Message in a bottle.

Die Problematik mit den Krankengeschichten hatte ich ja schon einmal angerissen. Da erfährt man ja so Einiges.

Nun mal ein etwas anders gelagerter Fall:

Das Telefon unserer Zentrale bimmelte Heute mit gewohnt aufdringlicher Tonfolge und ansteigender Lautstärke, bis es nicht mehr auszuhalten war. Frau R. Aubtier gab sich endlich gnädig und nahm den Hörer ab.

“ $arbeitgebervonHerrnTaxifahrer, Aubtier, wie werde ich sie schnell wieder los?“

“ Alfred Koholiker hier, ich habe ein Problem und das können nur sie für mich lösen!“, antwortete der uns bekannte Kunde. “ Wissen sie, ich habe Heute eine niederschmetternde Nachricht erhalten, sie wird mein restliches Leben verändern, ich habe Angst, wie es mit mir weiter geht. Bitte schicken sie mir den HerrnTaxifahrer. Er soll 2 Flaschen Korn mitbringen, die habe ich dringend nötig, mir geht es wirklich dreckig!“, klick, zack aufgelegt.

Frau Auptier ist ja einiges gewohnt aber hätte er nicht einfach nur sagen können, was er geliefert  haben möchte, statt sie jetzt mit einem P im Gesicht zurückzulassen? Ganz Profi, hackt sie den Auftrag in die Bestellsoftware, schreibt noch wenige Worte dazu und klickt auf senden.

„Püt,püt,püt,püt“, ringt das PDA in meinem Wagen um Aufmerksamkeit. Ich drücke auf annehmen, wie bei 100% aller anderen Pütpüts auch.

Ich lese: 2 Fl. Korn zu Herrn Koholiker. Ausführung sofort. Marke egal, Hauptsache schnell, es ist ein Notfall!

So ein Mist, ich stehe fast vor seiner Haustür( ca. 4 km entfernt). Die nächste Korn-Tankstelle ist aber 15 km weg. Nun ja, hier auf dem Land gehen die Uhren anders und die Menschen haben sich hier eigentlich immer genügend Vorräte zu gelegt, um solchen Ausnahmesituationen vorzubeugen. Doch ich mochte nicht einfach irgendwo klingeln und um den Branntwein betteln. Also fuhr ich nach Hagen um einzukaufen.

Das IPhone spielt  „Great Balls of Fire“ von Jerry Lee Lewis. Ich gehe ran.

„Auptierchen hier, bitte sei so lieb und berichte, wie es dem Herrn Koholiker geht. Der hat noch nie so deprimiert geklungen. Vielleicht braucht der Hilfe, seine Stimme war so schwach, ich glaub der hat sogar leise geweint, am Ende!“

“ Alles klar, ich kümmer mich um ihn und ruf dich dann an, mach dir keine Sorgen.“

Mit dem Sprit auf dem Beifahrersitz erreichte ich den Wohnsitz des Auftraggebers. Schreibe gerade die Quittung für den Fahrpreis, da kommt er schon frohen Mutes zu meinem Taxi gelaufen und reisst die Beifahrertür auf.

“ Ach du bist es, HerrTaxifahrer. Immer musst Du einspringen, wenn ich mal wieder Stress habe. Was bekommst Du denn?“

“ Hier, ich hab`s grad addiert. 11,98 für den Korn und 23,50 fürs Bringen. Macht zusammen € 35,48.“

“ Hier sind 50, mach 40,00. Hat ja wieder gut geklappt!“

Den Zehner überreichend, schaue ich noch einmal ganz genau an ihm herunter. Sauber gekleidet in Poloshirt und Freizeithose, sogar richtige Schuhe hat er an. Das Kinn ist rasiert und Haare wir frisch vom Frisör. Was soll ich nun der Zentrale übermitteln? Beim letzten Noteinsatz musste ich 5 Minuten dauerklingeln, bis er an die Haustür gerobbt kam. Damals hatte er es gerade noch geschafft, wenigstens seine Blöße mit einer Unterhose zu bedecken. Er war schon heftigst zu gewesen als ich auf ihn traf und er rundete gleich auf 50€ auf 🙂

Da bemerkte ich, wie sich unsere Blicke trafen und da platzte es aus ihm heraus:

“ Weisst du HerrTaxifahrer, ich habe heute etwas erfahren, das ist ungeheurlich. Das ist so unvorstellbar, das ich jetzt gleich mit diesen beiden Freunden eine Party veranstalten werde, bis Nichts mehr von ihnen über ist!“ Er  lehnt sich zurück als ob er mich auffordete mich wieder anzunähern um ihm weiterhin zu lauschen. Also beugte ich mich nach Vorn um Weiteres zu hören.

“ Weisst du, heute habe ich Post bekommen. Ich soll wieder in Therapie. Ich soll auf Entzug. Das ist ungeheuerlich, das schaffe ich nicht und das versuche ich erst gar nicht noch Mal. Ich saufe mich jetzt tod. Tschüss, schönes Wochenende HerrTaxifahrer!“

„Auch alles Schöne!“, wünsche ich zurück, nicht ohne ihm hinterher zu rufen „Bis demnächst!“

Er nickte mir zu und hakte seine neuen Kumpels ein und trottete zufrieden ins Haus.

 

 

Folgen Sie diesem Wagen……

Ich war nach Hagen zum Edeka-Markt auf den Parkplatz bestellt. Da der Laden schon geschlossen hatte erwartete mich also kein Lebensmitteltransport.

Ein Kleinwagen stand dort ganz allein, 2 Personen darin. Ich positionierte mich neben ihm und ein Mann und eine Frau stiegen aus. Aus dem Gefährt wurden ein Koffer und eine Tasche entnommen und die Beiden verabschiedeten sich genüsslich, wie ein verliebtes Pärchen das so macht.

Also das Gepäck gegriffen, ab in mein Taxi damit. Die Dame stieg hinten rechts ein, hier auf dem Dorf eher ungewöhnlich und ein Zeichen dafür, das sie aus einer größeren Metropole kommt. Bei uns aufm Dorf setzten sich einzelne Fahrgäste zum Fahrer!

Angezogen war sie sehr aufreizend und das Outfit passt eigentlich gar nicht für diese Gegend. Da bekam ich das Fahrtziel genannt.

“ Drive to me Sennsched!“, lispelte die Asiatin mit leiser Stimme von Hinten.

“ My Dear Lady, do you like to be driven to Sandstedt?“

„Yes.“

„To which street or location should the trip go?“

„I tell when see town!“

Von ihrem Auftritt her, würde sie in die „Villa Wurm“ passen. Aber dieser Sandstedter Puff ist seit langem geschlossen.

Genug platt geschnackt und auf den Weg gemacht. Der Kleinwagen ist noch kurz vor mir los gefahren und biegt in Hagen auch Richtung Sandstedt ab. Ich Frage mich, was das nun wieder soll. Ich hatte gerade dicht aufgeschlossen, da ruft es von hinten:

“ DON`T FOLLOW CAR, NOOO FOLLOW!!!“

„OK!“, ich bremse ab und lasse den Abstand „unauffällig“ größer werden, bis wir vor einer Kurve endlich den Kontakt verlieren.

Sandstedt kommt in Sichtweite und „Es“ meldet sich wieder.

„Stop red light house, please!“

Hihi, doch noch alles in Funktion bei meinen Sensoren. Der Puff erstrahlt wieder in seinem roten Glanze. Wahrscheinlich bin ich dafür verantwortlich, das dort etwas Abwechslung rein kommt.

Umzugsgut wieder ausgeladen, kassiert und Tschüss.

Wahrscheinlich sollte ihr Freund nicht mitbekommen, welcher ihr neuer Arbeitsplatz ist. Aber das soll nicht mehr meine Sorge sein.

Störung der dörflichen Ruhe.

Ich war am Montag als Sammeltaxi unterwegs nach Wersabe. Kurz vor dem Ortsausgang Hagen in Richtung Uthlede überholten mich 2 Streifenwagen im Einsatz mit Martinshorn. Nachdem sich beide vor mein Taxi gesetzt hatten stoppten sie auch gleich wieder abrupt.

„Was habe ich den nun angestellt?“, ging mir sofort durch den Kopf.

Ich verlangsamte meine Fahrt und wurde sogleich per Handzeichen aufgefordert weiter zu fahren.

Am Straßenrand standen mehrere Personen, um die wollten sich die Beamten wohl kümmern.

Da entdeckte ich auch noch einen Polizeihubschrauber am Himmel. Da muss was Schlimmes passiert sein, wenn Der schon kommen muss!

Heute konnte ich nachlesen, um Was es ging:

Polizeipresse

¡Manos Arriba!

Kumpel von Sonne, wo macht Nachtschicht, war gerade eben am Himmel erschienen. Ich saß in einem unserer Aufenthaltsräume, als mich ein Auftrag erreichte.

Ich sattelte meinen 9-Sitzer und bog von unserem Parkplatz nach links Richtung Norden ab. Nach 50m erschien am linken Fahrbahnrand eine Person, winkte und lief weiter bis auf meine Spur. Ich musste schon stark bremsen, um eine Kollision zu vermeiden.

Da ich nicht hören konnte, was mir der Gegenüber vermitteln wollte konzentrierte ich mich, anhand der Mimik seines Gesichtes heraus zu bekommen, was sein begehr sei.

Oo, die freie Sicht wurde mir versperrt, denn Zwischen Subjekt und Frontscheibe schob sich eine Pistole. Die nächste Sekunde verbrachte ich damit, zu berechnen, welches Kaliber die Kanone vorzuweisen hatte. Bevor ich mich für KK oder Luftpistole entscheiden konnte , ließ ich den Motor aufheulen und die Kupplung springen!

Meine Gedanken drehten sich nur um die Entscheidung, wer zuerst fällt, er oder ich.

„Mäh ihn nieder!“, schallte es aus sämtlichen Nervenbahnen und ich gab Gas.

Der Typ wankte ob meines 2,5 Tonnen Geschosses, fing er sich sogleich wieder und während ich noch einmal freundlich im Vorbeifahren Grüßte, hieb er Nebenherlaufend ohne Erfolg auf meine Seitenscheibe ein. Ich nahm Deckung, als ob ich mit 100 Klamotten unter tief hängenden Ästen hindurch fahren müsste. Ich hatte ja keinen Helm auf.

Jetzt nur noch an die Bürgerpflicht denken, damit du nicht wie ein Depp da stehst, wenn der Polizist fragt:“ Könne sie den Beschreiben? “

Was ich mir merken konnte:  Männlich, 18-25 Jahre alt, Kaputzenshirt in hellem türkis, weiße Turntreter. Bei der Bewaffnung bin ich mir bis Heute nicht sicher. Ich schaute in kleines, schwarzes Löchlein am Ende eines Rohres mit praktischem Haltegriff. Mein „RAM“ war ansonsten schon wieder formatiert um weitere Maßnahmen einzuleiten.

Ich alarmierte die Zentrale und Kollegen über Funk, bog nach 200m ab und versteckte mich hinter einem Sichtschutz.

„Jetzt ist er bei mir!“, hören ich meinen Kollegen N.Guter aus dem Lautsprecher.

„Wo?“, schrie ich ihm zu zurück.

“ Bahnhofstraße hinter der Kirche!“

Die zweite Portion Adrenalin ließ meine Schläfen anschwellen, mein ganzer Körper war auf Angriff programmiert, der Jagdinstinkt geweckt.

“ Muuussss N. helfen…..Muuussss N. helfen“ dröhnte es in meinem Schädel und ich fuhr dorthin, wo mein Kollege in Bedrängnis war.

Toller Wagen, dieser Trafic, nimmt jede Lenkbewegung sofort an und bringt sie auf die Straße. Ich sehe vor mir das Taxi und  den Freak. Ich blende auf, Hupe, werfe mich ins Geschehen. Der Räuber läuft endlich davon, springt über die Kirchenmauer und ist weg.

Kurzes aufatmen, wie geht es N.? Alles war Gut, keiner hat etwas abbekommen.

Mein Iphone meldet sich. Es ist die Polizeistation Schiffdorf. Die nötigsten Schilderungen werden abgefragt, bestätigt, das schon mehrere Wagen unterwegs zum Tatort wären.

Nach kurzer Zeit fand uns der erste Streifenwagen und wir bezeugten noch einmal das erlebte.

Ein Polizeitransporter traf ein. Die Türen öffneten sich. Ich erkannte einen Deutschen Schäferhund und fühlte mich jetzt erst mal wieder in Sicherheit und umsorgt. Ein warmes Gefühl machte sich in meinem Körper breit. Wir wurden ernst genommen, uns wurde geholfen.

Die Hundestreife machte sich sofort auf, die Fährte aufzuspüren und zu verfolgen und verschwand im Dunkeln zwischen den Gräbern des Friedhofes.

Wir besprachen noch mit den Polizisten, wie wir uns jetzt weiter verhalten sollen und verabschiedeten uns erst einmal.

Zurück in unserem Ruheraum gab es jetzt einen schönen heissen Kaffee. Es wurde eine kurze Manöverkritik abgehalten, bevor wir uns wieder auf die Straßen unseres beschaulichen Pflicht-Fahrgebietes begaben.

P.S.: Es dauerte ein paar Monate, bis ich endlich wieder ohne Angst in diesem Ort sein konnte. Bei den ersten Winkern am Straßenrand hatte ich immer wieder ein mulmiges Gefühl. Zum Glück hat die Zeit nun die seelischen Wunden geheilt. Den Täter hat man leider nicht gefasst, Verdächtige wurden zwar verhört, aber ohne Ergebnis. Das Verfahren wurde eingestellt.

 

Fahr erst mal los!

An einem schönen lauen Mittwoch Abend wurde ich zur $Bundesstrasse, Hausnummersoundso gerufen. Ein Mann mittleren alters stieg zu und es soll nach Bremerhaven gehen. Grobe Richtung Kiez. Auf der Hafenstaße angekommen erhielt ich ein paar „Hier Rechts-Hier Links“ Anweisungen und ein  „Hier bitte am Straßenrand anhalten und warten, es geht gleich noch weiter“.

Ich schaute meinem Begleiter hinterher. Er ging zu einem Haus mit einem großen, geschlossenen Holztor und schlug mit der Faust  einige Male gegen dieses und schaute nach Oben. Im ersten Stock wurde eine Werder-Fahne aus dem Fenster geschwungen. Mein Fahrgast wechselte nun die Straßenseite und und verschwand in einer Haustür.

Nach 5 Minuten kam er schnellen Schrittes zurück und nahm wieder bei mir Platz.

„Wo geht es jetzt hin?“ stellte ich die wichtigste Frage in unserem Gewerbe.

„Fahr erst mal los!“ bekam ich zurück.

“ Äh rechts oder links rum ?“

„Fahr erst mal, ist egal“

Ich biege hier und da mal ab, und neben mir wird im Handy das Adressbuch durchsucht, eine Nummer gewählt. Keiner geht ran. Neue Suche, neuer Anruf, es geht Jemand dran.

„Ey Alter, haste was da? Ich bin in 5 Minuten bei dir. Waaaas, in einer Viertelstunde soll ich erst kommen?, nein kannste vergessen und aufgelegt. Wieder Kontaktsuche im Dingens.“

“ HerrFahrgast, soll ich nicht eben anhalten, bis sie das Fahrziel wissen?“

“ HerrTaxifahrer, wie oft soll ich es noch sagen, fahr einfach irgendwo hin !!!“

Ööööhem, endlich eine klare Ansage. Ich dachte mir, fahr mal Richtung „Alte Bürger“. In der Straße gibt es viele Kneipen und vielleicht will will der da ja hin. Ich fand es schon mal Gut, das reichlich Leute unterwegs waren, um mir ggf. zu helfen.

“ Bist du jetzt da?“ schreit mein Beisitzer ins Mikrofon. „Was immer noch 10 Minuten?, du kannst mich mal!“

„Fahr mich wieder zurück nach Hause, ich hab keinen Bock mehr.“

Na Prima, wollte ich doch an der nächsten Kreuzung auf die Autobahn gen Paris abbiegen. Also wieder Richtung Ausgangspunkt gesteuert.

Neben mir knistert es. Ein kleines Päckchen wird geöffnet.

„Haste mal nen Blatt Papier für mich?“

Ich schau in meine Mappe und reisse eine leere Seite aus meinem Fahrtenbuch.

“ Hier, bitte sehr, die Rückseite ist nicht bedruckt. Brauchen sie auch einen Kuli?“

“ Ach was, geht auch ohne!“

Er halbiert das Papier auf DIN A5 und faltet eine Hälfte. Die andere teilt er wieder und formt ein Röllchen. Oho, mir schwant etwas. Mit geschickter Routine misst er ein Quantum aus dem Päckchen ab und verteilt es in der Ritze des vorher geknickten Papers. Ohne auf mich zu achten, schnieft er da so ein Pülverchen ins Resthirn, lehnt seinen Kopf zurück, als hätte er Nasenbluten. Rubbelt dann kurz sein Riechorgan und schaut erfrischt und zufrieden drein. Jetzt räumt er auf. Röllchen ins Tütchen, Tütchen ins Päckchen und nur noch fein mein Formular in der Luft gewedelt und drüber geblasen.

Meine Nase wurde auf einmal so trocken. Uh. Hab ich eine Prise abbekommen? Ich bin mir nicht sicher. Mein Zinken schloss sich. Langsam  glaubte ich wirklich, eine gute Dröhnung inhaliert zu haben. Fenster auf und Frischluft tanken half etwas.

Da mir der Geselle nun nur noch auf den Geist ging, fragte ich nicht nach, sondern wollte ihn nur noch schnellstens wieder loswerden. Am Startpunkt angekommen  fix abkassiert, lustigen Abend gewünscht und das Weite gesucht.

Die Nase fühlt sich wieder besser an, der Flüssigkeitshaushalt hat sich anscheinend von selbst reguliert. Ich reisse alle Fenster bei voller Fahrt auf, in der Hoffnung, auch das letzte klitzekleine Staubteilchen würde vom Winde verweht.

Fragen an euch Leser:

  1. Bin ich jetzt süchtig?
  2. Bin ich ein Drogenkurier 🙁 ?
  3. Habt ihr auch schon mal „passiv“ geschnieft?

Warte bis Heute auf Entzugserscheinungen. Oder war meine Einbildung einfach nur so stark?

Hiiiiiiilllllfeeeeeeeeee !

„Möchteste was zu Trinken so lange ?“

Als ich das Lokal nach meinen Mitfahrern durchforstete, fand ich nur noch ein paar People am Stammtisch sitzend an. Eine lockere Plauderei mit dem Wirt war in vollem Gang, die Becher gerade frisch gefüllt.

„So ein Murks, rennste jetzt raus und schmeißt die „Uhr“ an ?“, dachte ich. Meine Aktion wurde sofort gestoppt.

„Wo willsten hin, setz dich, die Herren trinken nur noch aus. Können wir dir was Gutes tun solange? Wie wärs mit einem Cappucino?“, kam vom Wirt.

Eigentlich nicht sehr produktiv, so eine Kaffeepause, aber da gerade kein Streß angesagt war, nahm ich das Angebot an. Ich setzte mich zu der Runde an den Tisch. Kurz darauf bekam ich meinen Cappuccino. Zwei Löffel Zucker rein, vorsichtig um gerührt und angesetzt. Nachdem die ersten Milliliter meine Zunge passiert und den Gaumen geschmeichelt hatten, ergab die Auswertung der geballten Sinne ein widersprüchliches Bild.

Die Augen sahen einen feinen braunen Trunk, perfekt zubereitet mit einer De’Longhi. Mein geballten Geschmackssensoren betätigten aber übereinstimmend Säure, mit leichtem Teint von Kaffeesatz. Ich lächelte verzweifelt, um das bemerkte durch eine B-Probe zu überprüfen und setzte erneut an, nicht ohne mich vorher mit einem weiteren Löffel Zucker zu versichern. Baaaaaam, immer noch scheußlich, jetzt hatte ich das Zeug auch in der Speiseröhre und die empfand die Flüssigkeit als abstoßend und ich musste erstmal husten. Durch meine Äußerungen und die Grimassen zog ich die Aufmerksamkeit der kompletten Tischgemeinde auf mich.

„Was ist denn los, ist was nicht in Ordnung mit dir?“

„Entschuldigung, mir geht es Gut, aber irgendetwas stimmt mit meinem Cappuccino nicht, ist die Milch vielleicht sauer?“

Der Wirt zieht mir die Tasse weg, nimmt Sichtkontakt mit der Oberfläche auf, runzelt die Stirn, rührt um. Schnuppert. Stellt nichts fest. Geht zum Tresen.

„Ich mach dir mal nen Neuen. Hmmm, Milch ist OK. Temperatur OK. Espressobohnen OK. Ääh, wasn das fürn Schlauch, der gehört doch in die Milch. Fraaaauuuuuuuuuuuu, du mußt mir doch sagen, wenn du anfängst aufzuräumen!“ An mich gewandt: “ Das ist vollkommen ungefährlich“, liest er von der Verpackung der kleinen Reinigungs -Tabs ab. “ Alles rein Biologisch“, versichert er mir.

Auf die Offerte, einen Weiteren zu nehmen verzichte ich Dankend, begehrte aber ein Kaugummi, welches mir bewilligt wird.

Boah, der Geschmack ist weg, aber die Erinnerung daran läßt mich nun jedes Mal verzichten, in vergleichbaren Situationen.

 

Auf der Reeperbahn Nachts um halb eins dumdidum….

„Fahr mal Richtung $dorfbeibeverstedt, Daten schick ich dir gleich“, dröhnt es aus meinem Funklautsprecher.

Kurz darauf erscheinen auf meinem MDA die Abholdresse und Fahrtziel. 4 Personen ohne Gepäck zum Bahnhof nach Geestenseth. Um 21:00 sollte ich dort sein.

Am Straßenrand erwartete mich schon einer der Fahrgäste. „Die andern kommen gleich, der Zug fährt erst um 20:30, das schaffen wir locker“, frohlockte der in die Jahre gekommene Rocker.

„Äääh, es ist schon 9 !“, plapperte ich einfach so drauf los.

„Wie, wieso isn das schon so spät ?“, sieht er mich fragend an. Ich vergleiche noch einmal sämtliche Chronometer (Tacho, Radio, IPhone,Turmuhr, Kiosk), es half nichts, es war 9 Uhr.

Nun wurde sich versammelt und überlegt was zu tun ist. In Geestenseth fährt später an diesem Tag kein Zug mehr ab Richtung Hamburg. Man könnte über Bremen fahren, aber das kostet extra, weil die Tickets nur für die geplante Strecke galten. Und das dauert ja ewig, bis wir endlich wieder in Hamburg sind. Dann endlich die erlösende Frage an HerrnTaxifahrer:

„Ey, Alter was nimmste bis zur Reeperbahn?“

Ich warf mein NÜVI an, tippte die Reeperbahn ein, kurze Strecke über die Dörfer. 110 Kilometer waren zu berechnen. Da wir im Landkreis Preis gebunden sind, waren höchstens 190,00 € fällig. Weniger wäre möglich, aber schlecht für meinen Chef.

“ HerrFahrgast, ich würden sie für 190 kutschieren!“

„Machste 160, OK“

“ Nee, darf ich nicht, gehört zur Philosophie bei uns !

“ Stell dich nicht so an, mach 170,00 und laß die Uhr aus!“

Diese Prozedur erlebe ich mehrfach wöchentlich, aber bei diesen langen Strecken bleibt kein Gewinn über, es steht ja fest, das die Rückfahrt zu 99,99 % leer sein wird.

Die 4 versuchen eine neue Taktik. Sie steigen erst mal ein und machen es sich bequem.

„Komm, gib Gas, für 180 kannste uns gern fahren.“

“ Jetzt fahren wir erst mal schnell zur nächsten Bank und holen Geld, falls ihr nicht genug habt und dann fahre ich euch für 190.“

“ Glaubste wir sind Pleite oder was. Hier, da sind 190,00 €, nun aber los!“

Puh, endlich war der formelle Part erledigt ich nahm die Patte und lenkte Richtung Nordosten.

Die Angelegenheit mit der Bezahlung war schnell vergessen und so wurden erst mal die Zwischenstopps geplant. Es sollte eine Pinkelpause geben und einen Tankstellenhalt, um die Biervorräte aufzufüllen.

Tja, die erste von 3 PP war schon nach 20km fällig. Lag aber auch an dem Jieper nach der nächsten Fluppe. Im Taxi wird ja nicht mehr geraucht.

Es stellte sich heraus, das meine Jungs ( 35-60 Jahre) richtige Hardcore-Fans des FC St. Pauli sind, sie wohnen quasi im Stadion. Es wurde gesungen, laut und rau! Nach der Hälfte der Strecke konnte ich mich schon einreihen, und einen Kanon nach dem anderen zelebrieren.

Wie bereits erwähnt, erwecken maritime Details schon mal Urlaubsgefühle bei mir, wenn auch nur kurz. Und kurz vor dem Elbtunnel war es dann wieder soweit. Ein romantischer Sonnenuntergang im Hafen.IMG_1555Weiter durch den Tunnel und dann hart Rechts ging es weiter zur Wonnemeile.

IMG_1571Ein wenig mulmig war mir, als wir durch die verschiedenen Gassen fuhren. Überall so komische Hinweise auf verbotene Durchfahrt und so. Darauf angesprochen sagte der Leader of the Gang zu mir, das wäre normal, auswärtige Taxen hätten Welpenschutz, außerdem wären sie ja auch dabei und würden zu Not alles regeln. Die motzenden Türsteher blendete ich jetzt vorsorglich aus.

Großes „Haaallloooo“ an der Stammkneipe und Verabschiedung von Herrntaxifahrer, nicht ohne mir noch einen 10er zuzustecken, für die unfallfreie Reise.

“ Huhu, bitte wie komm ich hier wieder raus?“

„Mach dir kein Kopf, hier, der Opa ist eh fertig. Nimm ihn mit bis zur nächsten S-Bahn und schon bist du wieder auf freier Strecke.“

Ich winke noch mal, Opa geleitet mich von der großen Freiheit in die Freiheit und schon gehts wieder Richtung Heimat.

War ein schöner Kurzurlaub mit netten Leuten.

Sie ist Müde! Gut so.

Zur Zeit bin ich nur Abends und Nachts unterwegs. Aber zu Beginn meiner Taxilaufbahn waren auch eine Tagschichten zu absolvieren. Ganz abgesehen davon, das ich vorm Aufwachen schon im Taxi sitzen musste (5:00 oder manchmal schon früher Dienstbeginn) ist Taxifahren im Hellen auf vielfältige Weise eine Qual.

  1. Da sind so viele andere Idioten unterwegs, die auch Irgendwo hin wollen.
  2. Sämtliche Ampeln leuchten in ihrer Pracht, meistens natürlich Rot!
  3. Die Wegelagerer lauern an jeder Ecke. Wichtige Kontrollen durch Staatsorgane finden vermehrt statt, es werden Fotos beim Vorbeifahren gemacht.

Am Schlimmsten aber ist, was Fahrgäste manchmal absondern. Rein Gesprächstechnisch meine ich jetzt erst mal. Letztens hat uns der Chef ein Seminar gesponsert. Kommunikation stand an der Tafel, ein Unterpunkt war Smalltalk. Die nette Lehrerin  Unternehmensberaterin analysierte mit uns in einem Brainstorming welche Themen unbedingt im Taxi abgehandelt werden müssen und welche geflissentlich abgewürgt werden sollen.

Aber leider waren bei dieser Schulung nur TaxifahrerInnen anwesend, keine Fahrgäste. Nach den ersten 2 Wochen im Tagesmodus war ich mit den Nerven am Ende. Ich fühlte mich schlapp, jedes Zwicken oder Drücken im Brustraum oder am Bauch ließ meinen Puls beschleunigen und verschlimmerte die Kontraktionen nur noch mehr.Eine schwere Hypochondrie bahnte sich an.

Was war passiert? Hier für Heute ein Beispiel:

Tagsüber chauffieren wir die meisten unserer Kunden zum Arzt, Krankenhaus oder Physiotherapie und wieder nach Haus. Wir fahren also kranke Menschen durch die Gegend. Ich habe zu Anfang immer richtig mitgelitten, weil ja die Taxikunden einem HerrnTaxifahrer alles erzählen können, denn der hat ja Schweigepflicht und ist ja auch gleich noch ein Gratis-Psycho-Zuhörer zum Vollspammen mit gruseligen Befindlichkeiten.

Nicht in den falschen Hals bekommen, ich mach das ja gerne, bekomme die Zeit ja bezahlt und ich will ja immer freundlich sein und die Fahrten so angenehm wie möglich machen. Aber wenn ich nicht ab und an eine (Tratschstunde) Supervision mit meinen Kollegen hätte, wäre ich schon lange durchgedreht. Man kann es auch aufschreiben, so wie hier jetzt, das befreit.

Also, ich hole eine Frau vom Krankenhaus in Bremen ab. Sie ist krank. Krebs mindestens. Nachdem ich ihr behilflich war, den Gurt anzulegen, bemerkte sie mir gegenüber, das sie völlig fertig sei und Heute nicht plaudern möchte. „Ist gut so, geht mir manchmal auch so“, antworte ich und wir fahren ab.

Jetzt kommts. 1 Minute ist die Zeit, welche ein oben beschriebener Mensch benötigt um wenigstens Zungenseitig wieder vollständig zu regenerieren und ohne Vorwarnung den Smalltalk  Vortrag  über seine Anamnese zu beginnen. Hier nur noch kurz das Ende der Rekapitulation meiner Fahrgästin.

“ Ich bin ja so froh, das ich jetzt nicht mehr zu Dr. $xyz gehe. Der hat alles nur noch übern Computer gemacht. Ich musste der Schwester meine Fragen aufgeben, die wurden dann eingetippt und irgendwann kam dann eine Antwort aus dem Fernseher. Richtig sauer war ich aber, weil er sich meine Füße nicht angesehen hatte. Alle Fußnägel waren schwarz geworden und 6 Stück waren schon abgefallen seit der letzten Chemo. Stellen sie sich DAS mal vor, HERRTAXIFAHRER!“

Nochmal Leute, das finde ich wirklich Bemitleidenswert, ehrlich. Und ich gehe auch immer sehr respektvoll mit  allen betroffenen Patienten um, aber so was geht gar nicht. Wird sich aber nicht ändern, so grausam ist das Leben.

Und da ich, wie geschrieben, regelmäßig selbst eine Gehirnwäsche benötige, werdet ihr auch weiterhin von tollen Krankengeschichten lesen.