Der Tag begann genau so, wie man es sich wünscht. Auf dem Weg zur Arbeit der Griff in die Innentasche:
„Scheisse, Handy vergessen!“
Kehrt Marsch, das Ding holen, Zentrale anrufen,erfahren das „Alles Gut “ ist und leicht verspätet eintreffen.
Was haben die Hunde sich gefreut, als ich nur 5 Minuten weg war…..
Was haben die Hunde traurig geguckt, als ich ohne weiteres Leckerli wieder abgedampft bin…
Meine ersten Aufträge waren Rolli-Fahrten. Der mir zugeteilte Bus (Renault Trafic) ist dafür perfekt geeignet. Mit wenigen Handgriffen lässt er sich vom 9-Sitzer in ein Rollstuhlgerechtes Fahrzeug umrüsten.
- rote Schlaufe ziehen
- hintere Rückbank umklappen
- Bodenbefestigung beidhändig entriegeln
- Rückbank hoch stellen und verriegeln
Das Ganze dauert 15 Sekunden und geht ohne Kraftaufwand!
Das war der einfache Teil, wären da nicht die lästigen Fahrgäste mit ihren Sonderwünschen und Befindlichkeiten. Bei der zweiten Tour war ich 15 Minuten zu spät. Der Mann plusterte sich gleich mächtig auf und schüttete einige unschöne Stereotypen über die faulen und unzuverlässigen Taxifahrer über mir aus. Ohne mit der Wimper zu zucken Wie ein kleines hilfloses Äffchen lies ich mich ausschimpfen und entschuldigte mich dann auch noch. Beschwerdemanagement halt. Da hatte ich die Rechnung ohne die Oma im Rollstuhl gemacht:
„Wo kommen sie denn jetzt erst her? Sie sind wohl extra langsam gefahren und haben erst noch Mittag gemacht!?“
Voll in die Magengrube! Egal, das ist einfach der miese Part in der Dienstleistung.
Später, als ich das Duo zu Hause abgeliefert hatte, entspannte sich die Lage. Er zog seine Äußerungen zurück, wäre doch nicht so schlimm gewesen und wünschte mir einen schönen Feierabend. Na gut, „Danke!“, sind ja nur noch 7 Stunden!
Anschließend traf ich zwei Kollegen und wir machten uns eine Viertelstunde lustig über verschiedene tölpelhafte Fahrgäste und die Moral war wieder bestens!
Ein paar Touren später, so kurz vor 8 Uhr bog ich von der A 27 auf die B 71 Richtung Loxstedt ab. Erst mal rechts rum, Vorfahrt achten, 70er-Zone, über die Brücke und dann links.
„Häh, was ist denn das?“
Ein PKW überholte langsam ein auf meiner Spur stehendes Fahrzeug und parkte danach 20 Meter dahinter schräg zur Fahrbahn. Das Auto auf meiner Spur war ramponiert und zeigte in meine Richtung.
Vor mir war die Straße übersät von Autoteilen, ein großer dunkler, nasser Fleck. Ich bremste ab und endlich schoß es mir durch den Kopf!
„Ein Unfall!“
Die Kollision fand etwa 50 Meter vor mir statt, ich habe den Aufprall trotzdem nicht gesehen.
Surreal! Ich fahre noch etwas vor, schalte Warnblinklicht ein und parke. Als ich hinlaufe steigt die Fahrerin aus, läuft zur Beifahrerseite und hilft einer zweiten Person heraus. Ich fasse unter, rufe laut nach weiteren Personen. Es sind nur die beiden. Ein Mann kommt dazu. Der andere Unfallbeteiligte. Er ist unverletzt. Die Beifahrerin klagt über Rückenschmerzen, sie möchte aber unbedingt stehen. Ich sehe nirgends Blut oder Verletzungen und bin froh. Mein Adrenalinspiegel sinkt langsam.
Ein zufällig vorbeikommendes Feuerwehrfahrzeug sichert eine Straßenseite mit Blaulicht. Ich wähle den Notruf und habe Mühe den Ort zu beschreiben. Peinlich, aber ich denke, das ist der Situation geschuldet. Nach 6 Jahren schwebe ich von Ort zu Ort. Was kümmern mich die Streckennamen, liegen alle schön verpackt im Unterbewusstsein meines Taxifahrerkleinhirns!
„Mein Handy, mein Handy!“
Ich steige in das zerstörte Fahrzeug und finde es im Fußraum unter einer Menge Plastik, das sonst im Heck des Fahrzeug angesiedelt ist. Es stimmt wirklich. Wenn es kracht, fliegt alles nach vorn. Und davon viel! Ich habe auch immer viele lose Teile im Wagen und frage mich, wann ich die rausnehme, weil ich sie nicht brauche, oder wann ich sie befestige!?
Ich reiche der jungen Frau das Smartphone, für eine halbe Sekunde ist sie glücklich!
Wo ist eigentlich der Erste Hilfe Kasten? Ich werde gleich nachschauen. Hätte eigentlich der erste Griff sein sollen, oder!?
Weitere Personen möchten helfen, ist zum Glück nicht nötig. Ich frage einen Feuerwehrmann, ob wir einfach schon einmal eine Hälfte der Fahrbahn säubern sollen, von den verstreuten Teilen. Ich denke da praktisch. Dann müssen die armen LKW nicht warten, die noch nach Bremerhaven müssen.
Der Profi winkt ab. „Wir sichern jetzt und verändern Nichts!“, das regeln gleich die Verantwortlichen.
Ich informiere die Zentrale, das ich sicher zu spät zu meinem nächsten Auftrag kommen werde. Sie kümmert sich.
Mittlerweile kommen von allen Seiten weitere Feuerwehr-Fahrzeuge. Ein Riesen-Bohei! Ich soll mein Taxi zurücksetzen, Platz für Rettungsfahrzeuge soll geschafft werden. Ein Feuerwehr-LKW setzt sich vor mich.
Der Rettungswagen trifft ein, die Polizei auch. Ich habe hier nichts weiter zu verlieren und verdrücke mich.
Eine Stunde später ein Anruf von der Polizei. Sie hätten einen Fahrauftrag für mich. Ein Mann möchte von der Unfallstelle abgeholt werden. Ich kenne ihn, es ist der Unfallbeteiligte.
Die Unfallstelle war noch gesperrt und ich genoß es wie einer der das erste Mal bei einer Oscarverleihung jovial grüßend über den Roten Teppich schlendert. Der erste Posten erspähte mich, als ich eine Bake umfuhr, die Zwecks Verkehrslenkung aufgestellt worden war. Er winke, zappelte und wollte mich wegscheuchen. Schaffte er aber nicht, der Rote Teppich, ihr wisst!
„Die Politei hat mich gerufen, ich habe einen Auftrag zu erfüllen!“
Er schnuffelt etwas in sein Walky-Talky. Ich darf durch, die Menge jubelt!
Weiter vorn werde ich ran gewunken.
„Sind sie der Taxifahrer?“
„Nee, ich bin der Papst und eröffne eine Boutique in Wuppertal!“
Mein Fahrgast steigt ein und wir verlassen diesen immer noch in allen erdenklichen bunten Farben flackernden Ort.
Wir reden während der Fahrt über diesen und andere Unfälle, was denn auch sonst. Wir wünschen uns beide, das es den Verletzten bald wieder gut geht!
Hier der Link zum Polizeibericht: Unfall B71 (Presseportal) Und hier noch von Nord24 mit Bild.
So, lasst euch nicht Stressen ich geh jetzt Pferdeäpfel vom Sandplatz sammeln!
„Los jetzt!“ 🙂