Die Pille Danach

Ich befand mich in der Apotheke, sie hatte Notdienst an diesem Wochenende.
Mein Auftraggeber hieß mich, Lactulose für ihn zu erwerben, die Flüssigkeit würde ihm das Leben retten, er hätte fürchterlichen Druck auf dem Bauch!

Der Apotheker nahm tippte die Bestellung in die Kasse nannte den Betrag und händigte mir den Sirup aus, nicht ohne anzumerken:

„Bitte nicht regelmäßig einnehmen, besser weniger und ausgewogene Speisen auf einmal zu sich nehmen. Dieses Mittel ist nicht als Verdauungsturbo zum Abnehmen geeignet!“

War ja nicht für mich. Ich versprach, es weiter zu geben .

Nicht ohne Warndreieck!

Freitag war abzappeln in der Kasba. Es war nicht viel Publikum unterwegs und ich war froh, als gegen 3:00 Uhr ein junger Mann die Alles entscheidende Frage stellte, nicht ohne sich zu vergewissern, das meine Taxileuchte auf dem Dach auch illuminiert ist:

„Sind sie frei!“

„Nein, seit vielen Jahren glücklich verheiratet! Aber ich könnte ein paar Sitzplätze im Taxi anbieten!“

„Prima, es dauert einen kleinen Moment. Mein Kumpel ist noch nicht fertig“

In solchen Fällen pflege ich meine potentiellen Fahrgäste zu observieren, damit sie nicht doch noch in einen anderen Wagen einsteigen. Ich sah in Richtung Ausgang der Kasba. Aber dahin ging der Frager gar nicht, sondern verschwand im 4/5 – dunkel hinter parkenden Autos. Au weia, bin gespannt, was der da unter dem Baum heraus zieht.

Nach 2-3 Minuten kam Bewegung in ein kleines Knäuel Menschen. Mit Mühe wuchteten 2 torkelnde Männer einen Dritten auf die Beine und schliffen ihn so zu meinem Passat. Da keine Verschmutzung an der Bekleidung zu bemerken war, lies ich es zu, das Alkoholopfer auf die Rückbank zu platzieren.

„Fahrgast1, du achtest auf Anzeichen einer akuten Übelkeit und meldest den Ernstfall!“

„Fahrgast2, du springst raus und öffnest die Tür, wenn ich es sage!“

„Fahrgast3, du schläfst!“

„Wohin soll es gehen?“

„Bitte nach Bremerhaven, in die Postbrookstraße!“

Ich akzeptierte 30 Öcken als Vorkasse, meldete die Fahrt in die Zentrale und legte Kurs Reinkenheide an.

Gerade an der Auffahrt Loxstedt/Wulsdorf auf die A 27 gefahren, erfolgte die Alarmierung! Ich schaltete das Flutlicht ein und verschaffte mir einen Überblick der aktuellen Lage. Noch waren keine sauren Körperflüssigkeiten ausgetreten und ich war froh. Bis zur Abfahrt Schiffdorf/BHV-Geestemünde waren es nur 1,5 Minuten bei Vollgas!

Anhalten möchte ich auf der Bahn nicht mehr. Wenigstens nicht für so eine Übelkeit, es ist einfach zu gefährlich. Und dann hatte ich auch noch in einem Rechtsanwalts-Blog gelesen, das unbedingt an die Sicherheit zu denken ist, auch beim Kotzen. Auch wegen der Haftungsfrage ein sehr schwieriges Thema. „Kotzen nur mit Warndreieck“

wdko

Ohne weitere Würgeattacken erreichten wir das avisierte Ziel in € 26,50 und ich durfte den Rest behalten, wegen der Besonderheiten dieser Tour.

Das Trio schlurfte dann aneinander gelehnt die Schiffdorfer Chaussee hinunter, man wollte noch etwas frische Luft schnappen, bevor der Mutti die prächtige Fahne präsentiert werden sollte.

 

Ciudad Potsdam

In unregelmäßigen Abständen melden sich Reporter/Journalisten zu Wort, um ihre Erfahrungen mit dem Taxigewerbe zu kolportieren. Diese Sorte Mensch benutzt auch gern ein Taxi für den Ortswechsel. Da aber diese Zeit in der Regel ohne größere Schlagzeilenträchtige Storys von statten geht, bauschen sie berufsbedingt jede Mücke zum Elefanten auf. Von Nix kommt Nix!

In der Berliner Morgenpost ist am 1.12.13 eine dieser Schreiberlingin (Christine Richter) zum Zug gekommen und durfte ihren Gehirninfarkt über das Onlinevolk ergiessen.

Was mich an der Geschichte aufregt, ist der Sprung von Potsdam nach Kolumbien. Was haben wir denn mit den Taxifahrern unter deren Bedingungen dort gemein? Lach mich gerade tot!

Wenn der HerrFahrgast oder die FrauFahrgästin mit ihrem HerrFrauTaxifahrerin nicht zufrieden sind, sei es die Strecke, der Preis, die Musik und was sonst noch, dann empfehle ich einfach, den Fahrer anhalten zu lassen, gegen Quittung zu zahlen, Ordnungsnummer notieren und sich dann bei der zuständigen Stelle zu beschweren! Nur so erfahren schwarze Schafe Konsequenzen. In der Zeitung alle Fahrer als potentielle Nieten darzustellen, hilft Niemandem.

 

 

Loss of memory!

Montags fährt Herr Springer immer zur Bastelpädagogik nach Bremerhaven. Die Zentrale gab mir auf, die Strecke auswendig zu lernen, S. würde immer Straßen verwechseln und könne nicht helfen.

Abgeholt, hingefahren, Stunde gewartet, wieder zurück gefahren. Zwischendurch Smaltalk abgehalten, ohne Befund…….

Nächster Termin. Ich kenne mich nun aus. Springer steigt ein und zückt einen Block aus seiner Mappe, liest darin und fragt:

„Wie ist ihr Name?“

„Andreas haben mich meine Eltern immer genannt!“

„Aah, hier sind sie ja. Ich muß immer nachsehen, was wir geredet haben, mein Kurzzeitgedächtnis ist bei einer Operation verschwunden.“

Das hat mich jetzt natürlich interessiert. Bei meinen Omis und Opis aus der Pflege liegt es am Alter, das die Erinnerungen langsam verschwinden oder durcheinander gewirbelt werden. Springer war ansonsten sehr redegewandt und machte einen schlauen Eindruck.

Während dieser Tour erzählte er mir, was vorgefallen war. Eines Tages wachte er in seinem Haus auf und wusste nicht mehr wer er ist und auch die Frau in seinem Bett war für ihn eine Unbekannte! Im Laufe des Tages erinnerte er sich immer wieder. Nachdem der Effekt immer häufiger auftrat, konsultierte er die Ärzte und sie diagnostizierten einen Gehirntumor.

Nach der Operation hatte es Monate gedauert, bis er erkannte das es sein Haus ist in dem er wohnt und die Frau an seiner Seite mit ihm verheiratet ist.

Seinen Beruf mußte er aufgeben, denn er konnte einfach nur unheimlich langsam etwas Neues lernen, da sein Gedächtnis sofort wieder alles vergaß. Er war Systemadministrator. Er ist bei Windows 3.1 stehen geblieben.

Und in der Bastelstunde hat er eine einfache Wanduhr gezimmert und sogar die Uhrzeiten richtig angebracht. Er zeigte mir stolz das Ergebnis.

Zum wiederholten Mal dachte ich, wie gut es mir doch geht. Das Schicksal hat wirklich die vielfältigsten Hürden für uns Menschen parat. Ich möchte echt nicht wissen, was es für mich noch so Alles in petto hat.

Radio Gaga?!

War gerade bei der Tagespflege vorgefahren und holte meine Fahrgäste nacheinander aus dem warmen Aufenthaltsraum und hievte sie in meinen Sprinter.Das dauert täglich 15-20 Minuten, je nachdem, ob auch Rollifahrer dabei sind. Über deren metaphysische Gedankengänge hatte ich schon berichtet.

Ich gurtete gerade Claudinchens Rollstuhl mit  Spezialgurten hinten im Fahrzeug an, da wurde ich Zeuge folgender Kommunikation im analogen Funk:

„piiiieep,püü, tüüt“

„Wer ruft?“

„piiiieep,püü, tüüt“

„Hier Zentrale, wer ruuuhuuuuft?“

„piiiieep,püü, tüüt“

„Zentrale an Alle! Bitte Funkdisziplin einhalten!“

 „Hö,ooohooo.“

Endlich hatte ich den Rollstuhl vorschriftsmäßig vertäut und konnte mich jetzt dem Funk widmen:
„Heinzi, lass bitte das Mikrofon dort hängen und drück bitte nicht wieder den roten Knopf! Das ist kein Spielzeug!“
„Orrrrrrrrrrrr!“, grumpfte der demente Senior eingeschnappt, als ich ihm das Equipment wegnahm.

Gerald

Wie spricht Mann mit Jemandem der nicht spricht.

Gerald hatte bei seiner Geburt keinen guten Stern am Himmel. Er erlitt Schäden, die es ihm offensichtlich schwer machen, zu kommunizieren. Montag-Freitag fahren wir ihn zu seiner Arbeitsstelle, dem Martinshof in Bremen-Nord und holen ihn am Nachmittag wieder ab.

Morgens um 20 nach 7 fahre ich vor. Gerald steht meistens schon im Hauseingang bereit oder blinzelt hinter der Gardine des Küchenfensters hervor. Sobald ich vollständig zum Halten gekommen bin, hechtet er vorn rechts ins Taxi, schließt die Tür und schnallt sich an.

Zwischendurch nur unterbrochen durch ein „Guten Morgen, Gerald!“ meinerseits.

Er würdigt mich keines Blickes, geschweige denn Wortes. Und das mit einer bemerkenswerten Ausdauer. Tag für Tag, Fahrer für Fahrer. Von unserer Zentrale wurde ich vorher über dieses Verhalten informiert und war gespannt wie die Tour verläuft.

Sehr ruhig!

NIchts scheint ihn zu bewegen. Ob vor uns ein Tanklaster explodiert, wir eine geschlagene Stunde im Stau stehen, oder der Sprinter bei 170 km/h anfängt zu fliegen, er nimmt es mit einer stoischen Ruhe hin, ohne eine Regung zu zeigen.

Wenn das Taxi am Ziel anhält, ist er geschwind hinfort, hinter den Toren der Werkstätten entschwunden.  Fast wie ein Geist. Mit Ledertasche!

Hatte ich gerade einen Fahrgast?

Am Nachmittag dann der Anruf aus der Zentrale. Taxi-Engpaß. Spezialauftrag für mich. Den Gerald abholen, mit ihm nach Bremen rein fahren, einen Rolli zuladen und dann erst zurück. Ich bat dann die Zentrale, Geralds Eltern zu benachrichtigen, damit sie sich nicht sorgen und machte mich auf den Weg.

Gut um eine Stunde längere Tour, durch eine Stadt, die Gerald nicht kennt. Ich war mir nicht sicher, was ich machen soll. Mir lag Nichts daran, ihn in irgendeine Panik zu versetzen, wenn das überhaupt möglich wäre. Aber hinter seinem Verhalten verbirgt sich auch eine gewisse Routine. Und da wollte ich nicht dran rütteln.

In Bremen-Nord das erwartete Schauspiel. Ich stehe. Gerald prescht los und sitzt Sekunden später regungslos und angegurtet auf seinem Stammplatz.

Meine Strategie (hahaha) sah vor, Gerald über den weiteren Streckenverlauf zu informieren. Dazu setzte ich mich leicht schräg nach rechts und tippte ihm vorsichtig an die Schulter, in der Hoffnung, er würde mir seine Aufmerksamkeit für eine Sekunde schenken. Es dauerte einen weiteren sachten Stubser und 3 Sekunden bis mir ein lustiges Augenpaar begegnete. Ich hob einen Arm und zeigte Richtung Innenstadt.

“ Gerald, bitte hör mir kurz zu! Wir fahren jetzt noch nicht nach Hause. Erst müssen wir in Bremen eine andere Person abholen und dann fahren wir zurück. Hast du das verstanden!?“

„Joh!“

Er nahm umgehend seine Relaxhaltung ein, leichter Buckel, gerade nach vorn sitzend, den Blick auf den Griff des Handschuhfaches gerichtet.

So einfach war das also.

Voller Zuversicht malte ich mir aus, welch aufregende Gespräche ich wohl noch mit Gerald führen würde, das Eis war gebrochen!

An seinem Elternhaus angekommen sagte ich deutlich vernehmbar:

„Danke für die Geduld und einen schönen Abend noch!“

Weg war er. Er hat gar nicht gemerkt, das ich mich verabschieden wollte. Bis Heute habe ich dem fast 60-jährigen nichts mehr entlocken können.

Schade!

 

Wartezeitvergütung

Normalerweise ist im Taxitarif Für den Landkreis Cuxhaven eine Wartezeitpauschale vorgesehen. Das sind 25,00 pro Stunde.

Samstag bekam ich € 20,00 für 5 Minuten. Ich buchte den Betrag Steuerfrei unter Weihnachtsgeschenke 2013.

Er wollte nur noch schnell sein letztes Bier austrinken.

Ein sehr löbliches Verhalten! Ziehe ich doch Bargeld jeglichen Zuwendungen in Form von Naturalien vor. Hatte ja schon über einen Vorfall beim Italiener geschrieben.

Was bleibt da noch zu erwähnen?!

Pecunia non olet!

I feel good (again)!

Vorgestern hatte ich mich über Fahrgäste ausgelassen, welche mich haben grübeln lassen, was ich noch alles zu Ertragen bereit bin.

Letzte Nacht wurde in mir wieder die Flamme der Hoffnung erregt! Es gibt tatsächlich Menschen, die so eine Dienstleistung wie das Taxifahren Wert schätzen.

Er kam mit seiner Frau von einer Weihnachtsfeier und bedankte sich für die Pünktlichkeit und den freundlichen Bestellvorgang in der Zentrale!

Am Ziel angekommen überreichte er ein angemessenes Trinkgeld. Und dann fügte er noch hinzu:

„Vielen Dank für die wunderbare Fahrt und das es sie überhaupt gibt, HerrTaxifahrer!“

Das geht natürlich runter wie Öl und gleicht so manches schlechte Benehmen von den hirnlosen Amöben ( sorry Amöbe) wieder aus.

Ich bedankte mich gleichfalls für die netten Worte und fast wären wir ins auch noch in die Arme gefallen, als mein PDA den nächsten Auftrag meldete und ich nun schnell weiter musste…..