäß an einem Befestigungshaken hängen. „Rrrrritsch“!, schönen Gruß vom Achterdeck, das Beinkleid hatte ein tragisches Leck erhalten, welches wiederum nicht  ganz einfach als die „Neue Mode“ zu erklären sein würde.

Aus ihrem Geldbeutel überreichte die Dame mir einen Zehner. Das wäre für den guten Service und ich solle mir dafür etwas schönes kaufen. Vorsichtig, wie ein zu zähmendes wildes Tier, ließ ich mir den Schein auf die Hand legen. Nichts weiter geschah. Sie gingen/rollten ihres Weges, winkten, lächelten und weg waren sie in ihrem Haus.

„Siehste, halb so schlimm die Leute!“, sagte ich mir, meinen geschundenen Körper betrachtend. Die Kollegen wollten nur das schöne Trinkgeld für sich haben, aber denen würde ich Was erzählen!

Im Pausenraum der Zentrale saßen sie dann auch, wie die Orgelpfeifen auf unserem roten Ledersofa aufgereiht, gespannt zu erfahren, wie es zu meinem desolaten Zustand kommen konnte.

Ich berichtete von der grausamen Alten, wie sie mich geschlagen und gestoßen hätte. Auch wie mir der Mann in die Hacken gefahren sei, um mich zu Fall zu bringen, nur weil ich die Fahrtstrecke einmal etwas abgewandelt hätte. Der Stich ins Auge mit dem Gehstock, weil ich zu langsam gefahren bin, und so weiter und so weiter. Und geizig seien sie auch.

„Rechnungsfahrt, ihr kennt das!“

Aber, so Beschied ich den Kollegen, ich würde es immer wieder machen.

„Ist ja schließlich ein ganz normaler Fall, der Knolli, nur seine Frau, da ist drauf zu achten!“

So ungefähr sah mein Auge noch Wochen später aus. (Beispielsbild, aufgenommen in der "Alten Bürger" in Bremerhaven)

So ungefähr sah mein Auge noch Wochen später aus. (Beispielsbild, aufgenommen in der „Alten Bürger“ in Bremerhaven)

Trinkgeld, das unbekannte Wesen

Am vergangenen Sonntag wurde ich zum Schützenfest gerufen, einen Bus voller Kameraden aus dem einem befreundeten Verein abholen.

Wie üblich , falls Zeit dafür war, fuhr ich etwas früher zum Abholort. Ab und an sind die Fahrgäste froh, sehr pünktlich loszukommen und ich bin schneller wieder frei für weitere Aufträge. Treffpunkt sollte die Kneipe gegenüber sein. Ich parkte mein Taxi in Abflugrichtung und schon riss einer die Beifahrertür auf:

„Bist du das bestellte Taxi?“, fragte der junge Mann in Schützenmontur.

„Nein, ich bin Major Cliff Allister McLane, Kommandant des Schnellen Raumkreuzers Orion. Hast du die Tamara gesehen, wir gehen heute Frogs jagen?!“

„Ja, ich warte auf…“.

Weg war er! Aus dem innern des Biertempels schleppte sich ein sechsbeiniges Monster an meinen Bus, teilte sich, jedoch nicht wie gewöhnliche Zellkerne in Zwei, sondern in drei Teile auf. Die beiden äußeren schubsten das Mittlere zu mir in den Wagen.

„Der will nach Hause! Er wohnt $daundda! Ist gleich um die Ecke!“

Das war jetzt nicht so meine Schützentruppe, aber es war ein sehr seltener Fall von korrekter Ansage der Entfernung zum Fahrziel. Nach Berliner Tarif entspricht die Entfernung einer viertel Kurzstrecke, so etwa 500m. Das passte noch vorzüglich in meinen Terminkalender.

Der Fahrgast entpuppte sich während der Tour als ganz ruhiger Zeitgenosse. Er schlief sofort ein und wachte nach genau 45 Sekunden, als ich vor seiner Türe stoppte, wieder auf. Offensichtlich sehr erfreut nicht gelaufen zu haben müssen und auf wundersame Weise hierher gelangt zu sein, legte er fröhlich zu den 5 € Fahrpreis noch 5 € Trinkgeld oben drauf. Selber erfreut von dem unerwarteten Geldsegen suchte ich erneut die Gaststätte auf.

Der Wirt erwarte mich schon und rief mir zu, das meine Leute wegen des eingesetzten Regenschauers im Zelt an der Schützenhalle warten würden. Flugs stellte ich die Weichen und bugsierte mein Taxi rückwärts auf den Festplatz.

6 Brüder und Schwestern der schiessenden Zunft stiegen zu und ich nahm Kurs auf, zum $dorfhinterdensiebenkanälen . Da solche Vereinsleute oft pingelig sind, hatte ich jeden Meter der Fahrtstrecke ausgemessen, um auch wirklich keinen Zentimeter Umweg zu produzieren. Denn, Trinkgeld bei Clubfahrten zu erarbeiten ist ein hartes Stück Arbeit und Lust kann schnell in Frust umschwenken, wenn die ganze Horde brüllend über dich herfällt, weil du eine einzelne Kurve nicht vernünftig geschnitten hast.

„Hausnummer 25 in $dorfhinterdensiebenkanälen, wir steigen alle dort aus!“

„Prima, dann können wir los!“ meldete ich mich startbereit. Noch bevor ich das Taxameter einschalten konnte, schaute mir mein Sozius tiiiiiieeeef in die Augen.

„Fährst aber $trampelpfad, is‘ doch klar, `ne!“

„Och nöö, eigentlich und so und so ist das nicht so toll, aber ich mache das für euch!, log ich schleimend zurück. Der Wirtschaftsweg ist eine legale Abkürzung zwischen zwei Dörfern auf unserer Route, aber das wissen die Wenigsten. „Trinkgeld ich komme!“, dachte ich mir.

Am Ziel zeigt die Uhr €44,90. Hätte ich die Normalstrecke gewählt, stünden da jetzt € 50 oder mehr. Wäre ich Fahrgast, hätte ich „50“ gesagt!

„Mach 45, du hast uns sicher nach Haus gebracht, vielen Dank!“

Und es mußte ihm sichtlich schwer gefallen sein, denn er kramte die Scheine abgezählt aus dem vereinseigenen Geldbeutel. Ich spürte förmlich, als er mir den letzten 5er übergab, das er überlegte, ob und wie er diese Sonderausgabe von 10 Cent bei der Jahreshauptversammlung rechtfertigen würde können!

Lange Rede kurzer Sinn. Einmal mehr ein Beispiel, das Trinkgeld nicht kalkulierbar ist, sondern völlig willkürlich und ohne Relation zur Fahrleistung gegeben wird. Die 8-10% – Regel kennen die Leute hier auf dem Dorf nicht.  Ist eh schon sehr teuer hier mit dem Taxi zu fahren, da muss der Chauffeur eben auf Glücksmomente, Sternenkonstellationen oder erheblichen Alkoholkonsum bei seinen Fahrgästen setzen, um an seine sauer verdiente freiwillige Bonuszahlung zu kommen!

 

Ende – Aus – Arbeitslos

Gott – wer auch immer – erschuf den Mann und er sah, das sein Werk gut gelungen ward. Nun erschuf er eine Frau und der Mann ward unglücklich und weinte bitterlich.

Da erschuf Gott den Alkohol!

Angefangen hat Es mit einem Anruf kurz vor Feierabend. Eine Frau mit osteuropäischen Akzent bestellte mich nach Loxstedt, ins Industriegebiet. Da stünde ein gelber LKW, einmal zur Shell-Tankstelle.

Diese Toure war nicht gerade das Salz in der Suppe, weil ich in Gedanken schon bei der Abrechnung saß und allein die Anfahrt 15 Kilometer betrug. Aber mich interessierte, was eine Frau Nachts um halb Eins in einem Laster so tut und machte mich auf den Weg.

Das Gewerbegebiet am Wedenberg ist überschaubar, so fuhr ich ein paar Straßen ab, stellte fest, das alle Brummis in dieser Nacht gelb sind, parkte und rief die Frau an.

„Wissen sie, der LKW steht gegenüber der DPD- Niederlassung!“

„Aha!“

Der 40-Tonner befand sich tatsächlich ganz woanders. DPD hat sich im Gewerbegebiet „Loxpark“ angesiedelt und das befindet sich neben der Autobahn 27 in Stotel. Kann ja mal passieren. 7 Kilometer weiter fand ich endlich das gelbe Ungetüm. Es begrüßte mich mit einem freundlichen Fernlicht-Angriff und als es dann auch noch sein Typhon betätigte war ich endlich wieder richtig wach!

Ein einsamer Exil-Russe krabbelte aus dem Häuschen hinab und stakste zu meinem Taxi und stieg ein.

„Wo ist die Frau?!“

„Weiß i nix Frau, Frau nur Tellefonn!“

Er hatte eine leichte Fahne und mir wurde ganz schummrig, als er mir mitteilte, dringend mehr Alkohol zu benötigen, der Vodka sei alle!

„Ob er denn noch fahren müsste, am Morgen“?, erkundigte ich mich fürsorglich, erntete dafür ein surreales Grinsen, Zähne wie Kohle aus dem Tagebau lugten hervor, als erblickten sie das erste Mal das Licht der Welt.

„Muuss garr nix. Morgen arbeislos. Meine Babuschka chat gesag, mach dir eine scheene Abend!“

Er erzählte mir, das er sich nicht mehr ausbeuten lassen wolle, deshalb würde er die letzte Nacht im Wagen schlafen und Morgen im Laufe des Tages bei seinem ehemaligen Arbeitgeber abstellen. 6 Jahre lang sei er 15 Stunden am Tag gefahren und hätte nicht einmal einen Tag Urlaub bekommen. Nun würde er sich selbst einen Zugfahrzeug kaufen und selbstständig arbeiten.

Bevor wir losfuhren, bat er mich, zur Postbank nach BHV-Lehe zu fahren, etwas Geld ziehen und dann zur Tankstelle Shell. Ich suchte nach einer näher gelegeneren Postbank und wurde ins Wulsdorf fündig. Ein Unterschied von € 35,00, ich wollte nicht, das er zu dem sowieso schon teuren Bier auch noch Geld für Umwege aus dem Fenster würfe. Und eine Tanke sei auch in der Nähe am Fischereihafen.

Ich hielt direkt an der Postbank in der Weserstrasse, gegenüber des „Deutschen Hauses“. Eine Kneipe, die bessere Zeiten und Menschen gesehen hatte. Prompt krochen 2 Gestalten dort heraus und wollten mein Taxi kapern. Geistesgegenwärtig verriegelte ich die Türen in letzter Sekunde.

Durch die etwas geöffnete Scheibe blies mir der eine seinen nach Kotze riechenden Atem entgegen, so als müsse er beweisen, das er schon „leer“ sei. Konnte man auch leicht erkennen, denn er hatte sich vom Hals bis zu den Stiefeln besudelt.

„Fa mich na Hause, das andere Taxi wollte mich nich mitnehm!“

Was war ich froh, als mein Russe mit Bargeld in der Hand auftauchte. Ich rückte einfach langsam 2 Meter vor, damit die Heinis nicht an den Türgriff kämen, lud meinen Fahrgast und brauste gen Norden davon.

Beladen mit einem 6-er Träger Becks „Grün“ fuhren wir zurück zum LKW. Er riss die Pappe auf, entnahm eine Flasche und öffnete sie problemlos mit den Zähnen, ohne auch nur hinzuschauen oder die Flasche besonders knifflig anzusetzen. Einfach so, *plopp*!“

Ich erfuhr alles über die korrupten Arbeitgeber, die loyalen Fahrer und den ewigen Druck nach Pünktlichkeit. 12 Jahre sei er auf dem Bock, nun werde er nur für sich und seine Familie fahren. Er würde zwar noch weniger zu Hause sein, aber dafür mehr Geld einfahren können.

Die Tour kostete am Ende fast € 50,00 und bezahlt wurde ich mit drei frischgedruckten 20ern, wovon ich das Wechselgeld behalten sollte.

Da stelle ich mir immer wieder die Frage:

„Was zum Teufel macht, das immer die „armen“ Menschen so gutes Trinkgeld geben!?“

„Viel Glück und weiterhin Gute Fahrt!“, wünschten wir uns gegenseitig.

Aus der Ferne ertönte noch einmal das Horn, es klang flehend und weit entfernt  – *blöoork* – wie bei einem Dampfer im Nebel auf See!

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