Schon wieder:“Die Gemütsschwankungen!“

Immer, wenn ich die Zentrale – vom Auto aus, ab ca. 22:00, an Wochentagen – übernehme, gibt es diese oder so ähnliche Vorgänge:

Völlig betrunkener Kunde/In, offensichtlich ein familiäres Problem habend, wünscht meine Dienste.

Anruf 1:

*flenn,heueeel,schnief* „Ich muß ganz schnell wo hin, kannste schnell kommen, er liegt im Sterben, ich habe auch Geld für die Fahrt!“

*mit tiefer, beruhigender und mitfühlender Stimme* „Machen sie sich fertig, ich bin sofort da!“

Klar, das ich mir statt loszufahren, erst einmal die ganze Lebensgeschichte, welche zu diesem Fahrauftrag führe, anhören mußte.

Kurz bevor ich mein Ziel erreichte:

Anruf 2:

*flenn, rotz, schnief, heueeeeeeeel* „Kannste 1 Stunde später kommen?! Es kommt noch einer mit, auf den muß ich warten! Mir ist egal was das kostet, auch wenn es hundert Euro sind, mir alles egal. Du mußt ja auch leben!“

Sehr löblich, das mit dem Geld! Aus Erfahrung gehen solche Ansagen immer total in die Hose, deshalb beschwichtigte ich, tröstete und sagte, das ich nur den normalen Tarif berechnen würde, ich wolle doch diese Notsituation nicht ausnutzen.

Nach einer Viertelstunde:

Anruf 3:

*schnief, schnief, schnief* „Du, ich bin’s?! Ich wollte dir nur sagen, das ich besoffen bin und du sollst mir das bitte nicht ankreiden, ich bin völlig daneben, aber bitte nimm mir das nicht übel!“ *schnief*

*säusel,lüg* „Aber nein, das ist mir alles völlig egal. Du hast genügend Sorgen und da ist das völlig normal, das man zur Beruhigung Einen trinkt!“

*schief, schnauzt* „Danke, das ist lieb. Erinnere mich, das ich dir auf jeden Fall € 50,00 extra gebe, weil du so nett bist. Entschuldige noch Mal!“

So einen Schein hätte der Taxifahrer gern. Jedoch meldete sich sofort mein Gewissen und wiederholte, das das auf keinen Fall akzeptabel sei!

Nach einer weiteren Viertelstunde.

Anruf 4:

*räusper,hust* „Du brauchst nicht mehr kommen. Stirbt nicht! Aber wenn es OK ist, kannst du mir eine Rechnung schreiben, über die Fahrtkosten und so weiter, du weist schon! Ich mache das wieder gut. Ganz sicher. Versprochen. Du bist so lieb, HerrTaxifahrer, danke, danke,danke!“

*leise in mich rein stöhn* „Ist schon gut, lassen wir es dabei. Du hast schon einen schrecklichen Abend gehabt. Ich möchte nichts dafür!“

Was ein erhebendes Gefühl, eine so ritterliche, uneigennützige Tat von mir! „Der Gott, das Karma, oder so etwas ähnliches wird es mir vergelten!“, dachte ich mir, nach oben zum sternenklaren Himmel blickend. Fast hätte ich vor Glück geweint.

Nein doch nicht!

Es ist 0:37, ich stehe am Bahnhof und warte auf einen Kunden. Er war schon ausgestiegen und kam auf mich zu.

Anruf 5:

*nuschel* „Jetzt ein Taxi in die andere Richtung. Mein Kumpel muß wieder nach Hause!“

*stöhn* „Kann leider nicht gleich, muß erst no……“

*motz, moser,schimpf* „Sag mal, wie redest du mit mir!? Ich brauch jetzt ein Taxi, egal wie du das hinkriegst!“

*erklärbärstimme* „Ich muß erst meinen Fahrgast hier nach Hause bringen, dann komme ich zu dir, OK!?“

*maul* „Willst mich veräppeln, warum laberst du mich jetzt voll? Erst hast du den ganzen Abend Zeit und jetzt auf einmal nicht mehr!? Nee, ich verzichte und ruf woanders an. Und deine € 200 von vorhin kannste dir jetzt erst recht abschminken. Ich hab das Geld hier, aber das haste verspielt!“ *klick*

„Uff!“

Leider nicht das erste Mal, das ein lohnendes Geschäft wie eine Seifenblase platzt. Schön finde ich immer wieder diese Steigerung ins Gegenteil. Einziger Unterschied zu sonst waren die fehlenden Schimpfwörter. Na gut, wenigstens hatte ich mir von Beginn an keine Hoffnungen gemacht.

Und das Karma für meinen guten Willen, das kann Er/Sie mir nicht nehmen!

 

Schönes Wochenende!

 

 

 

Freud zu Leid

Zwischen den Jahren, 22:30.

„Schön das du da bist, um diese Uhrzeit. Ihr Taxifahrer seid die Besten, immer da, immer bereit! Danke!. Bitte zuerst meinen Kumpel abholen und dann nach Bremerhaven, gibt auch ordentlich Trinkgeld!

Erfreut über soviel Empathie setzte ich mein strahlendstes Lächeln auf und entschied mich für den hochherrschaftlichen Fahrstil, d.h. Kurven sind großzügig zu schneiden, es ist weich zu Beschleunigen als sei die Queen oder Dynamit an Bord! Bremsen, so sanft, das der Fahrgast nicht mit dem Kopf nicken muß. Abstand halten, das man den Vordermann nur so eben erblinzeln kann und Vieles mehr.

„Fährst aber Autobahn, ne!“

„Sichi, Autobahn, sehr gern!“

Mit seinem Kumpel erreichte ich die A 27 Richtung Norden und mir wurde geheissen, etwas auf die Tube zu drücken.

„Jetzt mal „Kickdown“, hier kannste ruhig 160 (erlaubt 120) fahren!“

Jaja. Ich beschleunigte auf 120 km/h und erkundigte mich, welche Abfahrt es sein dürfe.

*nix*

„Welche Abfahrt, oder wo hin?!“

*nix*

Als wir soeben die Abfahrt „Süd“ verpasst hatten wurde der „Kumpel“ auf einmal wach und frug wiederum seinen Kumpel:“ Wollten wir nicht zum“ Krons Eck“?“

„Äh, ja klar. Taxifahrer, fahr einfach die Nächste ab!“

Bis hierhin war es nur ein kleiner Umweg von drei Kilometern gewesen. Nach einem kurzen Stop an der Sparkasse erreichten wir das Ziel.

„Geschlossen! Warum sagst du nicht Bescheid, du warst doch bestimmt schon hier Heute, Taxifahrer!?“

„Nein, bisher wollte Heute Keiner hier her!“

„Dann zur Lessingstrasse!“

In der Strasse mit den käuflichen Mädels angelangt, zeigte das Taxameter genau € 59,50. Mir sackte das Herz in die Kniekehlen. Das ist eine verdammt ungünstige Konstellation. Ein sehr hoher Fahrpreis, für eine Strecke, die auf dem direkten Weg vielleicht nur die Hälfte betragen hätte und Aussicht auf nur € 0,50 Trinkgeld bescherte. Und das bei all meinen Bemühungen eine perfekte Tour hinzulegen.

Und was dann geschah, hätte der HerrTaxifahrer sich nicht besser ausdenken können, weil das so bescheuert war, das glaubt keiner!

„Mach 50!“, sagte der Fahrgast jovial und reichte mir den passenden Schein.

Und dann dauerte es etwas. Von Außen betrachtet hätte sicher Jedermann angenommen, wir würden an der „Mannequin Challenge“ teilnehmen und unsere Bewegungen absichtlich für einen Moment eingefroren haben.

Das war es aber nicht, denn fast hätte ich meinem Fahrgast gedankt und wäre weggefahren. Mit einem 10er Verlust. Zum Glück hatte mich der zweite Blick auf das Spiegeltaxameter gerettet und meine rationale Gehirnhälfte hatte den Fehler festgestellt.

„Mein Herr, es sind € 59,50, ich bekomme noch weitere € 9,50 von Ihnen!?“

„Taxifahrer, das kannste vergessen. Fährst uns hier wild durch die Stadt und willst mich jetzt abzocken!?“

In diesem Moment griff der Kumpel von Hinten ein, reichte mir einen Zehner und sie verschwanden. Und in diesem Moment erinnerte ich mich zum Glück an einen Vorsatz, den ich mir zu Beginn der letzten Silvesterschicht gefasst hatte:“1

 

Und die Moral von der Geschicht!?:

„Trau angetrunkenen Fahrgästen nicht!“

 

Selbst gemachte Leiden

Weis der Teufel, weshalb ich mich immer wieder auf Kunden einlasse/verlasse, die eben schnell wo hin möchten, völlig simple Angelegenheit, nur eben einschieben, ruckzuck, gibt auch `nen Euro Trinkgeld!

Gestern Abend in Loxstedt. Es ist 24:00. Es bimmelt das Handy.

Ein Taxi in die „adelige“ Straße bitte. Wir wollen in die Nachtschicht!

Ich schaue zur Uhr und rechne. Um 00:50 muß ich hier am Bahnhof eine Tour fahren. Fünf Minuten zum Abholen, 18 Minuten hin, Drei Minuten kassieren, 18 Minuten zurück. Da bleiben noch satte 6 Minuten Sicherheit!

Leute, das geht nur wenn ihr mitspielt. Geht bitte schon vors Haus. Bin in 4 Minuten dort!

Das Haus kenne ich. Als ich einbiege schiesst es mir gleich durch den Kopf: „Da steht noch Niemand!“

Ich biege in die Hofeinfahrt, sehe nur in einem Fenster Licht, es flackert.

Sitzen die echt noch vor der Glotze!?“

Ich denke gerade daran, einfach wieder wegzufahren.

„Nee, nicht mit mir!“

Da schlurft einer aus der Haustür zu mir rüber, Falsche Bier am Hals und setzt sich rein. Ich erkundige mich, ob wir abfahren können, er verneint, denn sein Kumpel müsse noch die Playstation runterfahren oder so. Arschlöcher!

Nach weiteren vier Minuten und einem Telefonat kommt endlich der zweite Fahrgast. Ich bemühe mich um Contenance, komme aber nicht umhin, zu erklären, in welche Bredouille sie mich nun gebracht haben. Ihr Mitleid hält sich in Grenzen, ich fahre zu schnell. Diese Penner!

Da hab ich mal wieder ein gutes Herz und werde so dafür belohnt. Es sollte noch dicker kommen!

Wenn du bezahlt werden willst, musst du noch in der Georgstrasse bei der §scheissinternetbank halten!

Suuper, diese Mistkröten! Ich trage es mit Humor und witzele mit dem verbliebenen Fahrgast über dieses Geldinstitut. Ich bemerke, das ich dachte, diese Bank gäbe es nur virtuell, so im Internet und ohne Filialen.

„Das ist bestimmt ein Fake!“

Ich kann den Mann sehen, wie er auf dem Terminal herumhackt, glotzt, kopfkratzt, hackt, blöd guckt, wiederkommt. „Weitere 4 Minuten im Arsch!“, denke ich.

Der Automat hätte Leerstand gemeldet. Wusste ichs doch, FAKE-BANK!

Statt nur bis zur Kennedy-Brücke fahren wir jetzt in die Bremerhavener Fußgängerzone rein. Natürlich verboten, aber ich habe keine Zeit, wir müssen zur SPARDA-Bank. Der andere Typ steigt aus und schafft es noch nicht einmal bis in den Vorraum. Die verflixte „dreckshundpisskacken“ Tür öffnet nicht.

Rundumblick. „Wenns um Geld geht,……!“, lese ich.

„Los, beide raus und da hin. Mir scheissegal ob ihr Gebühren habt! Lasst eure Karten glühen!“

Endlich das erlösende *flapflapflapflap* der Geldmaschine. Ich nehme das Fahrgeld in Empfang. Satte 90 Cent Trinkgeld lassen sie mir, „weil das bezahlen so schneller ginge und ich ja auch etwas bekomme solle, für meinen Stress!“

Verdammter Dreck! Ich bin mächtig sauer auf MICH! X-Mal ist das schon so gelaufen und immer wieder stellt mir meine Gutmütigkeit ein Bein. Ok, zügig zurück nach Loxstedt, Frau $zugfahrgast soll nicht zu lange warten. Es ist 00:48. Eine Telefonnummer habe ich nicht von der Frau, sie fährt Sammeltaxi, da erfahren wir keine persönlichen Daten ausser dem Nachnamen.

Mit Bleifuss durchs Cuxland! Ich muss mich stark zusammen reissen nicht zu rasen. Meine letzte derartige Tor-Tour hat vermutlich einen Waschbär das Leben gekostet, weil ich  nicht rechtzeitig bremsen konnte. Ich heule gleich!

Um 01:01 fahre ich am Bahnhof vor. Gähnende Leere all überall.   Ich entschliesse mich, ihren Nachhauseweg abzufahren, um sie ggf. noch aufzugabeln. Niemand zu sehen, ich wende und leuchte den Weg noch einmal aus. Nichts zu sehen.

Aus der Ferne erspähe ich, wie sich die Schranken schliessen und ein Fünkchen Hoffnung keimt in mir auf. Die Schranke ist lange zu, ungewöhnlich lange!

„Ist etwa doch Verlass auf die Bahn und sie kommt zu spät?“

Bahn Rot

Langsam fährt von links die Regionalbahn ein. Es ist 01:12. Ich schaue auf die Anzeigetafel. Keine Verspätung angezeigt. In der Bahn-App auch nicht. „Auch Arschlöcher!“ Alle habe sich gegen mich verschworen!

Meine Fahrgästin entschuldigt sich für die Verspätung. Sehr löblich. Dann erzähle ich ihr, was ich in der Zwischenzeit so gemacht habe.

Wir lachten bis vor ihre Haustür und dann konnte ich endlich gen Feierabend abbiegen.

Die Moral:

Ich werde es vermutlich nie hinbekommen, so eine Tour abzulehnen, weil ich gern einmal erleben möchte, das mein Plan funktioniert!