Hausierer

Nach mittlerweile über 7 Jahren im Taxi bin ich sicher kein Anfänger mehr.  Problemfälle erkenne ich an der Nasenspitze und entscheide dann sehr professionell, ob die mir auferlegte Beförderungspflicht greift, oder ein Ablehnungsgrund vorliegt.

Der Eingangssatz ist leider gelogen. Immer wieder lasse ich mich weichklopfen, irgendwelche verwirrten, zahlungsunfähigen Psychopaten Partyleichen einzuladen. Wie auch im nächsten Fall, der mir am vorletzten Wochenende unterkam. Wie zur Zeit an Freitagen gewohnt, war das Fahrgastaufkommen klein bis nicht existent und die Zentrale griff nach jedem Strohhalm, um uns Fahrer keine Wurzeln schlagen zu lassen, oder so ähnlich wie der Berliner Kollege Sash heute so schön schrieb, wir das Fahren verlernen würden, wenn wir die ganze Zeit im Aufenthaltsraum säßen!

Ein solcher Strohhalm wurde dann auch mir zuteil, es muß sprichwörtlich der kürzeste gewesen sein, den ich zog, ploppte gegen 2:00 auf meinem Handy auf. Die Zentrale hat sich dazu eine sehr charmante Formel ausgedacht und mir übermittelt. So etwas wie eine salvatorische Klausel* unter Kollegen!

Das las sich dann so:

Name: Herr ?

Von: Uthlede, xxxxxx-Strasse Nummer xx

Zu: Anderes Dorf

Bem.: Er hat nicht selbst angerufen, das waren Anwohner bei denen er geklingelt hat. Er sei sehr betrunken, aber hat nicht gek*tzt und sei ruhig. Die Leute  helfen dir, den Unbekannten ins Taxi zu hieven. Du kannst selbst entscheiden, ob du ihn mitnimmst*.

An der Abholadresse saß kauerte mein Delinquent auf einer Bank, behütet und vorm herunterfallen gestützt durch ein Pärchen, den Bewohnern des Hauses. Der Mann sprintete sofort, als er  mich einbiegen sah auf mein Taxi zu, öffnete die Beifahrertür und gab seiner Frau Zeichen.

„Einen Moment!“, rief ich hinüber.

Auf dem Körper des nun doch auf den Boden gerutschten Häufchen Elends wackelte der Kopf wie bei einem solchen Dackel, den Mann aus den Hutablagen von Autos kennt.

„Ein Krankenwagen wäre sicher angemessener! Ich fahre besser gleich wieder weg!“,dachte ich. Klüger wäre gewesen, ich hätte es auch getan!

Auf meine Frage, wer das überhaupt sei, bekam ich nur die Auskunft, der Betrunkene würde schon eine ganze Zweit durch diese Strasse krabbeln. Schließlich habe mann sich entschieden, dem Klingelterror ein Ende zu setzen und ein Taxi für den Unbekannten zu rufen.

Ich lies mich von der Situation erweichen. Die armen Leute wollten schließlich wieder ins Bett und Taxifahrer sind halt dafür da solche Kleinigkeiten mal eben zu übernehmen; sie verdienten sehr viel; dafür können die ruhig einmal  etwas tun!

Also ludt ich das Opfer auf den Beifahrersitz und überreichte ihm eine Spucktüte. Aber statt sie aufzufalten, für den Fall der Fälle, blubberte er, das er jetzt keinen Hunger hätte und warf sie mir zurück.

Die Fahrt verlief dann tatsächlich wenig spektakulär. Langsam wurde mir auch bewußt, aus welchem Grund sich mein Fahrgast so abgeschossen hatte. Offensichtlich hatte er ein tief sitzendes Trauma erlitten, weil der SV Werder Bremen wieder einmal eine Klatsche bekommen hatte. Sein Fan-„Gesang“ gestaltete dann auch eher etwas weinerlich.

Am Ziel angekommen betätigte ich wie gewohnt das Taxameter, schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Bei meinem Renault-Bus geht die nicht automatisch an.

Noch bevor ich „Das macht € 21,50!“ sagen konnte, hatte der junge Mann alle Sinne wieder bekommen, riss die Tür auf und brüllte im Weglaufen:

Das bezahle ich nicht. Du bist ein Arschloch. Bezahl dich selber!“

Völlig baff schaute ich der Gestalt hinterher, wie sie immer weiter lief, wiederholt etwas rief und dann hinter einer Hecke über ein Nachbargrundstück verschwand.

Das war jetzt nun nicht wirklich professionell von mir! Ein ehrlicher Taxifahrer wäre ganz bestimmt hinterher gelaufen, denn ich hatte schon bei Fahrtantritt einen Abschlag von € 30,00 verlangt, worauf er mir einen 50er reichte, weil er es nicht anders hätte. Ich solle das dann am Ziel verrechnen.

Und das tat ich dann auch. € 21,50 für den Chef und € 28,50 für HerrnTaxifahrer!

 

 

Taxi-CIS

Um 17:30 meine Ladung Senioren eingeladen. Zwischendurch reicht mir eine Pflegerin  den gelben Beutel für, der gehört der Berta und muss immer mit. Ich schieb ihn griffbereit unter ihren Sitz, damit ich ihn nachher ihrer Tochter mitgeben kann.

Bei Bertas Domizil angekommen, ist von der Tasche -eher ein kleiner Stoffbeutel- keine Spur zu finden. Ich baue den kompletten Sprinter auseinander. Nicht zu machen.

Vielleicht ist er zusammen mit Sellmas Krücken rausgerutscht, als ich sie herauszog, oder als ich Heiner mit dem Rolli auslud, da bin ich über was gestolpert?

In dem Beutel ist Insulin und ein Messgerät. Ersteres kann bei falscher Anwendung zum Kollaps führen und ist gefährlich. Habe mich dann umgehend auf die Socken gemacht und die letzten Stationen abgefahren, konnte aber nichts entdecken. Bin mit hängendem Köpfchen wieder zur Berta und der Tochter gebeichtet.

Wurde getröstet und solle mir keinen Kopf machen. Sie würde gleich Morgen früh, vor der nächsten notwendigen Dröhnung zur Apotheke gehen.

Die ganze Woche ging mir diese Tasche nicht aus dem Kopf und habe immer wieder nachgesucht, ohne Erfolg.

Gestern komme ich wieder bei Berta vorbei und ihre Tochter berichtet, das Utensil sei wieder aufgetaucht. Die Apotheke hätte sich gemeldet, weil eine „mobile“ Pflegerin den Beutel bei einer anderen Omi gefunden hätte, welche aber nichts mit „Zucker“ am Hut hätte und gab die Tasche bei der Pharmazeutin ab.

Ein Telefonat später hatte ich die Finderin an der Strippe und erkundigte mich, wo sie das Objekt entdeckt hätte. Sie sagte einen Namen, aber den kannte ich nicht. Ich fragt nach der Adresse:“BINGO!“

Dort wohnt das Irmchen! Und die saß  neulich neben der Berta bei mir im Sprinter. Und da ging mir ein Licht auf. Das Irmchen war immer ziemlich neugierig und war immer gespannt, was wohl in dem häßlichen gelben Sack enthalten sei. Und da hat sie Situation ausgenutzt um zu klauen!

Nun, ich hänge das Teil jetzt immer an den Schaltknüppel, damit so etwas nicht wieder vorkommt. Einen Sack Flöhe hüten ist einfacher, als eine Hand voll dementer Senioren ums Eck zu fahren.

Winker auf dem Dorf…

…..sind sowas von selten, sie sind eigentlich immer nur in Kompaniestärke bei Zeltfesten u.ä. anzutreffen.

Doch eben fahre ich die Bahnhofstraße entlang, als meine $~Zeichen aufblinken und am Fahrbahnrand ein weiblicher Mensch mit H-Kennzeichen signalisiert das er eine Fahrgelegenheit sucht.

Ich also sofort in die Eisen und rechts ran und die Dame eingebaucht!

„Moin, Moin, schöne Frau, wohin soll die Reise gehen?“, frug ich meinen Neuzugang.

„Nur nach Hause, bitte, da vorn geht`s links rein!“

„Haben sie den Straßennamen für mich?“

„Nein, nicht nötig, jetzt wieder links, wir sind gleich da!……………Da, sehen sie das gelbe Haus, da bitte rechts halten!“

„Öööööhh, aber meine sehr verehrte Dame, hier sind wir doch gerade losgefahren!?“

„Nein, da irren sie sich HerrTaxifahrer, das war doch in……..“

„HAAAAALLLLOOOOO, wooooo kommen sie denn jetzt her?????????“, empfing uns eine resolute Mitfünfzigerin.

„Ääääh, von hier!“, gab ich kleinlaut zu verstehen.

„Ich bin die Pflegerin von der Marlene, dachte schon sie wäre abgehauen. Sie ist da oben nicht mehr ganz Richtig, wissen sie!?“

„Nee, weiß ich nicht, aber wenn sie ihre Pflegeoma jetzt wieder mitnehmen, vergesse ich die Angelegenheit. Bitte erzählen sie es nicht weiter, ist schon ziemlich peinlich.“

Das war nun schon die zweite Tour, bei der mich mehr oder weniger offensichtlich verwirrte Menschen in Schwierigkeiten zu bringen versucht haben. Zukünftig werde ich von jedem Fahrgast einen Alzheimer- / Demenztest einfordern.