Bakschisch

Der Syrer war wie jeden Sonntag mit dem Sammeltaxi unterwegs. Zusammen mit 2 Freunden fährt er jeden Sonntag von einem Dorf ins Andere, um Dinge zu unternehmen. Mehr weiss ich nicht, denn ich spreche ihre Sprache leider nicht. Und ihr Deutsch ist schon sehr ansprechend, jedoch noch nicht für einen soliden interkulturellen Stammtisch genügend.

Aber das  nur am Rande.

Am Ziel war er sehr erfreut, das ich ihn und seine Kumpels direkt ohne Nachfrage vor seiner Haustür absetzte, anscheinend keine Selbstverständlichkeit!?

Um die geforderten € 9,00 zu begleichen reichte er mir einen Fünfziger zwischen den Sitzen von hinten durch und gerade als ich ihn angenommen hatte und ich das Wechselgeld herauskramen wollte sagte er:

„Danke!“

Natürlich war mir sofort klar, das er sich nur zum 15ten Mal bei mir für den Service bedanken wollte und zwar mündlich, nicht monetär. Ich zögerte einen Moment das Geld herauszusuchen, nur um seine Blicke  zu erheischen.

Ich steckte den Schein ganz tief in meine Geldbörse, so tief, der käme da nimmer wieder heraus. Ich schloß sie und beförderte sie an meinen geheimen Ablageort, bedankte mich ebenso recht überschwänglich. Endlich konnte ich etwas Verzweiflung in seinem Gesicht erkennen und löste die Geschichte auf.

Er solle besser niemals Geld mit dem Wort „Danke“ übergeben, wenn er einen Teil davon wiedersehen möchte, denn das bedeute in der Regel für den Empfänger, das er den Rest behalten dürfe. So geschähe es jedenfalls zum Glück täglich bei mir im Taxi.

Als ich dann letztendlich das Wechselgeld herausgab, schob er mir das Ein-Euro-Stück zurück auf meine Hand und sagte fröhlich: „Danke!“

Eine schöne Woche euch allen. Geniesst die letzten Weihnachtsvorbereitungen und macht euch auf keinen Fall Streß!

 

Loss of memory!

Montags fährt Herr Springer immer zur Bastelpädagogik nach Bremerhaven. Die Zentrale gab mir auf, die Strecke auswendig zu lernen, S. würde immer Straßen verwechseln und könne nicht helfen.

Abgeholt, hingefahren, Stunde gewartet, wieder zurück gefahren. Zwischendurch Smaltalk abgehalten, ohne Befund…….

Nächster Termin. Ich kenne mich nun aus. Springer steigt ein und zückt einen Block aus seiner Mappe, liest darin und fragt:

„Wie ist ihr Name?“

„Andreas haben mich meine Eltern immer genannt!“

„Aah, hier sind sie ja. Ich muß immer nachsehen, was wir geredet haben, mein Kurzzeitgedächtnis ist bei einer Operation verschwunden.“

Das hat mich jetzt natürlich interessiert. Bei meinen Omis und Opis aus der Pflege liegt es am Alter, das die Erinnerungen langsam verschwinden oder durcheinander gewirbelt werden. Springer war ansonsten sehr redegewandt und machte einen schlauen Eindruck.

Während dieser Tour erzählte er mir, was vorgefallen war. Eines Tages wachte er in seinem Haus auf und wusste nicht mehr wer er ist und auch die Frau in seinem Bett war für ihn eine Unbekannte! Im Laufe des Tages erinnerte er sich immer wieder. Nachdem der Effekt immer häufiger auftrat, konsultierte er die Ärzte und sie diagnostizierten einen Gehirntumor.

Nach der Operation hatte es Monate gedauert, bis er erkannte das es sein Haus ist in dem er wohnt und die Frau an seiner Seite mit ihm verheiratet ist.

Seinen Beruf mußte er aufgeben, denn er konnte einfach nur unheimlich langsam etwas Neues lernen, da sein Gedächtnis sofort wieder alles vergaß. Er war Systemadministrator. Er ist bei Windows 3.1 stehen geblieben.

Und in der Bastelstunde hat er eine einfache Wanduhr gezimmert und sogar die Uhrzeiten richtig angebracht. Er zeigte mir stolz das Ergebnis.

Zum wiederholten Mal dachte ich, wie gut es mir doch geht. Das Schicksal hat wirklich die vielfältigsten Hürden für uns Menschen parat. Ich möchte echt nicht wissen, was es für mich noch so Alles in petto hat.

Im Zentrum der Macht

Draußen lassen die Bäume erkennen, das die 3. Jahreszeit naht und somit das Mistwetter und Düsternheit die Oberhand gewinnen.

Habe Heute mit meiner ersten Tour wieder die Omi’s und Opi’s nach Haus gefahren.

Auf Englisch nennt man den Herbst bekanntlich „Fall“. Das haben ein paar unserer Lieblingssenioren zu wörtlich genommen und reihenweise youtubefähige Faceplants hingelegt. Glücklicherweise keine Knochenbrüche dabei, das kann leicht tödlich sein, denn mit über 80 wächst nix mehr wirklich gut zusammen. 2 Damen hatten letzten Montag so heftige Hämatome im Gesicht, das ich raten musste, wer sich hinter den lila Eulenmasken verbarg. Aber Unkraut vergeht ja bekanntlich nicht und die ersten Schwellungen gehen sauber zurück und hinterlassen die altersgemäß gewohnt knitterige Haut.

Anschließend zurück zur Zentrale und Sprinter umtauschen in Ferrari Passat, dann nach Hagen ins Büro, Muffins und Kekse von Geburtstag gehabt habenden Kollegen vertilgen.

So war der Plan!

In der Zentrale angekommen sortiere ich die Mappe für den Bus in ihr Fach. Vorbei an 2 Aspiranten für den Taxischein baut sich $MODOAK* vor mir auf, geleitet mich auf den Hot Chair vor den Bildschirmen mit Anzeigen für Flottenmanagment und Tourenannahme.

„Setz dich hier mal einen Moment hin, HerrTaxifahrer. Telefon kannste ja!? Und die paar Knöppe aufm Display kriegste bestimmt auch hin! Ich geh mit den beiden zum Lernen in die Küche, dann stören wir dich auch nicht.“

„Ömmmzzz??!, ömmzte ich überrumpelt.

„Wenn was schlimmes passiert, schrei einfach!“

„OK, Chef!“, gab ich Hacken zusammen schlagend zurück.

Und schwupps, ward ich ein Zentralenmädchen. Im Prinzip sind mir die Vorgänge an diesem Arbeitsplatz geläufig. Doch ihr kennt das sicher auch, wenn man so einfach ins kalte Wasser geschubst wird. Keine Zeit  sich vorher in die Hose zu machen oder zu übergeben!

Nun verschaffte ich mir einen Überblick. Es war schon früher Abend, da ist die Tourenanzahl überschaubar. Bei uns sind die meisten Touren in der Woche tagsüber. Und jetzt, gegen 19:00 waren nur noch 4 Wagen unterwegs. Also leichtes Spiel für mich. Auf einem Monitor kann ich verfolgen, wo sich die Taxis befinden und welchen Besetzt-Status sie haben. Beim Drüberfahren mit der Maus kann ich ggf. auch den aktuellen Auftrag einsehen.

Der zweite Monitor ist da nicht ganz so übersichtlich. Gefühlte 20 Fenster geöffnet. Alle gehören zu dem Dispositionsprogramm. Es ist ja nicht die erste Begegnung mit Datenbanken und deren Verwaltung, aber dieses hier war Windows-Basiert und ich musste jetzt erst meine Einmalhandschuhe anziehen, damit später keine Viren auf mein MacBook Pro übertragen werden!

In einer Liste kann ich sehen, welche Fahrten als nächstes bearbeitet werden müssen. In der Regel bekommen wir Fahrer die Aufträge 20 Minuten vor der Zeit zugeteilt, wegen der langen Anfahrtswege hier auf dem Dorf. Hab schon wieder die Farben vergessen, aber sicher ist, das wenn die 20 Minuten nicht eingehalten werden, ändert so eine Datenreihe ihre Farbe auf Rot. Die Zuteilung geschieht manuell, durch den Menschen, der an der Konsole sitzt. Zur Zeit also durch mich.

Ich markiere den obersten roten Datensatz und will ihn einem Wagen zuweisen.

„Plinggg, Computer sagt neeiiiiiin!“

Zuerst soll ich den Datensatz eröffnen, um ihn dann zu ändern, d.h. zuzuweisen. Puh, gesagt, getan. Erste Tour übertragen und der Fahrer hat auch gleich angenommen. Die Farbe springt auf Dunkelblau oder so.

Um gewappnet zu sein, falls ein Auftrag eingeht, lege ich schon mal einen neuen, leeren Datensatz an. Juhu, da ist er. Niemand ruft mich an um ihn zu füllen…………..Es wird wieder was rot.Wie komme ich da dran? Ok, löschste erst mal den leeren Datensatz, der rote ist ja darunter. Klicke mutig und siegesgewiss auf das X-Symbol.

„Plinggg, Computer sagt, Open Objects sind nix gut!“ und sämtliche Fenster der Software schliessen sich.

„AAAAAARGGHHHHH!!!!!!!!???????“

error

Bin dann ganz ruhig in die heiligen Hallen des MODOAK eingetreten und hab ihm beflissen den Absturz der Fensterweichware gemeldet.

Er übernahm den Fall sofort, erkannte das Problem, nämlich mich:

„Na, haste rumgespielt?“

Bevor ich in den Rechtfertigungsmodus fallen konnte, war ich schon wieder allein mit der bunten Welt der Disponenten. Von nun an alles nur Step by Step und checken, bevor was gespeichert wird. Hatte die verflixte Kiste dann endlich unter Kontrolle. Die ersten Bestellungen gingen ein und was nicht gleich zu verteilen war, legte ich auf Halde im Rechner ab.

Cirka 50 Anrufe und 30 Emails später hatte ich schon so richtig einen Flow und nach 2 Stunden war mein Ausflug in die Kommandozentrale vorerst beendet.

Auf jeden Fall hat der Posten auch seinen Reiz, bloß bis hier Jemand 15 Fahrzeuge über Stunden ganz alleine vernünftig verplant, vergeht eine ziemliche Lehrzeit. Außerdem gehören zu diesem Arbeitsplatz auch noch so unnütze Tätigkeiten wie Rechnungen schreiben, Belege sortieren, Kaffee für die Fahrer kochen und auch noch gute Laune verbreiten.

An alle Zentralisten: Ihr hattet meinen Respekt. Jetzt noch um so mehr…..schleiiiiimmmm!

* MasterOfDesastersOfAllKinds (Chef)

 

P.S. Hab da bei meinem Kollegen aus Dräsdn was passendes entdeckt. Mensch und Maschine